Mike Vendrell

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Action ist sein Business
Stunt Choreograph Mike Vendrell

Mike Vendrell, 42, praktiziert seit seinem 3. Lebensjahr Kung Fu. Darüber hinaus ist er seit mehr als 20 Jahren Kampfchoreograph und Stunt Koordinator und arbeitet dabei mit Stars wie z.B. Arnold Schwarzenegger und Brandon Lee zusammen. Sein enorm großer Erfahrungsschatz fügt der Kung Fu TV-Serie „Die Legende lebt“ eine ganz neue Art von kämpferischer Finesse bei. Dwight Brown interviewte für uns den Mann, der für die Kampfszenen in der erfolgreichsten Kampfkunst TV-Serie „Kung FU“ verantwortlich ist.

Mike Vendrell
Mike Vendrell mit Kung Fu Serienstar Chris Potter

KUNG FU: Welche Funktionen üben sie bei der Show aus?

Mike Vendrell: Kampfchoreograph, technischer Berater …

KUNG FU: Fungieren sie auch als Berater, wenn es um die Philosophie des Kung Fu geht?

Vendrell: Ganz genau.

KUNG FU: Welchen Background haben sie in Bezug auf die Kampfkünste?

Vendrell: Ich praktiziere Kung Fu seit meinem 3. Lebensjahr. Ich lernte es von einem Freund meines Vaters. Ich exerziere also schon mein ganzes Leben lang. Ich trainierte auch ca. vier Jahre mit Gene LeBell und lernte Judo von ihm. Darüber hinaus arbeite ich seit 20 Jahren als Kampfkunst-Choreograph im Filmgeschäft. Ich trainiere Schauspieler wie z.B. Arnold Schwarzenegger — auch Brandon Lee war neun Jahre lang mein Schüler. Alles, was Brandon kann, hat er von mir gelernt. Ich arbeitete über einen Zeitraum von 18 Jahren immer wieder mit David Carradine. Ich konnte mich David nicht durchgehend widmen, da ich noch mit anderen Shows und Projekten beschäftigt war. Außerdem arbeite ich noch als Stunt Koordinator.

KUNG FU: Hast du auch bei der Original Show mit David zusammengearbeitet?

Vendrell: Ich arbeitete mit David in „Kung Fu: Der Film“. Als der Originalfilm entstand war ich noch etwas zu jung, um mit ihm zusammenarbeiten zu können. Ich bin jetzt 40 Jahre alt. Als der Film das erste Mal ausgestrahlt wurde war ich gerade Senior an der High-School. Ich glaube zu jener Zeit wußten die Leute noch nicht einmal was Kung Fu ist.

KUNG FU: Was genau bedeutet ihnen Kung Fu?

Vendrell: Es ist mein Leben. Ich habe schon immer meinen Lebensunterhalt damit verdient. Ich lehrte es seit meinem 16. Lebensjahr und praktizierte es überall auf der Welt. Ich war drei Jahre lang ein professioneller Streetfighter und verlor keinen einzigen Kampf. Ich versuche bei allen Kämpfen, die ich choreographiere, die Bewegungen zu integrieren, die ich als Streetfighter anwandte.

KUNG FU: Wie würden sie einem Laien Kung Fu erklären?

