Andy Hug – Profiweltmeister im Seidokan

Andy Hug

Nachdem Andy Hug bereits im November 1991 an den skandalös manipulierten Kyokushinkai Weltmeisterschaften teilgenommen hatte, reiste er im Oktober 1992 erneut nach Tokyo. Diesmal jedoch nicht mehr als Favorit von Masutsu Oyamas autoritär geführter Organisation, sondern als eingeladener Kämpfer der Profi-Weltmeisterschaften. Und der sympathische Schweizer eroberte auf Anhieb die Weltspitze! SBN besuchte Andy Hug an seinem Wohnort.

Andy Hug

Um den Champ der Champs zu küren, taten sich Boxer, Wrestler, Thai-Boxer, Vollkontakt-Karatekas und Kickboxer zusammen und organisierten den alles entscheidenden Wettkampf der Superlative. Die erfahrensten Kämpfer der ganzen Welt trafen in der Hauptstadt Japans aufeinander und weckten in den Zuschauern Erinnerungen an Mr. Hans Insel im Bruce Lee-Film „Enter the Dragon“ oder an das Turnier in „Bloodsport“. Es handelte sich aber keineswegs urn eine Hollywoodproduktion, sondern um den wichtigsten Leistungssportanlass der Vollkontaktszene. Der Held war auch nicht Bruce Lee oder Jean-Claude van Damme, sondern Andy Hug aus Wohlen und seine Gegner waren nicht Schauspieler mit Stuntman Erfahrung, sondern Weltklassekampfer aus der Profiszene, wie Dale „Apollo“ Cook, Manson Gibson und Toshyuki Atokawa. Zehntausend Zuschauer besuchten das Spektakel. Andy Hug wurde in Japan über Nacht zum Star. Die Leute auf den Straßen Tokyos wollten unbedingt sein Autogramm. Trotz dieses großartigen Erfolgs ist Andy Hug bescheiden und freundlich geblieben. Von Starallüren keine Spur. Höflichkeit, Respekt und Bescheidenheit sind traditionelle Werte der Kampfkunste, die ihn während achtzehn Jahren harten Leistungssports stets begleitet haben. Der 28-jährige Wohlener sieht sich als Vertreter des traditionellen Geistes innerhaib der Sportszene. Ob als Lehrer in seiner Kampfschule oder als Kämpfer im Ring, bemüht er sich seiner inneren Haltung und seinen Idealen treu zu bleiben: „Gerade für uns Leistungssportlfer ist es besonders wichtig, immer wieder darauf hinzuweisen, dass die Tradition mit dem Sport selbst in Verbindung bleiben muss. Sie drückt sich in bestimmten Formen aus, aber auch in der Art, wie wir anderen Menschen gegenübertreten“.

Fördert Vollkontakt Aggressionen?
Wo sieht der neue Weltmeister die Grenze zwischen seriösen und unseriösen Kampfschulen und glaubt er, daß beim Vollkontakttraining Aggressionen auf- oder abgebaut werden?: „Wer einmal einen echten Kampf über die volle Zeit erlebt hat, weiss genau, daß die Aggressionen vollkommen abgebaut werden. Es ist generell sehr schwierig zu sagen, was seriös oder unseriös ist. Ich empfehle, verschiedene Schulen zu besuchen, um aufgrund möglichst breiter Informationen seinen eigenen Entscheid fällen zu können. Grundsätzlich wird jede Schule durch den Lehrer geprägt — ist dieser auf dem falschen Weg, beeinflußt dies auch seine Schüler“. Auf die Frage, wie es mit körperlichem und psychischem Verschleiß und der Gesundheitsschädigung schlechthin im Kampfsport aussehe, erklärt Andy Hug: „Man muss sich darüber im Klaren sein; was ich betreibe ist Leistungssport und der Verschleiß ist groß. Dies ist jedoch im gesamten modernen Spitzensport der Fall und zwar zum Teil deutlich schlimmer als im Kampfsport. In gewissen Bereichen versuche ich, dem bewußt entgegenzuwirken: Im Training benutzen wir immer Schoner. Zur Regeneration des Körpers mache ich spezielles Krafttraining. Zudem habe ich mich sehr intensiv mit dem Thema Ernährung beschäftigt und versuche stets, diese für meine Bedürfnisse zu optimieren“.

Die geistige Kraft ist entscheidend
Aus verschiedensten Kreisen kommt immer wieder die Frage nach der Abhärtung. Andy Hug, Europas Nummer Eins bei Bruchtestvergleichen, bestätigt ganz klar die Meinung, dass Abhärtung nur beschrankt trainiert werden kann: „Das Entscheidende ist die geistige Kraft. Du mußt fähig sein, den Schmerz zu unterdrücken. Bevor du groß austeilen kannst, musst du fähig sein einzustecken“. Achtzehn Jahre Spitzensport sind eine lange Zeit. Das Ende der Leistungssport-Laufbahn ist beim Wohlener Selfmade-Man absehbar. Noch zwei Jahre lang will er voll dranbleiben; was nachher passiert, weiss er noch nicht so genau. Möglicherweise wird er bei der Organisation von Lehrgängen mithelfen, bei denen verschiedene Spezialisten ihr Wissen miteinander vernetzen. Andy Hug hofft, auf diese Weise etwas zur positiven Zusammenarbeit verschiedenster Stile und Richtungen beitragen zu können. Die Frage nach seinem Ziel beantwortet er schlicht und praktisch: „Ein gutes, gesundes und glückliches Leben führen“. Wir, von SBN, wünschen ihm auf jeden Fall noch viel Erfolg fur seine weitere Laufbahn!

Dieser Beitrag entstammt der Dezember 1992 Ausgabe der Swiss Budo News.

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