Das Portrait eines Point-Fighters, der schon alles gewonnen hat, was es auf dieser Welt im Semikontakt-Kickboxen zu gewinnen gibt: London, WAKO-WM 1991: Der erste internationale Auftritt eines jungen, aufstrebenden Fighters im US-Team, der in Amerika schon längst kein Unbekannter mehr war, den hierzulande aber noch niemand kannte. Schon nach den ersten Ausscheidungskämpfen war klar, daß hier ein Ausnahmefighter den WM-Titel anstrebte.
Mit blitzschnellen Attacken und Kombinationen, die seine Gegner zur Verzweiflung brachten, punktete er schier nach belieben. Die Technik,die ihm aber seinen Spitznamen einbrachte, der „Axe-Kick“, wird vielen die dabeiwaren noch lange in Erinnerung bleiben. Pedro konnte seinen Fuß schier endlos lange senkrecht in der Luft pendeln lassen, um ihn dann, wie eine Kobra, punktgenau zustoßen zu lassen. Mit diesem imposanten Auftritt begann der internationale Aufstieg des Sohnes einer Einwanderer Familie von den Kap-Verdischen-Inseln, zum wahrscheinlich besten Semikontakt-Kämpfer unserer Zeit.
Unser Mitarbeiter Rüdiger Miller besuchte Pedro Xavier in seinem Dojo in der Nähe von Boston und sprach mit ihm über Wettkämpfe, Training und die Zukunft eines Champions.
Pedro, wann hat deine Karriere, bzw. dein Training begonnen?
Ich habe 1981 unter Master Joe Pina in Boston mit dem Taekwondo begonnen, da mein Onkel Master Pina sehr gut kannte und dieser seine Schule in selben Haus eröffnete. Da ich schon immer ein aufgeweckter Junge war, meinte mein Onkel, es wäre das Beste für mich, meine Energie im TKD-Training abzubauen. Seitdem bin ich der Kampfkunst verfallen. Nach einiger Zeit erhielt ich sogar die Schlüssel zum Dojo um zu trainieren, wann immer ich Lust dazu hatte und ehrlich, ich hatte eigentlich dauernd Lust zu trainieren. So trainierte ich täglich. Schon nach 3 Monaten begann ich erfolgreich an Turnieren teilzunehmen.
Was waren für dich die größten Erfolge?
Ich glaube der größte Erfolg für mich persönlich waren meine 2 Goldmedaillen bei der WAKO-WM 1991 und 1993, weil ich hier gegen Fighter aus der ganzen Welt antreten mußte. Außerdem war mein erster Grandchampion-Titel, den ich bei einem regionalen Turnier hier in Boston gewonnen habe, sehr wichtig für mich.
Wie sieht dein Training aus ?
Leider habe ich nicht mehr die Zeit, so wie früher, jeden Tag zu trainieren, da ich jetzt mein eigenes Dojo habe und von 11 Uhr vormittags bis 9 Uhr abends unterrichte. Ich nehme mir aber die Zeit um mindestens. 5 mal in der Woche zwei Stunden mit Gewichten zu arbeiten und 3 mal die Woche mit meinen Freunden im Dojo meines Trainers in Boston zu trainieren. Das Gewichtstraining hilft mir sehr meine Schnelligkeit und Kraft zu verbessern ohne viel Gewicht zuzunehmen. Speziell für meine Kicks habe ich einige Übungen entwickelt, die mir helfen, meine Kicks kraftvoller und schneller zu machen.
Du hast deinen Trainer schon mehrfach erwähnt, was bedeutet er für dich?
Master Pina ist für mich einer der besten Trainer und Mentoren, die ich jemals getroffen habe. Er ist nicht nur ein Vorbild für mich, sondern für alle, die jemals mit ihm in Kontakt kamen. Mein Vater starb in dem Jahr in dem ich anfing, bei Master Pina Taekwondo zu trainieren, seitdem ist er eigentlich wie ein zweiter Vater für mich. Meine Familie hatte früher nie viel Geld und als Master Pina merkte wie eifrig und talentiert ich war, mußte ich auch für meine Trainingsstunden nichts mehr bezahlen. Er hat auch die Kosten für meine schulische Ausbildung übernommen, was ich ihm heute noch sehr hoch anrechne. Er muß mein Talent wirklich schon früh erkannt haben, denn er begann schon nach einiger Zeit mich extra, nach der regulären Trainingszeit zu trainieren. Auch übernahm er später alle meine Kosten bei Turnieren. Ich muß sagen, alles was ich heute bin, verdanke ich ihm.
Dein Coach im John-Paul-Mitchell-Team, Don Rodriguez, hält dich für den besten Semikontakt-Kämpfer der Welt, was sagst du dazu?
In den vergangenen drei Jahren hat er mich bei Shows, Demon-strationen und Wettkämpfen, als besten Kämpfer der Welt vorgestellt. Das hat mir bei schweren Kämpfen gegen wirklich gute Gegner, den letzten Kick gegeben, um zu gewinnen. Er nahm mich vor dem Kampf zur Seite und trichterte mir immer wieder ein, daß ich der Beste bin, oft erinnerte er mich auch an die WM 1991 in London und das half mir dann immer, mich auf meine Gegner einzustellen und zu konzentrieren. Bevor er begann,dies immer wieder zu sagen, glaubte ich selbst nie richtig daran. Jetzt fühle ich mich stärker und voller Energie, kann mich leichter konzentrieren und meine Punkte machen. Die Meinung von Don bedeutet mir persönlich sehr viel, da er als Coach des JPM-Teams und des WAKO-Nationalteams mit so vielen hervorragenden Kämpfern zu tun hat, die alle auf dem selben Level kämpfen wie ich.