Vendrell: Kung Fu bedeutet Liebe, Frieden und Harmonie. So empfinde ich das und auf diesen Prinzipien sind auch die Shows aufgebaut. Meine Aufgabe ist es, darauf zu achten, daß Caine immer ein Pazifist bleibt – kein Aggressor. Alle Kämpfe, an denen David teilnimmt haben diesen pazifistischen Grundcharakter. Er führt niemals den ersten Schlag aus und hält den Verletzungsgrad seiner Gegner so niedrig wie möglich – anstatt Beine zu brechen oder zu versuchen, den Kontrahenten absichtlich zu verwunden. Sogar wenn sein schlimmster Feind hinter ihm her wäre, würde Caine versuchen, ihm keine Verletzungen zuzufügen. Sein Bestreben ist es, Gewalt zu vermeiden. Das stellt für ihn das Grundprinzip des Kung Fu dar. Einer der Gründe, warum ich an dieser Show mitgearbeitet habe, ist die Tatsache, daß ich darin eine Chance sehe, 20 Jahre später wieder die ursprüngliche Art des Kung Fu zu praktizieren. Es kommt natürlich nicht vollständig an die alten Shows heran, denn Caine ist ganz offensichtlich ein Mensch des 20. Jahrhunderts und er hat einen Sohn, der Polizist ist. Doch er ist und bleibt der geistige Vater des passiven, gewaltfreien Kämpfens.
Es stellt für mich eine Herausforderung dar, die Kämpfe der Shows unterschiedlich und abwechslungsreich zu gestalten. Ich möchte nicht ständig die gleichen Bewegungsabläufe sehen, sondern versuche, verschiedene Aspekte des Kung Fu zu demonstrieren. Manchmal verwenden wir das nördliche System, ein anderes Mal das südliche. Ich lasse viele Seiten des „China-na-Stils“ ein-fließen, wie z.B. Handgelenkhebel, Armhebel und Würfe. Der Großteil des Kung Fu wie man es heute sieht ist Wu Shu – was mehr einem Tanzen als einem Kämpfen gleichkommt. Es gibt nicht mehr viele wirkliche Kung Fu-Kämpfer. Es ist also gar nicht so einfach festzumachen, wie ein wahrer Kung Fu-Mann kämpft.

Mike Vendrell
Im Lauf der Jahre verschlechterte sich der Ruf des Kung Fu, da die Kampfkünstler sich selber mehr als Tänzer – nicht als wahre Kämpfer – bezeichneten. Doch gute Kung Fu-Männer kämpfen nicht, sondern tanzen nur, wobei Tanzen Kämpfen bedeutet, wenn man weiß, was man tut. Das ist der Grund, warum ich als Streetfighter niemals einen Schlag ins Gesicht abbekam. Ich wurde zwar einige Male gestoßen, aber niemals geschlagen, denn das Prinzip lautet: kämpfe nicht gegen deinen Kontrahenten, sondern tanze mit ihm. Der Grundgedanke bei Caine ist, daß er das Auge des Orkans ist. Alles bewegt sich um ihn herum. Ganz egal wie schnell sich jemand bewegt, ausschlaggebend ist, wie schnell sich Kwai Chang Caine bewegt und wie scheinbar mühelos es ihm gelingt, auszuweichen. Wie gesagt: Der Grundge-danke bei Caine ist, daß er das Auge des Orkans ist.

KUNG FU: Ist Caine in dieser Show nicht von etwas Mystischem umgeben?

Vendrell: Oh ja. Man fragt sich: Ist das wirklich Kwai Chang Caine vom Old West, der so außerge-wöhnlich lange lebt oder handelt es sich hier um den Urenkel von Kwai Chang Caine? Das kommt daher, weil er die Rolle in der gleichen Art und Weise verkörpert. Die Sensation ist, daß er der gleiche Typ ist. Er kleidet sich fast genauso und hat die gleiche Philosophie. Der einzige Unterschied zwischen dem alten und dem neuen Caine ist meiner Meinung nach die Tatsache, daß ein 20-jähriger eine andere Lebensphilosophie hat. Die Weltanschauung eines 35-jährigen unterscheidet sich nun mal von der eines 55-jährigen.
Der neue Caine ist wesentlich ausgeglichener als der alte Caine. Er hat nicht, wie damals in der ersten Show, den Neffen des Kaisers ständig im Nacken. Er ist ein Mann, um den sich ein Geheimnis rankt …. keiner weiß, woher er kam. Man weiß, daß er ein Verwandter von Kwai Chang ist, doch er marschierte einfach eines Tages in die Stadt und entdeckte dort seinen Sohn. Caines Beruf ist es, Kung Fu zu lehren und er hat dazu eine Schule eröffnet. Er nimmt kein Geld für das Training und niemand weiß, von was er eigentlich lebt. Er stellt so etwas Ähnliches wie eine mythische Heldenfigur dar. In der Show geht es um die Menschen, die zu seinem Leben gehören und darum, wie er mit deren Probleme umgeht und ihnen hilft.

