Deutschland wird Teamweltmeister bei den 8. WAKO Weltmeisterschaften im Semi- und Leichtkontakt. Schauplatz: Donald Trumps Taj Mahal Casino im US Spieler Eldorado Atlantic City. Drexler, Kunzler, Coelho, Koumba und Sasse holen Gold in den Einzelwettbewerben.
Die „World Association of Kickboxing Organizations“, kurz WAKO genannt, veranstaltete in Spielermekka Atlantik City an der amerikanischen Ostküste ihre achten Weltmeisterschaften. Die Disziplinen Semikontakt, Leichtkontakt (Durchkämpfen) und Formen wurden ausgekämpft. Rund 500 Kämpfer aus 38 Nationen waren mit dabei. Viele alte Hasen und ebenso viele neue Gesichter boten spannende Kämpfe.
In der WAKO steht heute wie in den Gründerjahren der Internationale Wettkampf auf Welt- und Europaebene im Vordergrund. So finden in fast alien teilnehmenden Ländern jährliche Qualifikationskämpfe statt. Die besten nationalen Vertreter treffen sich in jährlich wechselnden Rhytmus zu Europa-, bzw. Weltmeisterschaften – Turniere, die stets groBartige Leistungen versprechen und die den Aktiven wertvolle Möglichkeiten geben, internationale Freundschaften zu schließen. Nach 14 Jahren fand die WM erstmals wieder in den USA statt. Bereits 1989 sollte Atlantik City Austragungsort fur dieses Turnier werden, doch damals scheiterte das Zustandekommen kurzfrIstig an Koordinationsproblemen zwischen Weltverband und Organisatoren, eine Ersatz-WM wurde im Januar 1990 Im italienischen Mestre abgehalten. Nun wurde mit vier Jahren Verspätung doch noch etwas aus dem Prestigetumier auf der anderen Seite des Atlantiks. Fur viele der anreisenden Sportler ging damit ein langjähriger Traum in Erfüllung. DafUr stehen nicht nur das Verlangen, einmal der beste der Welt zu werden, sondern der Wunsch im Heimatland des Sportkarate, so die ursprüngliche Bezeichnung fur das Kickboxen, vor groBer Kulisse aufzutreten und zu kämpfen. Diese Motivation war für viele deutsche Sportier maBgeblich, ein Jahr langer weiterzukämpfen. um den begehrten Titel zu holen. So verkündeten einige Mitglieder der deutschen Staffel schon im Vorfeld, daB dies ihr letzter internationaler Auftritt sein werde. Auch aus anderen Ländern erhärtete sich die Erkenntnis, daB dieses Tumier zur letzten Station vieler groBer, alter WAKO-Meister werden sollte.
Allen voran der Englander Alfie Lewis, der in den vergangenen Jahren vier Titel einheimste und ankündigte, sich mit seiner fünften Krone als erfolgreichster Sportier in der 17-jahrigern Geschichte der WAKO aufs Altenteil zurückzuziehen. Auf der anderen Seite warten viele neue, aufstrebende Talente, auf ihre Chance, sich nach vorne zu katapultieren und den anstehen Generationswechsel zu unterstützen. Zu den Kampfen:
Bei den Damen war von deutscher Seite jede der fünf Gewichtsklasse besetzt. Dennoch besaBen die Deutschen lediglich Außenseiter-Chancen, zu stark schätzte man die Konkurrenz der Gastgeberinnen sowie der Engländerinnen und Kanadierinnen ein. So kam es, daB lediglich Miriam Diller aus Ebern ins Finale der 55 Kg Klasse einziehen konnte. In den Vorkämpfen konnte sie sich deutlich gegen die Ungarin Hugyetz und die Norwegerin Viksund durchsetzen. Im Finale scheiterte ste schließlich an der amerikanischen Erfolgskampferin Christine Bannon-Rodrigues, der amtierenden Meisterin von 1991 (London), die später noch in den Formenwettbewerben von sich Reden machte. Die übrigen deutschen Kämpferinnen, Monika Henig, Alexandra Mirai, Birgid Sasse und Sybille Brosig schieden vorzeitig aus. In der leichtesten Klasse gewann die Amerikanerin Lori Lantrip-Stanley äuBerst umstritten über die farbige Engländertn Amanda Quansah, doch dies sollte nicht die einzige vom Heimvorteil geprägte Entscheidung der Unpartellschen bleiben. „Da seht ihr es, sonst wird immer über die italienische Falsoni-Mafia geredet Jetzt zeigen uns die Amis wo es langgeht,“ kommentiert Ennio Falsoni, der President des Weltverbandes, die Vorkommnisse besorgt. In der Klasse bis 60 Kg ist es dann weiderrum eine Amerikanerin, die ganz oben auf dem Siegertreppchen steht: Kirsten Simms siegt im Finale über die Italienerin Christina Senigalla. In den beiden schweren Klassen der Damen. bis 65 Kg und darüber, bleiben Dawn Roffey aus Kanada und Tiziana Zennaro aus Italien siegreich. Roffey, vollbringt das Kunststück, als einzige im Finalkampf eine Amerikanerin zu schlagen. und somit nach dem Titelgewinn bei der IAKSA im dänischen Odense auch eine WAKO-Trophäe in ihre Siegesliste aufzunehmen.
