Steven Ho

Steven Ho Steven Ho kickt sehr hoch und aus dem Sprung!

In der zweiten Januar-Woche des kommenden Jahres (1994) erscheint in deutschen Videotheken der amerikanische Martial Arts Knüller Ninja Turtles III. Hinter dem Krötenkostüm des Donatello verbirgt sich der 25-jährige Steven Ho, ein talentierter Kampfsportler und Schauspieler, der mit seinem wahren Gesicht bislang noch kaum in Erscheinung getreten ist. Hier seine Geschichte. Steven Ho wurde in Indonesien als einziger Sohn chinesischer Eltern geboren. Im Alter von vier Jahren wanderte er mit ihnen aus. Sein Vater, Chemiker von Beruf, hatte eine Stellung in den USA angenommen – die Stadt South Gate in Kalifornien wurde die neue Heimat.

Englisch aus dem TV: Mit dem Englischlernen tat sich Steven nicht schwer. Zwar war sein Vater, der die Sprache beherrschte, den ganzen Tag in der Arbeit, und seine Mutter dem Englischen unmächtig, doch wozu gab es das Fernsehen. Der kleine Junge lernte die Sprache spielerisch durch die Dialoge in den bekannten TV-Serien. Den Luxus in der neuen Wahleimat nahm Steven gerne an. Er spielte am liebsten mit kleinen Robotern, die sich gegenseitig die Köpfe voneinanderrißen.

Steven Ho
Coverstory im Kicksider 1993

Vorbild Ali: Als er eines Tages Muhammad Ali boxen sah, entdeckte er seine erste Begeisterung für den Kampfsport, er wollte Profiboxweltmeister werden. Mit dem jungen Steven ging jedoch das Temperament durch. In der Schule versuchte er seine Klassenkameraden, nachdem das Spielen mit den schlagenden Robotern zu langweilig wurde, zum Nachahmen der Ali-Miniaturen aufzufordern. Sie machten mit, bis er sie umhaute, weswegen schließlich von der Schule flog.

Box-Verbot: Niemand konnte es den Eltern verdenken, daß sie ihrem Sohn von nun an sämtliche Betätigungen im Kampfsport untersagten. Sie wollten sein ungestümes Temperament im Zaume halten. So dauerte es einige Jahre bis Steven wieder mit dem Kampfsport in Berührung kam.

Und wieder ändert das TV sein Leben: Zwischenzeitlich spielte er Soccer, der amerikanischen Version unseres bekannten Fußballsports. Der südamerikanische Pele wurde zu einem Vorbild, dem er nacheifern wollte, bis wieder einmal das Fernsehen eine bedeutende Rolle in seinem Leben spielte, und seine Pläne änderte. Als er in die vierte Klasse ging, schaute er sich eine Dokumentation über den verstorbenen Filmschauspieler Bruce Lee, damals Idol eines jeden Karate- und Kung Fu Sportlers, an. Er war begeistert, nicht nur von Lee selbst und den Aspekt der Selbstverteidigung. Für ihn schwappte ein Enthusiasmus für die tollen Fußtechniken und die spektakuläre, artistische Kampfesweise auf.

Erste Hindernisse: Seine Eltern versuchten seine neue Besessenheit zu bremsen und verboten ihm Unterricht zu nehmen und in einer Sportschule zu trainieren. Stevens Begeisterung war aber nicht zu bremsen, er fand Mittel und Wege, seiner neuen Leidenschaft nachzugehen. Zunächst besorgte er sich Bücher von Bruce Lee und alle anderen Lehrmittel über Karate, Taekwondo und Kung Fu, Nachts stieg er durch das Fenster seines Schlafzimmers und kletterte von ersten Stock hinunter auf den Garagenhof, wo er den Beispielen der Bücher nachahmte. Noch heute erinnert er sich daran: „Das war echt riesig“. Um seine Eltern zu überreden brauchte es aber dennoch gut zwei Jahre.

Steven Ho
Steven Ho kickt sehr hoch und aus dem Sprung!

Anfänge mit Kenpo: Erst dann gaben sie seinem ewigen Nerven und Quengeln bei und erlaubten ihm im Alter von mittlerweile zwölf Jahren, im amerikanischen Karate Institut zu Vijeo unter der Leitung von Richard King mit dem Kenpo, einem in den Staaten weit verbreiteten Stil, anzufangen. Schon damals stand für Steven fest, daß er ein herausragender Fußtechniker werden wollte, ein Verlangen sich verteidigen zu wollen verspürte er kaum. Sein Trainer unterstütze seine Wünsche und förderte seine Talente in die gewollte Richtung. Große Turniererfolge Mit 13 nahm er an den ersten regionalen Karateturnieren teil, im Alter von 20 war er überall in Amerika als ein herausragender Formendarbieter (Kata) bekannt. Der größte Sportkarateverband in den USA, die NASKA, führte Ho von 1989 bis 1990 als ihre Nummer eins in der Division „American Forms“. In dieser Klasse werden frei erfundene eigene Katas dargeboten. Ho gewann alle großen Turniere, u.a. die Long Beach Internationals, die US-Open, Battle of Atlanta und die Capitol Classics, übertrumpfte so bekannte Namen wie Charlie Lee und Mike Bernardo. Zwischenzeitlich hatte er seinen Studienabschluß in den Wirtschaftswissenschaften an der Universität von Conneticut erreicht. Zum Film kam er, als ihn Jet Lee, ein bekannter Filmschauspieler aus Hong Kong, nach einem Karateturnier fragte, ob er in seinen kommenden Filmen Dragon Fight und Masters mitwirken wolle. Ho willigte ein, und so begann seine Filmkarriere.