KUNG FU: Wie kam es, daß sie bei Filmen mitarbeiteten?

Vendrell: Das hat zwei Gründe. Ich begann damit, Buddy Ebsen zu trainieren. Er war an Phlebitis [Venenentzündung] erkrankt und ihm drohte eine Beinamputation. Ich arbeitete zu jener Zeit als Lkw-Fahrer im Filmgeschäft und hatte den Innenraum des Lkws zu einem kleinen Trainingsraum umgebaut. Während ich trainierte sagte Buddy: „Ich bin sehr krank. Ich muß ins Krankenhaus und dort werden sie mir vermutlich das Bein abnehmen“. Ich antwortet ihm: „Nun, warum trainierst du nicht?“ Also begann ich damit, ihm Tai-chi beizubringen und innerhalb von sechs Wochen war er gesundheitlich wieder völlig auf der Höhe. Wir wurden in dieser Zeit die besten Freunde und er fragte mich: „Warum arbeitest du als Fahrer? Warum machst du keine Stunts?“ Ich erwiderte: „Ich wüßte nicht, wo ich dazu hingehen müßte“. So kam ich zu der TV-Serie „Barnaby Jones“. Jeff Cooper, ein gemeinsamer Freund bei Barnaby Jones und der Star des Kampfkunstfilmes „Circle of Iron“, stellte mir David vor. David und ich wurden Freunde und ich trainierte ihn bei einigen seiner Filme. (In dieser Show ist Rob Moses sein Trainer.) David sagte: „Wenn wir jemals wieder Kung Fu machen, möchte ich, daß du die Choreographie und die Stunts übernimmst“. Da ich wußte, daß ich nicht ständig mit ihm würde zusammenarbeiten können, brachte ich Brandon [Lee] das Choreographieren bei. Als er „Rapid Fire“ drehte, stammte der Großteil von ihm selbst, obwohl auch Jeff Imada maßgeblich daran beteiligt war. Brandon und ich verbrachten viel Zeit mit Videoaufnahmen und anderen Dingen, um den Bewegungen den letzten Schliff zu geben. Ich versuche stets meinen Schülern beizubringen, daß sie, auch wenn ich nicht dabei bin, unterscheiden können, was gut aussieht und was nicht.

KUNG FU: Hat Chris Potter die Kung Fu-Kunst schnell erlernt?

Vendrell: Ja, er ist ein sehr guter Athlet. Ohne, die Show zu sehr zu beeinträchtigen, demonstriert er in einer Art Rückblende immer wieder Dinge, die in der Original Show vorkamen – als er noch ein Kind war. Das zieht sich durch die gesamte Vorstellung. David hat bereits mehr Kampferfahrung, während Chris die Kampfkunst erst im Laufe der Show erlernt. Er wird Woche für Woche besser. Wenn die Show also ein paar Saisons hindurch gelaufen ist, hat er gute Chancen, einen achtbaren Kampfkünstler aus sich gemacht zu haben. Er ist äußerst ehrgeizig und ich denke, daß er sehr gut wird.

KUNG FU: Finden sie auch noch Zeit, Sonntagsunterricht zu geben, während sie solche Shows choreographieren?

Vendrell: Ich bin mit Leib und Seele Lehrer. Ich liebe diese Tätigkeit und es ist genau das, was ich gelernt habe. Ich habe z.B. den Schauspieler Peter Strauss trainiert, als er sich auf den Film „Brotherhood of the Rose“ vorbereitete. Ich ging mit ihm nach Neuseeland, um dort den Film zu drehen. Wir freundeten uns an und ich trainiere ihn auch heute noch. Alle Schauspieler, die ich trainiert habe, bleiben mir treu.

