Richard Norton
Der Mann der Vieles kann
Australier als große Stars im Filmgeschäft hielt man lange Zeit für unmöglich. Mel Gibson, Paul Hogan und Co. haben mittlerweise bewiesen, daß es doch möglich ist. Auch im Action-Movie-Bereich gibt es einen, der schon seit geraumer Zeit ganz oben an der Spitze steht: Richard Norton.
Eer per Zufall traf unser Mitarbeiter Horst Kalcher den Moviestar im bekannten Underworld Gym in Melbourne. Zwischen den Drehtagen für den neuen Jacky Chan Film „A Nice Guy“, der zum größten Teil in Australien gedreht wurde, malträtierte Richard Norton dort nach Thaiboxmanier den Sandsack. Nach seinem Training gab er bereitwillig ein Interview, und so bot sich die Möglichkeit, zu sehen, was denn die Stars auf der Leinwand in Wirklichkeit so drauf haben. Das Urteil lautet: für 47 Jahre nicht schlecht! Manch Jüngerer möchte sich wünschen, das zu können, was Norton in seinem Alter auf die Beine bringt. Die Techniken kommen gut und hart – auch ohne Special-Effects und hunderttausend Cuts. Im nächsten Film können sich die Fans also auf einiges gefaßt machen, und vor allem sicher sein, daß Norton in Wirklichkeit mehr kann als er auf der Leinwand zeigt.
Wie hat ihre Kampfsportkarriere begonnen?
Mit 14 fing ich mit Karate, Goju Ryu, an. Fünf Jahre später begann ich zusammen mit Bob Jones Zendokai Karate, einen rein australischen Karatestil. 1979 übersiedelte ich dann als Bodyguard von Linda Ronstatt in die USA, wo ich im Jet Center mit Benny Urquidez und Peter Cunningham trainierte und auch heute noch trainiere. Traditionelles Karte ist schön und es bietet verschiedene Möglichkeiten. Was mich am Kickboxen reizte, war der praxisbezogene Aspekt: treffen und getroffen werden. Seit sechs Jahren trainiere ich auch mit den Machado Brüdern Jujutsu.
Wie kam es dazu?
John Will, ein guter Freund von mir, ist einer der Australier, die schon auf der ganzen Welt trainiert haben. Er trainierte in Malaysia, Ringen in Indien und Jujutsu in Brasilien, allerdings die Gracie Version. Als er einmal Renzo Gracie nach Australien brachte, sagte mir dieser, daß er Cousins in LA habe, eben die Machados, und wenn ich das nächste mal in LA sei, solle ich doch bei ihnen vorbeischauen. Dies tat ich dann auch, und ich kann nur sagen, es war eine ganz neue Welt. Ich war den Machados hilflos ausgeliefert. Ich hatte zwar durch mein Karate Training genügend Kampfkunst-Erfahrung, am Boden war es für mich ein ganz neues Spiel. Was mir außerdem am Jujutsu gefällt, ist die Tatsache, daß man es mit jedem Alter ausüben kann. Es ist wie ein großer Kreis. Jujutsu kann ich auch mit 70 noch machen, was bei Kickboxen nicht möglich ist. Ich habe auch versucht Jujutsu in meinen neuen Film „Ironfist“ einzubauen, was sich aber als schwierig erwies. Es stellte sich die Frage wie man es präsentieren soll. Es ist schwer die Techniken zu zeigen. Jujutsu sieht nicht so spektakulär aus wie, wenn man jemanden zum Kopf tritt. Also haben wir ein wenig geschummelt. Beim Film ist nicht immer alles realistisch.
Die Geschichte wie sie als Bodyguard über Chuck Norris und „Octagon“ zum Film gekommen sind, ist bekannt. Wie kamen sie zum Film in Hong Kong?