Erste Filme in Hong Kong: In den ersten beiden Streifen, die in Hong Kong gedreht wurden, spielte er zwar keine Hauptrolle, aber es genügte ihm, um von der neuen Matrie begeistert zu sein. Jetzt konnte er all das machen, was er sich als Zwölfjähriger am Beginn seiner Kampfsporttätigkeit erträumt hatte. Kurze Zeit nachdem er in die Staaten zurückgekehrt war, erhielt er eine ernstere Rolle in einer Fernsehproduktion für den TV-Sender Showtime. Diese Rolle brachte ihn schnell auf den Boden der Realität zurück Er begriff, daß er mit seinen brillianten Kampfsporttechniken alleine nicht weit kommen würde und so begann er Schauspielunterricht zu nehmen. Eine Investition, die sich kurz über lang auszahlen würde.
Für die Turtles entdeckt: Pat Johnson, ein Martial Arts Experte, der für die großen Produktionsfirmen in Hollywood Kampfszenen koordiniert und choreografiert sprach Ho 1990 nach einer Demonstration bei der Battle of Atlanta an, ob er nicht beim zweiten Teil des Erfolgsfilmes Ninja Turtles mitwirken wolle. Man suchte gerade einen Nachfolger für die Rolle des Donatello. Ernie Reyes jr., der die Rolle im ersten Teil gespielt hatte, war bereits für einen neuen lebensechten Charakter vorgesehen, und somit war man auf der Suche nach einem neuen Schauspieler, der über außerordentliche Fußtechniken verfügt

Ninja Turtles 2
Steven mit dem Krotenkostüm aus Ninja Turles. Im 20 Kg schweren Panzer herrschten bei Dreharbeiten über 40 Grad.

Klare Sache: Steven Ho willigte selbstver-ständlich ein, und spielte im zweiten und dannach auch im dritten Teil der Filmserie die Rolle des Donatello. Ganz so einfach wie er sich die ganze Sache vorgestellt hatte, war es dann letztendlich doch nicht. Die Darsteller der Ninja Turtles mußten in einem rund 20 Kilo schweren Kostüm agieren. Man kann sich vorstellen, welche Mühe Ho und seine Komparsen bei den aufwendigen Dreharbeiten zu meistern hatten. In den Kostümen entstanden unter den Bühnenscheinwerfern Temperaturen von über 40 Grad. Als Ho erstmals das Kostüm angezogen hatte, zweifelte er stark daran, daß man überhaupt irgendwelche Bewegugungen darin ausführen könne. Darüber hinaus mußten die Kampfszenen lange und sehr ausführlich geprobt werden. Jede einzelne Szene mußte genau stimmen, denn aus ihren Krötenpanzern konnten sie lediglich durch einen Sehschlitz von knapp zwei Quadratzentimetern herausschauen.
Unfall bei den Dreharbeiten : Zu allen Erschwernissen kam noch hinzu, daß er sich in der letzten Woche der Dreharbeiten eine komplizierte Knöchelfraktur zugezogen hatte. Kaum glauben, daß dieser komplizierte Bruch ihm jewemals wieder ermöglichen würde, zu laufen, geschweige denn, Kampfsport auszuüben. Er hatte noch einmal Glück gehabt die Ärzte hatten eine währe Meisterleistung verbracht Er kann seinen Fuß einsetzen wie zuvor, muß lediglich eine Gelenkstütze tragen. Inzwischen ist die Verletzung sogar soweit ausgeheilt daß er ohne diese orthopädische Hilfe wieder normal laufen kann, doch für starke Belastungen, wie sie z.B. beim Training und bei Dreharbeiten entstehen, zieht er sie nachwievor an. Sicher ist sicher.
Kampfsport tritt zurück: Heute sieht Ho, der seit einem Jahr glücklich verheiratet ist seine Schauspielkarriere nicht mehr in der engen Verbindung mit Kampfsport wie zu Beginn seiner ersten Produktionen. Neue Ziele: Er will vom gängigen Vorurteil „Kampfsportler sind schlechte Schauspieler“ wegkommen. Er will zeigen, daß er mehr kann als nur auf der Leinwand Knochen zu brechen. Sein großes Ziel ist selbst als Produzent großer Filme in Szene treten zu können. Einen ersten Schritt in diese Richtung hat er vollzogen. Zur Zeit arbeitet er erstmals in verantwortlicher Position hinter der Kamera: In einer lebensnahen, vir Monate dauernden Fernsehdokumentation über asiatische Banden in der südkalifornischen Großstadt Los Angeles zeichnet er als Regisseur verantwortlich.

Ninja Turtles 4: Sollte es zu einem vierten Teil der Turtles kommen, wird er natürlich wieder mit dabei sein. „Es wäre toll weiterzumachen“ lautet sein optimistischer Kommentar zur möglichen Fortsetzung des. Filmerfolges, der ihn bekannt gemacht hat auch wenn man sein Gesicht nicht zu sehen bekam. Mit ein wenig Glück wird dies vielleicht im vierten Teil der Fall sein. Einen großen Vorteil hat es für Ho allerdings schon gehabt hinter einer Maske berühmt zu werden. So kann er zur Zeit seine Bekanntheit mit der angenehmen Anonymität eines Normalbürgers verbinden. Er läuft kaum Gefahr, daß ihm jemand mit einem lästigen Autogrammwunsch hinterher rennt denn niemand weiß, wer er wirklich ist.
Text: Marc Corus
Fotos: Archiv Steven Ho, Lothar Hirneise


 

Diese Reportage erschien in Kicksider Ausgabe 06 in 1993.