KUNG FU: Können sie noch einige Schauspieler nennen, die sie trainiert haben?

Vendrell: Richard Chamberlain, Farrah Faucett, Timothy Dalton, Pat Morita. Viele Leute fragen mich: „Welches (Kung Fu-) Niveau haben sie?“ Ich bin Schüler und ich bleibe mein ganzes Leben lang Schüler. Und es ekelt mich richtiggehend an, wenn ich sehe, welche Leute sich heutzutage als Kampfkünstler bezeichnen. Auf der Titelseite der Magazine erscheinen Burschen in diesen wilden Posen und all das. Ich wurde schon oft vorher um Interviews gebeten und (unter anderem aus oben genannten Gründen) lehne ich normalerweise ab. Dieses Interview gebe ich, weil es dem Kung Fu zugute kommt.
Als Promoter der Kampfkünste verfolge ich unterschiedliche Ziele. Wenn man sehr selbstbewußt ist und keine Angst vor Niemandem hat, kann jeder dein Freund sein. Egal, welchen Gegnern ich mich gegenübergestellt sehe, ich versuche immer die Angelegenheit gewaltfrei zu regeln. Bei der Show fungiere ich z.B. auch als Co-Regisseur. Eines Abends drehten wir in einem etwas düsteren Stadtteil und es war schon spät, etwa 1:30 morgens, als wir mit dem Einpacken fertig waren. Einer meiner Kameramänner lief die schmale Gasse hinab, als plötzlich ein Auto heranbrauste. Der Ka-meramann brüllte: „Hey, langsamer!“ und schlug gegen das Auto. Das Fahrzeug kam mit quietschenden Bremsen zum Stehen und wir sahen, daß vier Männer darin saßen. Der Kameramann erklärte ihnen, daß sie ihn fast über den Haufen gefahren hätten und noch während das Wortgefecht im Gange war, fuhr ein Lieferwagen vor, aus dem weitere 15 Typen stiegen. Es müssen etwa 16 oder 17 Männer gewesen sein, die inzwischen auf der Straße standen und diesen Kameramann anbrüllten. Das Ganze sah aus wie der Kampf einer chinesischen Gang. Ich stand in einer Ecke und beobachtete das Geschehen. Ich wartete solange ab, bis es so aussah, als ob die Burschen jeden Moment damit anfangen würden, den Kameramann zu verprügeln – erst dann schritt ich ein. Ich zeigte auf den Anführer und sagte: „ Ich möchte mit dir sprechen“. Derjenige, der am lautesten brüllte war übrigens nicht der Anführer, sondern der Fahrer des Autos, gegen das der Kameramann geschlagen hatte. Nun, nach 15 Sekunden, verabschiedete er sich von mir mit den Worten: „Gute Nacht. Bis bald“, und alle stiegen in ihre Autos und verschwanden. Die Crew war hauptsächlich aufgrund der Tatsache beeindruckt, daß ich es geschafft hatte die Situation auf eine passive Art und Weise – ohne Kampf – zu entschärfen. Es war mir gelungen, die Gemüter auch so zu beruhigen.
Ich glaube, das ist das Ziel der Kampfkünste. Nicht der Kampf. Kämpfen ist einfach. Als ich noch Streetfighting betrieb, geriet ich in einen regelrechten „Blutrausch“ und hatte Spaß daran, andere zu verletzen. Das war eine wichtige Zeit in meinem Leben, denn dadurch wurde mir die zerstörerische Kraft des menschlichen Körpers bewußt. Was man machen kann und was nicht. Bei einem Streetfighting-Kampf werden keine perfekten Schläge gelandet und die Gegner agieren niemals so, wie man vermutet. Mein Lehrer verfolgte stets freie Lehrmethoden. Er glaubte daran, daß jeder Mensch ein Individuum ist und sich jeder Schüler genauso individuell entwickelt, wie ein Baum in unterschiedliche Formen wächst. Man muß den Schülern die Möglichkeit geben, in ihrem eigenen Tempo und im Rahmen ihrer eigenen Fähigkeiten zu trainieren. Wenn man sie betreut und pflegt, anstatt zu versuchen, jeden Baum oder jeden Menschen einheitlich zu formen, entwickeln sie auf perfekte Art und Weise ihre ganz persönliche Form. Jeder Mensch bewegt sich anders. Sehen sie sich Arnold an, oder David. Jeder meiner Schüler wirkt so, als hätte er eine komplett andere Lehrmethode hinter sich. Ich habe mir als Lehrer das Ziel gesetzt, daß meine Schüler Individuen sind – keine Nachahmer.

