Wie gut ein Gegner im Treten und Schlagen auch sein mag, es gibt immer einen Weg, ihm einen Dämpfer zu verpassen, indem man ihm das wegnimmt, was er immer für selbstverständlich betrachtet hat: Den Boden unter seinen Füßen. Seit sie denken können sind die Menschen immer davon ausgegangen, daß sie, mal abgesehen von dem einen oder anderen Erdbeben, festen Boden unter den Füßen haben. Ihnen diesen Halt zu nehmen, das ist das Prinzip des defensiven Fegens. Die meisten Systeme beinhalten ein Repertoire von Fußfegern, die es sich zu üben lohnt. Was hier beschrieben wird sind jedoch Fußfeger, die als Kontertechniken eingesetzt werden. Das Ergebnis ist ein Feger, der einfacher auszuführen und oft effektiver ist. Das Wichtigste dabei ist das Timing.
Während eines Angriffs präsentiert der Gegner stets einen oder mehrere verletzliche Punkte. Dies sind Momente, in denen er kaum dazu in der Lage ist, zu blocken oder sicher zu stehen. Als Beispiel soll hier eine gestreckte Technik, ein Kick vielleicht, angeführt werden. Während den meisten Kicks ist der Unterleib ein offenes Ziel, bei vielen Fausttechniken sind der Kopf und der Oberkörper leicht zu treffen. Ein anderes Beispiel wäre das Zurückziehen des Beins in der Endphase eines Tritts. Darauf zielt dieser Artikel ab, denn hier gibt sich die ausgezeichnete Möglichkeit, Fußfegers anzubringen, ohne daß sich der Gegner dabei effektiv wehren kann. Er bleibt nahezu schutzlos ausgeliefert.
Wenn Fußfeger unterrichtet werden, geschieht das meist auf folgende Weise: Die Schüler stellen sich partnerweise auf und üben die Technik, eine nach der anderen. Dabei passieren oft zwei Dinge: Erstens hilft derjenige, der geworfen bzw. gefegt wird nach, indem er sein Gewicht verlagert und sich werfen läßt. Das führt zu einer falschen Selbsteinschätzung. Der andere häufige Fehler hat den gegenteiligen Effekt: Der Geworfene steht so fest, daß nicht einmal ein Baseballschläger sein Bein bewegen könnte. Wer versucht, dieses Bein zu fegen, wird zwangsläufig frustriert.
Der Konterfußfeger verhindert dieses Frustrationsgefühl. Er ist so konzipiert, daß er das Bein, das von einem Kick abgesetzt wird, einfach umlenkt. Wenn der Gegner nach einem Kick sein Bein absetzt, wird es entweder auf der Innen- oder der Außenseite des eigenen vorderen Fußes stehen. Ein Beispiel dafür ist der Rundtritt, der verwendet wird, um die Distanz zum Gegner zu überbrücken. Nachdem das Bein zurückgezogen wurde, ist es Zeit, aktiv zu werden: Sobald das Bein den Boden berührt, lenken wir es um. Dadurch verliert der Gegner seine Balance. Oft wird er direkt zu Boden gehen, was dazu führen wird, daß er seine künftigen Aktionen mit mehr Vorsicht starten wird. Es geht also auch darum, die Selbstsicherheit des Gegners zu zerstören.
Wenn ich einen Gegner mit besseren Kicks und Handtech-niken vor mir habe, wäre es unsinnig, zu versuchen, mich auf dieses Spiel einzulassen. Meine Techniken werden einfach nicht mithalten können. Die strategische Frage heißt dann: Wie kann ich seine Stärken neutralisieren? Im Krieg ist es oft die Strategie, den Generalstab auszuschalten, denn dann nutzen alle Panzer und Bomben nichts mehr. Im Ring gilt es ebenfalls, die Front (Kicks und Punches) zu überwinden und das Kommandozentrum (Kopf) zu zerstören. Wem es gelingt, seine Linie zu durchbrechen und ihm das zu nehmen, worauf er sich bisher immer verlassen konnte, der hat den Vorteil auf seiner Seite.
Denkt darüber nach: Was für ein Gefühl ist es, wenn man sich, jedes mal, wenn man seinen besten Kick macht, auf den Hintern setzt oder zumindest Mühe hat, auf den Beinen zu bleiben? Oder welchen Effekt hat es, wenn bei einem Punch das vordere Bein plötzlich nicht mehr dort ist, wo es sein sollte?
Vorsicht und Unsicherheit, oder nicht? Vielleicht nicht übermäßig, aber oft genügt es, den Gegner ein wenig an den eigenen Techniken zweifeln zu lassen, und schon wendet sich das Blatt.
Fußfeger als Konter sind sehr leicht zu lernen und können dennoch sehr effektiv sein. Ich selbst habe zwei Leuten damit die Knöchel gebrochen, daher Vorsicht. Manchmal hat der Gegner bereits zu viel seines Gewichts auf das Bein verlagert, dann bewegt sich nur noch Schienbein und Wade, während der Fuß stehen bleibt. Das Resultat ist ein verstauchter oder gebrochener Knöchel. Trotzdem ist es meist ein weniger schmerzhafter Feger als der Angriffsfeger.
Bei uns in der USA-Karate-Schule in St. Petersburg, Florida, tragen die Schüler Schienbeinschützer und Fußschoner um das zu üben. Der eine führt einen geraden Fußstoß aus und setzt ihn ab, während der andere versucht, den absetzenden Fuß so rechtzeitig zu fegen, daß der Angreifer bereits bei dem ersten Kontakt des Gleichgewicht verliert. Dabei kann es auch mal passieren, daß der Angreifer in die volle Grätsche gezogen wird. Später machen wir die gleiche Übung gegen den Rundtritt (Roundhousekick, bzw. Mawashi Geri). Dabei muß dann nach hinten gefegt werden, da das Bein meist hinter dem vorderen Bein des Angreifers abgesetzt wird. Jedem liegt die eine Übung mehr als die andere. Die meisten werden eine oder zwei Anwendungsmöglichkeiten finden, die ihnen liegen. Das ist gut so. Die meisten Konterfußfeger setzen nicht viel Gewichtsverlagerung voraus, da der Bewegungsaufwand des Fegers an sich sehr klein ist, wie man auf den Fotos sehen kann.
Es ist nur ein kleines Umlenken, was den Gegner auf den Boden schicken kann. Arbeite an den Fegern, dann arbeiten sie für dich. Mit ein wenig Übung wird es gelingen, das Kommandozentrum auszuschalten und dem Gegner seinen Stand schwer zu machen. Das frustriert ihn und bedeutet für dich Sieg auf ganzer Linie.
Vor mehr als 20 Jahren begann John Graden unter den amerikanischen Karate Pionieren Walt Bone und später Joe Lewis mit dem Karate und Taekwondo. Als aktiver Kämpfer erreichte er mit dem Gewinn der Vize-Weltmeisterschaft im Vollkontakt Kickboxen (WAKO, London, 1985) seinen sportlichen Zenith. Fußfeger waren stets eine seiner Lieblingstechniken, sowohl im tradtitionellen Wettkampf, beim Semi- oder Vollkotakt. Als Begründer der NAPMA, einer amerikanischen Vereinigung kommerzieller Sportschulen veröffentlichte der heute 36jährige, in Florida lebende Amerikaner mehrere Bücher („Black Belt Management“) und das zweimonatlich erscheinende Magazin „Professional Martial Arts.“
Diese Reportage wurde in der Samurai Ausgabe 02/97 veröffentlicht. John Graden hat die NAPMA verlassen und betreibt heute MATA..