Wahnsinn, über 12.000 Zuschauer kamen in Juni 1997 in Zürich zur K-1 Fightnight ins Züricher Hallenstadion. Liveübertragung im schweizer TV mit Rekordquoten und via Satellit in Japan. Alle wollten sie einen Mann sehen: Andy Hug. Der Schweizer, der vor rund 10 Jahren begann im Kyokushin-Fullcontact-Karate auf sich aufmerksam zu machen, kämpft jetzt als einer der besten Schwergewichts-Thaiboxer im K-1-Zirkus an oberster Stelle. Nach dem Sieg im K-1 Turnier mußte er in der größten Veranstaltungsstätte, die sein Heimatland aufzuweisen hat, gegen seinen Erzrivalen Mike Bernardo in den Ring steigen.

Es ging um den Thaibox-WM-Titel nach Version der World-Kickboxing-Organisation, WKA über fünf Runden zu drei Minuten. Anders als die meisten Zuschauer, die einfach nur ihren Andy gewinnen sehen wollten, favorisierten die meisten Fachleute den Südafrikaner Bernardo. Er hatte Hug bereits zweimal vorzeitig besiegt, der Schweizer gewann nur einmal.
Die hohen Anforderungen, die man an das Aufeinandertreffen der beiden Gladiatoren stellte, wurden erfüllt. Beide lieferten sich einen spannenden Kampf. Bernardo versuchte Hug zu stellen, um ihn mit seinen gefürchtet harten Faustschlägen zu treffen und möglichst vorzeitig ins Land der Träume zu schicken. Hug mußte sich gut bewegen, um diesen Schlägen auszuweichen. Wenn ihm das gelang und er den Südafrikaner mit Lowkicks unter drucken setzen konnte, war er der Favorit. Eine besonders schwere Aufgabe für den Eidgenossen, doch sicher eine lösbare.
Der Kampf im restlos ausverkaufte Hallenstadion begann. Andy bewegte sich gut, wich den Angriffen des Südafrikaners aus und konterte mit einzelnen Lowkicks. Zwischendurch ließ er seine technische Brillanz aufblitzen und zeigte gute Kicks in Kopfhöhe. So ging die erste Runde vorbei. Die zweite Runde verlief ähnlich, bis wenige Sekunden vor dem Gong der linke Haken Bernardos am Kinn des Schweizers explodierte. Hug lag am Boden – seine Fans, die eben noch vor Begeisterung tobten, waren plötzlich still. Hug schaffte es, wieder aufzustehen, der Ringrichter sah, daß er wieder klar war. Noch etwas benommen setzte Hug sich in die Ecke, wo er von seinem Coach Gong aufgefrischt wurde. Jetzt stellte man sich die Große Frage: kann Andy die dritte Runde überleben? Kann er sich fangen, und zurückkämpfen? Oder wird Bernardo, der weiß, wann er nachsetzen muß, den Kampf jetzt beenden? Die Spannung war groß, aber das gehört zu einem guten Kampf. Es ist eben dieses Kribbeln und diese große Ungewißheit, das das Warten auf die nächsten Sekunden so spannend macht.
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Der Gong ertönt und die beiden WM-Aspiranten machen sich an die Arbeit. Hug weiß, daß er sich gerade jetzt keinen Fehler leisten kann, Bernardo kennt seine Chance. Als die möglicherweise entscheidende dritte Runde beginnt, sieht man Hug wieder auf flinken Beinen, er weicht dem Südafrikaner aus. Dennoch wird er in einen offenen Schalabtausch verwickelt, steckt einiges ein, fightet jedoch unbeeindruckt zurück und landet einen soliden linken Kniestoß zum Kopf, als dieser sich etwas zu tief abduckt. Das hat den Weltranglistenzweiten richtig durchgeschüttelt, er wird langsamer. Noch etwas langsamer wird er, als der flinke Schweizer unachtsam wird und einen Frontkick etwas zu tief ansetzt. Bernardo erhält nach dem Tiefschlag vom japanischen Kampfrichter eine kurze Pause. Ab da kontrolliert er das Geschehen. So geht es in der vierten Runde weiter. Hug bewegt sich, trifft gut mit Lowkicks gegen das führende Bein. Als Bernardo den Bogen raus hat, wechselt Hug die Strategie und trifft Bernardo voll mit einem linken Lowkick, der Bernardo sichtlich ermüdet. Erst zum Ende der Runde landet er wieder wirkungsvolle Treffer.

Die letzte Runde verläuft ähnlich wie die dritte und vierte, nur daß Hug sich jetzt noch mehr bewegt und Bernardo kaum mehr an ihn herankommt, bzw. beim Versuch mit einem kurzen Lowkick oder einem schnellen Frontkick zum Bauch aufgehalten wird.
Am Ende feiern die begeisterten Schweizer ihren Volksheld: Andy Hug gewinnt diesen WM-Kampf nach Punkten, erhält von WKA-Präsident Paul Ingram den WM-Gürtel und zahlreiche andere Siegprämien, mit denen er stolz für die Kamera posiert.
Resultate der Kämpfe:
Zürich, 7. Juni 1997: Ernesto Hoost (NL) KO1 Shaun Johnson (GB), Andy Hug PT5 Mike Bernardo (Südafrika), Perry Ubeda (NL) PT5 Stephane Nikiema (F), Taiei Kin (JAP) PT5 Orlando Wiet (NL), Marino Deflorin (CH) PT5 Hideki Boku, Michael Thompson PT5 Musashi (JAP), Masaaki Satake (JAO) PT5 Kirkwood Walker (GB)
Diese reprtage erschien in der KICK Ausgabe 08/1997. Andy Hug verstarb am August 24, 2000 nach Krankheit. Erinnerungen an diesen tollen fighter findet man hier: www.andyhug.com