Wie läßt sich der Sport und deine anderen Aktivitäten mit deinem Familienleben verbinden?
Nun, zur Zeit habe ich noch keine Familie, was er mir einfach macht, für den Sport zu leben. Ich habe mir vorgenommen, noch eine Menge Dinge zu erreichen, bevor ich eine Familie gründe. Viele meiner anderen Teamkameraden haben Familie und ich sehe wie sie dadurch oft in Konflikt geraten, zwischen ihrer Familie und dem Sport wählen zu müssen. Nicht daß ich keine Familie haben will, aber ich denke, ich bin mit 25 Jahren auch noch nicht bereit dazu, diese Art von Verantwortung auf mich zu nehmen.
Wir wissen, daß du eine Freundin hast, die ebenfalls sehr erfolgreich an Wettkämpfen teilnimmt?
Richtig. Ihr Name ist Elisabeth Rosa und ich wohne mit ihr seit fünf Jahren zusammen in einem Appartement in Boston. Sie trainiert seit 8 Jahren Taekwondo und nimmt mit mir zusammen an Wettkämpfen teil. Ich habe ihr auch meine Wettkampfformen beigebracht, da sie sich mehr für den Formen-Bereich interessiert, als fürs Kämpfen. Im April waren wir bei den Arnold-Schwarzenegger-Classics und dort konnte sie ihren bisher größten Erfolg feiern. Sie hat dort den Grandchampion der Damen sowohl bei den Formen als auch im Semikontakt gewonnen. Momentan steht sie in der NASKA-Rangliste auf Platz 2, aber ich bin mir sicher, bis zum Ende des Jahres erreicht sie Platz 1.
Du bist nun schon lange Zeit bekannt und erfolgreich in den USA, wie sieht es mit dem Filmbusiness aus ?
Ich habe nicht unbedingt vor ins Filmgeschäft einzusteigen, d.h. es ist nicht eines meiner Ziele, so wie es für einige andere Mitglieder des JPM-Teams ist, aber mir gefällt es, ab und zu kleine Gastauftritte zu übernehmen. Dies soll aber nicht dazu führen, daß ich deshalb mein Training, meine Schule oder Wettkämpfe vernachlässige, sondern soll einfach eine Nebensache bleiben, die Spaß macht.
Was hälst du von von euro-päischen Semikonakt-Kämpfern?
Ich finde, daß es in Europa einige wirkliche Spitzenkämpfer gibt, die auch hier in den USA große Erfolgschancen haben. Leider ist es so, daß nur sehr wenige Europäer nach Amerika kommen und hier zu kämpfen. Umgekehrt ist es natürlich genauso, auch die Amerikaner sollten öfter nach Europa auf Turniere kommen. Ich erinnere mich da an die OTOMIX-Challenge in Atlanta dieses Jahr, dort habe ich gegen einen Kämpfer aus Deutschland gekämpft (Oliver Drexler/Anm. d. Red.) und wir haben uns einen wirklich guten Fight geliefert. Und es war diese Freundlichkeit und Begei-sterung vor und nach dem Match, das er verloren hatte, die mich beeindruckt hat. Meistens ist es so, daß Kämpfer, wenn sie verlieren niedergeschlagen sind, aber hier spürte man einfach die Begeisterung, Teil einer großen Sache zu sein. Solche Erlebnisse sind es, die in meinen Augen Spitzenkämpfer ausmachen.
Wie sieht es mit deiner Zukunft aus, wie lange wirst du auf der Kampffläche stehen?
Ich glaube kein Kämpfer kann sagen, daß er für eine bestimmte Zeit kämpfen wird. Am Anfang dieses Jahres habe ich gesagt, daß dies mein letztes Jahr sein wird, aber da ich letztes Jahr keine Zeit hatte, bei der WAKO-WM in Stuttgart dabei zu sein,werde ich nächstes Jahr auf alle Fälle teilnehmen, da dies dann mein 3. WM-Titel und ein krönender Abschluß meiner Karriere wäre. Aber ich glaube abgesehen davon, kann ich nicht aufhören an Wettkämpfen teilzunehmen, solange ich Spaß dabei habe.
Pedro, danke für das Interview und vielleicht sehen wir Dich und das JPM-Team schon bald in Deutschland?
Ich kann das nur zurückgeben und dir danken, daß du die Zeit hattest, mit mir dieses Interview zu machen. Natürlich würde es mir viel Spaß machen in Europa bzw. in Deutschland zu kämpfen und wenn der Termin stimmt, sehen wir uns spätestens nächstes Jahr.
Dieses Interview fand seinen Platz in der KICK Ausgabe 10 / 1996.
Das Gespräch führte unser Mitarbeiter Rüdiger Miller.
Fotos:
Archiv Xavier und JPMT