KUNG FU: Wie stehen sie zu dem Rangsystem bei den Kampfkünsten?

Vendrell: Ich halte nichts von Rangsystemen.

KUNG FU: Sind sie der Meinung, man müßte sie abschaffen?

Vendrell: Ja, auf jeden Fall.

KUNG FU: Sie halten sie für eine rein werbewirksame Sache?

Vendrell: Ich hörte Kung Fu-Kämpfer sagen: „Ich habe einen schwarzen Gürtel im Kung Fu“. Meiner Ansicht nach, stellt das einen völligen Widerspruch zu dem dar, was das Ziel des Kung Fu ist. Betrachten wir doch die grundlegenden Tatsachen: Wenn ihr System klappt, wunderbar. Wenn sie sich als Tänzer sehen und Wu Shu praktizieren möchten, tun sie das. Das ist eine Kunstform. Wenn sie kämpfen möchten, dann kämpfen sie. Das Rangsystem jedoch ist etwas für Leute, die zu einem Club gehören möchten. Vor sehr langer Zeit, in den 70er Jahren, hatte ich eine Schule und mir wurde klar, daß eine Schule kein guter Ort zum Lernen ist. Die beste Möglichkeit ist nach wie vor der Einzelunterricht. Für mich bedeutet die Kunst eine Ausdrucksform – egal ob man gegen einen Kontrahenten kämpft oder nur gegen einen imaginären Gegner antritt. Ich glaube auch an das Kämpfen – man muß kämpfen, wenn man gut werden will. Es kommen eine ganze Menge Leute, die an der Show mitwirken wollen und keiner davon ist Eu-ropa-, Nordamerika- oder Weltmeister. Es gibt so eine Unmenge an Champions — es ist nicht leicht die Übersicht zu behalten. Ich kann mir keine Turniere anschauen, weil ich davon Kopfschmerzen bekomme. Die Energie, die dort vorherrscht, ist mir zu negativ. Das Wettbewerbsdenken paßt nicht zu den Kampfkünsten. Sie haben einen ganz anderen Sinn. In den asiatischen Ländern lehrte man die Kampfkünste stets aus liebevoll, familiärer Sichtweise heraus. Ein ständiger Prozeß der Weiterentwicklung. Lehrer und Schüler entwickelten ein Vater-Sohn Verhältnis. Unter meinen Schülern gibt es einige, die mich „Vater“ nennen. Sie fragen mich um Rat und ich kümmere mich um sie. Irgendwie sind sie meine Kinder, verstehen sie?
Ich verdiene Geld bei den Filmgesellschaften, für die ich arbeite, aber verlange kein Geld für den Unterricht. Keiner meiner Schüler, einschließlich Arnold und seine Kollegen, zahlt auch nur einen Pfennig. Ich habe grundsätzlich nichts gegen Wettbewerben in Kampfkunstarten, wie z.B. Kick-boxen und Shootboxen. Nachdem ich jahrelang hörte, wie großartig die Thai Boxer sind, daß sie Kung Fu-Meister und auch andere Gegner besiegt und manchmal sogar getötet haben, beschloß ich, nach Thailand zu gehen. Ich reiste also nach Thailand, um einen Film mit Michael Landan, den ich zu dieser Zeit trainierte, zu machen. Ich ging zum größten Promoter Thailands und sagte: „Organisiere einen Kampf für mich. Ich möchte gegen deinen besten Thai-Boxer kämpfen, und zwar ohne Regeln. Keine Handschuhe, nichts – einfach nur kämpfen.“ Ich verbrachte drei Monate hier und konnte in dieser Zeit keinen Kampf bekommen. Sie wollten ihr gewohntes System anwenden und ich räumte ein, daß sie mich eventuell bei einem Thai-Boxkampf töten könnten, denn ich war kein Thai-Boxer. Wenn ich Handschuhe anziehen muß, habe ich zehn Waffen weniger. Wenn ich keine Würfe anwenden darf, habe ich eine weitere Waffe weniger. Alles, was mir verboten ist, grenzt meine Kunst erheblich ein.
Dieser uralte Streit zwischen Boxern und Kampfkünstlern ist im Grunde völlig lächerlich. Wir wenden Hebel, Würfe und alles mögliche an. Ich habe schon vorher gegen Boxer gekämpft — auch mit Handschuhen — und ich benutzte meine Füße und wandte Würfe an. Aber es läuft immer auf das Gleiche hinaus: Sport gegen Realität. Das gleiche gilt beim Filmkampf. Ich versuche, den Kampf so realistisch wie nur möglich zu gestalten. Sie aber sagen, daß die Filmkämpfe länger dauern müssen. Aber in der Realität dauerten die meisten meiner Kämpfe nur drei bis vier Sekunden. Alles, was darüber hinaus geht, ist kein Kampf mehr, sondern eine Schlacht. Somit wandern wir in der Show auf dem schmalen Grat zwischen Realität und Fiktion. Ein Unterschied zwischen dieser Show und der alten ist jedoch die Tatsache, daß Kwai Chang nicht herumreist; er bleibt an einem Ort.