Über Pat Johnson (Anm. der Redaktion: ein bekannter Stunt-Koordinator) kam ich in Kontakt mit Jacky Chan und bekam so meine Rolle in „Twinkle, Twinkle, Little Star“. Mittlerweilen spielte ich neben „Shanghai Express“, „City Hunter“ und anderen Filmen in fünf Produktionen mit. Was ich persönlich als großes Kompliment betrachte. Es zeigt, daß ich in Hong Kong akzeptiert werde. Neben Benny Urquidez bin ich der einzige Ausländer, der in mehreren Filmen mitgespielt hat. Es gibt natürlich viele amerikanische oder europäische Schauspieler, die sich ein Bein ausreißen würden, könnten sie in einem Film mitspielen, aber in Hong Kong geht es bei den Drehs knallhart zu. Da muß man einfach still sein und alles akzeptieren. So sind die meisten ausländischen Schauspieler meist nach einem Film wieder weg. Sogesehen fühle ich mich geehrt, daß man in Hong Kong mehrmals auf mich zurückgegriffen hat.
Woran arbeitet ihr im Moment hier in Melbourne?
Der neue Film heißt „A Nice Guy“, und ist eine Produktion mit Jacky Chan, Samo Hung und mir. Jacky spielt einen Koch, ich einen bösen Mafia-Boss. Die Bande „Demands“ stiehlt mir Rauschgift. Ich erschieße daraufhin den Boß von ihnen, werde dabei aber von einem Mädchen gefilmt. Jacky lernt das Mädchen kennen, der Film wird mit einem Kochvideo vertauscht, und ich bin natürlich hinter ihnen her. Das Ganze wird ein turbulenter Action-Spaß, ganz wie man es von Jacky gewohnt ist. Der Grund, warum wir diesmal in Australien drehen, ist einfach. Einerseits ist in Hong Kong vieles verboten, und man hat durch die vielen Filme, die dort gedreht werden, schon alles gehabt. Auf der anderen Seite versucht Jacky jetzt mehr das westliche Publikum anzusprechen. „Rumble in the Bronx“ war in Amerika ein großer Erfolg, und mit „A Nice Guy“ versucht er, weiter in den amerikanischen Markt vorzustoßen.
Nun sind sie offensichtlich nicht nur mit Drehen beschäftigt. Wie verbringen sie ihre Zeit, wenn sie nicht am Set sind?
Da ich aus Melbourne stamme, besuche ich Verwandte und genieße es, einfach wieder einmal zu Hause zu sein. Es ist schwer etwas zu planen. Es gibt so etwas wie „night before calls“. Das heißt, sie rufen Dich erst am Abend vor dem Dreh an, ob sie dich brauchen oder nicht. Dadurch weißt Du nie genau, wann Du Zeit hast. So trainiere ich in meiner Freizeit: Krafttraining, Bodybuilding, Jujutsu, Kickboxen. Es scheint, daß ich diesmal richtig gut in Form komme. Die Dreharbeiten hätten schon am 19. Mai beendet sein sollen, jetzt gehen sie wahrscheinlich bis Ende Juni.
Wie sehen ihre Pläne nach diesem Film aus ?
Ich habe mit einem Freund zusammen eine eigene Produktionsfirma gegründet: Villarosa Pictures. Wir wollen im Jahr so an die drei Filme machen, was aber meist nicht so einfach ist. Das Schwierigste ist, ein passendes Skript zu finden. Ab Juli ist ein Film mit Chuck Norris im Gespräch. Chuck und ich sind schon lange Freunde. Einen Film zusammen mit ihm zu drehen, würde mir großen Spaß machen. Ich möchte künftig mehr in die Richtung Actionfilm mit Hintergrund gehen. Wie Bruce Willis mit „Die Hard“. Ich möchte als Schauspieler akzeptiert werden. Aber nichts Großes, nichts mit tiefer Bedeutung.
Richard Norton als Hamlet ist also nicht zu erwarten?
(Lacht) Nein, eher in Richtung Rutger Hauer oder Chuck Norris. Man muß sich bewußt sein, welche Möglichkeiten man hat und das ganze realistisch sehen. Was mich reizen würde, wären Komödien. So den Dan Akroyd Typen, den könnte ich mir gut vorstellen.
Haben sie zum Abschluß noch eine Nachricht für ihre Fans in Deutschland?
Ja , ich möchte mich bei allen meinen deutschen Fans bedanken. Als ich das letzte Mal in Deutschland war, war es herrlich. Die Leute waren so herzlich und warm. Das ist alles was man sich wünschen kann. Man hatte das Gefühl, daß Kampfsportler eine große Familie sind. Ich möchte auf jeden Fall wieder nach Deutschland. Auch für Lehrgänge oder Seminare.