Bei den Herren gab es von deutscher Seite so manchen Titelaspiranten. Bereits in der leichtesten Klasse bereitete Oliver Drexler sich auf einen Wiederholung seines Titelgewinnes von 1987 vor. Sein Intermezzo bei der IAKSA – er gewann in Odense überdeutlich – diente der Formüberprüfung für Atlantik City. Jetzt war es an der Zelt. zu beweisen, daß er auch in der WAKO wieder top of the line ist. Den größten Kampf mußte der Gau-Oderheimer Hoffnungsträger zunächst mit sich selbst austragen. Er mußte seine eigenen Nervosität überwinden, die ihm in den Nächten vor dem Wettkampf den Schlaf geraubt hatte. Als er den ersten Kampf souverän gewann, seinen Gegner Alexander Lobok aus der Ukraine, mit 13 : 3 deklassierte, stand fest. daß er seiner Favoritenrolle gerecht wurde. Er kämpfte sich bis ins Finale vor, wo er den Italiener Bruno Marca besiegte. In der nächsten Klasse wollte auch Martin Kilgus aus Loffenau seinen zweiten WM-Titel holen. Bei der Auslosung hatte ein schweres Los gezogen, so daß ihn die Qualifikationsrunde im Halbfinale zum späteren Sieger Tony Young aus den USA führte. Er unterlag dem Ami denkbar knapp mit einem Punkt Unterschied und mußte sich mit dem dritten Platz zufrieden geben. In der Klasse bis 69 Kg enttäuschte der amtierende Europameister Thomas Pfaffl aus Stuttgart. Er hatte einen rabenschwarzen Tag erwischt, wurde mit 10 Punkten Unterschied im ersten Kampf geschlagen. Auch Andreas Lindemann, der mit seiner Teilnahme noch einmal hoch hinauswollte, um sich dann von der internationalen Szene zu verabschieden, schied in der Vorrunde der Klasse bis 79 Kg aus. Grund zum Jubeln gab es in der nächsten Kategorie, deren Gewicht mit 79 Kg limitiert war. Ralf Kunzler, Vollkontakt Weltmeister von 1990, erkämpfte sich souverän das Gold. Im Halbfinale distanzierte er den italienischen Meister Markus Zadra und im Endkampf besiegte er schließlich den Schweizer Stefan Martin. Die Klasse bis 84 Kg gehörte einmal mehr den Briten Alfie Lewis, der von seinen Fans aufgrund seiner „tierischen“ Mimik auch „The Animal“ genannt wird. Der amerikanische Hoffnungsträger Jerry „Fast Feet“ Fontanez wurde diesmal seiner Rolle nicht gerecht. Nach gewonnen Vorkämpfen schied er im Halbfinale gegen den Ungarn Soltan Scucs aus, der im Finale gegen den vierfachen Weltmeister chancenlos blieb. Lewis gewinnt somit seinen fünften Titel. Er will sich vom aktiven Wettkampf zurückziehen und seinen sportlichen Schwerpunkt auf Seminare und Workshops verlagern. Emanuel Bettencourt. der in Hamburg lebende Superkämpfer, erkämpfte sich in der zweitschwersten Klasse (-89 Kg) den WM-Titel für sein Heimatland Cap Verde. Der Zwei-Meter-Mann Barnabas Katona, auch „die Spinne“ genannt. unterlag im Finale. Der Deutsche Maik Böttcher belegte den dritten Rang. In der höchsten Klasse siegte der Brite Alvin Mighty vor dem in Deutschland lebenden Türken All Özkan. Kai Schlupkothen aus Hamburg landete auf Platz drei. Mit zwei Goldmedaillen, einmal Silber und dreimal Bronze kann sich die deutsche Bilanz im Semikontakt durchaus sehen lassen. Hätten die verbandsinternen Quengeleien nicht kurz vor der WM zu großen Unruhen gerade in dieser Diszilpin geführt, wäre hier vielleicht die eine oder andere Medaille mehr drinn gewesen. Dennoch kann der für Peter Hainke komissarisch eingesetzte Bundestrainer Hansi Hinz durchaus zufrieden sein.