KUNG FU: Würden sie also sagen, daß die Kampfkünste die familiäre Orientierung verloren haben?

Vendrell: Ja, das sehe ich so. Es gibt zu viele Wettkämpfe bei den Kampfkünsten und zu wenig Kooperation. Wie z.B. das Geschäft mit dem heimlichen Lernen. Ich würde es niemals gutheißen können, daß man den Leuten, Wissen vorenthält. Die Gracie Brüder bezeichnen sich z.B. als die größten Kämpfer und sie behaupten, sie würden sich jeder Herausforderung stellen. Das ist aber kompletter Unsinn, denn ich stellte mich vor 15 Burschen und sagte: „Du gegen mich…laß es uns gleich hier auf dem Parkplatz auskämpfen.“ Doch er wollte nicht. Es gibt nichts gegen das Promoten zu sagen. Das ist der Bereich, in dem die Magazine ihr Geld verdienen. Aber das ist genau der Grund, warum ich es meistens ablehne, Interviews für Magazine zu geben. Ob man jedoch einen bestimmten Mann, als den „tödlichsten“ Kämpfer der Welt bezeichnen kann – nun ich weiß nicht? Es kann sein, daß z.B. ein ganz normaler Maispflücker in Iowa durchaus in der Lage wäre, jeden Kampfkünstler zu besiegen. Es kommt für jeden Kämpfer der Tag, an dem er geschlagen werden kann. Wir erlebten das bei Boxern, Wrestlern und Kampfkünstlern.
Darum konzentrieren wir uns beim Promoten der Kampfkunst auf die Prinzipien von Liebe, Frieden und Harmonie. Das ist meiner Meinung nach die Art und Weise, mit der wir vorankommen können, doch im Moment läuft das anders. Als Kampfkünstler haben wir eine sehr große Verantwortung. Für die Kampfkünste ist ein neues Zeitalter angebrochen. Im Moment gibt es soviel Kampfkunstschulen, wie niemals vorher in der Geschichte der Menschheit, doch ihre Zielsetzung ist auf sportliche Wettkämpfe ausgerichtet – wie z.B. beim Kickboxen und beim Taekwondo – und das hat nichts mit den ursprünglichen Zielen dieser Künste zu tun.

KUNG FU: Als David Carradine die erste Kung Fu-Show machte, hatte er keine Ahnung von Kung Fu?

Vendrell: Nein. Seitdem hat er mit Kam Yuen, Rob Moses und mit mir trainiert. Er hatte viele Lehrer. Das Großartige an David ist die Tatsache, daß er ein echter Künstler ist. Er bleibt immer frei. Er lernt bei verschiedenen Lehrern und beschränkt sich nicht auf einen bestimmten Stil. Das ist genau das, was ich in der Show zeigen möchte. In der einen Woche sieht man ihn einen doppelten Jump-Kick vollführen, in der anderen wendet er Druckpunkte an. Wir bringen alle Systeme ein, die David gelernt hat.

KUNG FU: Wie kam es, daß sie die Prinzipien Liebe, Frieden und Harmonie während ihrer Streetfighting-Zeit verinnerlichten?

Vendrell: Weil man mich von Anfang an Liebe, Frieden und Harmonie lehrte, obwohl ich damals noch gar nicht verstand, was mir mein Lehrer da beibrachte. Es war so, als würde man einem neutralen Land eine Atomwaffe überreichen und sagen: „ Teste sie nicht“. Ich wollte mich austesten und hatte als 16-jähriger keine Ahnung von all dem. Als ich Blut schmeckte, wurde mir klar, was Kämpfen bedeutet. Es ging nicht um mich und meinen Gegner – es ging nur um mich selbst. Die Kontrahenten, gegen die ich antrat, waren Männer und ich war noch ein Kind. Darum gab ich lange Zeit keine Interviews, weil ich befürchtete man könnte mich durchschauen. Die Einzigen, die wußten, was ich machte, waren Gene LeBell und Roddy Piper (der Profiwrestler „Rowdy“), denn beide taten das Gleiche.

KUNG FU: So wie in dem Van Damme Film „Lionheart“?

Vendrell: Nicht wie in dem Film, aber wie bei dem Charakter, den er darstellte. Das kommt vor und es kam schon immer vor.

KUNG FU: Das ist ein sehr gut gewahrtes Geheimnis, wenn es immer noch vorkommt.

Vendrell: Nun, es geht um viel Geld und sobald es um Geld geht ……. wie z.B. bei Pitpull- oder Hahnenkämpfe…..werden die Leute angezogen – auf wieviel dieser Kämpfe waren sie z.B.? Wenn ich kämpfte, war ich normalerweise immer einer der letzten Kämpfer und manchmal fand vor meinem Kampf auch ein Pitpull- oder Hahnenkampf statt. Ich machte es einerseits wegen dem Geld und andrerseits weil ich es damals genoß, meine Gegner zu verwunden. Ich war frustriert und ich wußte nicht, von was ich leben sollte. Ich war zu dieser Zeit noch Analphabet; konnte also nicht lesen. Ich lernte das Lesen erst mit 18 Jahren und das war wie eine Befreiung für mich. Eines Tages wurde mir bewußt, daß ich wirklich Menschen verletzte. Dieser Wendepunkt in meinem Leben veränderte mich und ich sagte mir: „Was du da tust ist völlig falsch“. Ich habe aus meinen Fehlern gelernt und dadurch konnte ich mich weiterentwickeln.

KUNG FU: Sind sie froh darüber, diese Erfahrung in ihrem Leben gemacht zu haben?

Vendrell: Absolut. Ich habe niemals auch nur eine Sache, die ich in meinem Leben gemacht habe, bereut. Ich bin der Meinung, daß man im Leben sieht, was man sehen muß und dann kann man entweder daraus lernen oder daran sterben. Glücklicherweise habe ich gelernt, daß Liebe wichtiger ist als Gewalt.

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