Resultate: WAKO World Championships 1993, Atlantic City
Leichtkontakt
In der leichtesten Klasse (-57 Kg) gelangte der deutsche Vertreter Gabriel Damm aus Bad Homburg (Vollkontakt Weltmeister 1985) bis ins Halbfinale. wo er auf den Polen Piotr Siegoszynskl stieß. Siegoszynskl entpuppte sich als der bessere Mann. Damm blieb der Einzug ins Finale versperrt Er begnügte sich mit Platz drei. Der Pole unterlag im Finale dem Ungarn Lantos Gyula. Damms Vereinskollege Jorge Coelho war bis 63 Kg unter Schwarz-Rot-Goldener Flagge am Start Souverän gewann der junge. technisch versierte Bad Homburger all seine Kämpfe und distanzierte im Finale den US-Amerikaner Chad Barron. Weltmeister in dieser Klasse: Jorge Coelho. Nico Komhaß aus dem bayerischen Bruckmühl konnte sich bis 69 Kg in seinem ersten internationalen Einsatz für weitere Meisterschaften im Ausland empfehlen, eine Plazierung erreichte er dennoch nicht. Der Ungar Tristan Toth gewann einmal mehr den Titel. In der nächsten Klasse (-74 Kg) gelang dem Hamburger Michael Wübke der Einzug ins Finale. Der Ungar Lajos Hugyetz erwies sich als der bessere Mann an diesem Tag und so mußte Wübke mit Silber vorlieb nehmen. Als einziger Schweizer gewann Hermann Mülheim einen Titel bis 79 Kg. Mitfavorit Bernd Reichenbach aus Berlin mußte sich dem Eidgenossen im Finale geschlagen geben. Mit Soltan Scucs (-84 Kg) gewann der vierte Ungar einen Titel im Leichtkontakt und sicherte somit den Magiaren den Teampokal in dieser Disziplin. Der Ludwigshafener Stefan Dietrich unterliegt nach gewonnenen Vorkämpfen und belegt Rang zwei. Der Kölner Jean-Marc Koumba, von Haus aus ein Vollkontakt Kämpfer, gewinnt das Cruisergewicht (-89 Kg) deutlich. Seinen Finalgegner Viktor Chicko aus Rußland schickt er in der ersten Runde mit einem Roundhouse-Kick zum Körper zu Boden und gewinnt nach Ablauf der Kampfzeit klar nach Punkten. Im Super-Schwergewicht der Klasse ohne Gewichtslimit, siegt der Brite Pele Reid vor dem US-Amerikaner William Eves. Bei den Damen dominieren wie bei den Herren die Vertreter Ungarns. Rita Pesuth (-50 Kg) und Gaby Badu (-60 Kg) holen Gold für Budpest. Nur die Dortmunderin Birgt Sasse besiegt im Finale eine Magiarin. Sie holt sich durch einen Sieg über Tunde Kocsis die Goldmedaille In der Klasse bis 65 Kg. Claudia Schregele aus Passau (+65 Kg) bleibt der Weg ins Finale versperrt: Sie verliert im Halbfinale durch ein krasses Fehlurteil gegen die Amerikanerin Lisa Crosby und belegt nur Platz drei. Obwohl Ungarn in dieser Disziplin eine Übermachtstellung besitzt, können sich die deutschen Sportler und Sportlerinnen mit an der Weltspitze behaupten. Dreimal Gold und Silber und zweimal Bronze, soviel Medaillen haben deutsche Leichtkontaktler bislang noch nicht mit nach Hause bringen können. Bundestrainer Peter Zaar zeigte sich sichtlich zufrieden. Er hatte die unverhoffte Ehre bei der Gesamtwertung der Teams für das Semi- und Leichtkontakt die Trophäe für den ersten Rang in Empfang zu nehmen.
Formen: In den modernen Formenwettbewerben, die von nun an sowohl bei den Herren als auch bei den Damen in die vier Stile Hard, Soft, Waffen-Hard und Waffen-Soft unterteilt sind, gab es eine enorme Steigerung des Niveaus zu verzeichnen. Zunächst zu den Damen: Christine Bannon-Rodrigues hatte bereits vor zwei Jahren in London nicht nur das Semikontakt, sondern auch die Formenklassen Softstyle und Waffen-Softstyle gewonnen. Diesen Erfolg konnte sie unangefochten wiederholen, gewann insgeamt dreimal Gold bei den diesjährigen Titelkämpfen. Die Weißrussin Tatjana Andjenko, die im kommenden Jahr als Stargast bei der Budogala in Dortmund auftreten soll, belegte lediglich den dritten Rang, Zweite wurde die Litauerin Natalia Bordijan. Im Hardstyle dominierten die Kanadierinnen. Mit Waffen war es Manon Desrochers, die ihren Erfolg von London wiederholte. und ohne Waffen landete Patricia Lamoureaux auf dem vordersten Platz. Bei den Vertretern des starken Geschlechts konnte Richard Branden seinen Titelgewinn der letzten WM wiederholen. Er gewann sowohl im Softstyle mit als auch ohne Waffen. Der Holländer Earl Blijd belegte Platz zwei im Softstyle, der in Wolfsburg lebende Anthony Spatola den dritten Rang. Im Hardstyle waren es wie bei den Damen die Kanadier, die dominierten. Ohne Waffen siegte Adam Dominic, mit Waffen der Nunchaku-Virtuose Alan Belisle. Der Münchener Werner Stark belegte mit seiner Bo-Form zum Soundtrack von Miami Vice Platz zwei – ein großer Erfolg für den Bayern. Die übrigen deutschen Teilnehmer Jürgen von Wyzecki, Kai Schlupkothen und Thomas Wagenbach gelangten nicht unter die ersten drei. Die hervorragenden Leistungen der Formendarbieter wurden dennoch vom Kompetenzgerangel der Funktionäre und den teils unverständlichen Wertungen der Punktricher überschattet. Beim zurückgetretenen Ex-Champion Jean Frenette, der sich um die Ausarbeitung eines Regelwerkes kümmert, hatte man bei seinen ständigen Protesten und Einsprüchen die Vermutung, daß er seine eigenen Landsmänner übervorteilen wollte. Anders kann man sich kaum die Wertung für seinen Schützling in der Waffenkategorie erklären. Hier hätte nicht der Kanadier Belisle sondern der Brite Ian Stewart gewinnen müssen. Stewart beeindruckte mit einer Bo-Form, wie man sie zuvor noch kaum gesehen hatte. Wie dieser Mann das Bo beherrscht ist einfach toll. Schade, daß gerade er einer falschen Punktewertung zum Opfer fiel.
Weitere Artikel:
WAKO World Championship 1995 in Stuttgart (Tatami)
IAKSA World Championship 1993 in Odense
Fazit
Die Weltmeisterschaft in Atlantik City hat wieder gezeigt, daß die WAKO im Amateur-Spitzensport unangefochten ganz oben steht. Mit dem Austragungsort Atlantik City war man allerdings nicht so gut bedient wie man es sich eigentlich vorgestellt hatte. Zum einen hatte man eine größere Kulisse erwartet, zum anderen eine höhere Anzahl teilnehmender Nationen. Der Organisator, Jim Lantrip, gleichzeitig auch Präsident des amerikanischen WAKO-Verbandes, erwies sich als ein guter Turnierorganisator, doch in Sachen Werbung hatten er und seine Helfer hoffnungslos versagt. Eine Bewerbung des Turniers fand trotz bestens geeigneter Räume nicht statt, die Zuschauerzahlen blieben somit mager. Viele Nationen, insbesondere aus dem ehemaligen Ostblock konnten sich die hohen Reisekosten in die USA nicht leisten und traten gar nicht erst an. Sie konzentrieren sich auf das Vollkontakt WM-Turnier in Budapest. Im Jahr 1995 finden die kommenden Weltmeisterschaften statt. Bislang war Moskau als Austragungsort vorgesehen, doch die instabile Lage in Rußland wird dies wahrscheinlich nicht ermöglichen. Sollten die Russen absagen, so wird die WM voraussichtlich wieder nach Deutschland vergeben. Dazu meint DKBV-Präsident Dietze voller Enthusiasmus: „Super, wir werden wieder eine Super-WM veranstalten. wie es Georg Brückner in der Münchener Olympiahalle gemacht hat“. Bis dahin stehen im kommanden Jahr noch die Europameisterschaften an. Vollkontakt wird in Finnland augetragen, das Semi- und Leichtkontakt im sonnigen Portugal. Beide Turniere werden im November 1994 stattfinden.