David Carradine – Der Seelenvater der Kung-Fu Serie

David Carradine

Die TV-Serie Kung Fu wäre nicht Kung Fu ohne David Carradine in der Rolle des Kwai Chang Caine. Für die neue Serie, die erst vor kurzer Zeit anlief, schlüpfte er zum dritten mal in die Rolle, die ihn so bekannt werden ließ. In diesem ausführlichen Interview läßt der Schauspieler die Serie und den Einfluß, den sie auf ihn ausübte, Revue passieren. Er spricht über die Serie, sein Training, und präsentiert dabei seinen typischen Humor.

David Carradine
Wie unterscheidet sich die neue Kung-Fu-Serie von der alten?

Wir haben ein ganz neues Ding kreiert. Zuerst wollten wir eine moderne Geschichte machen, die sich auf die alte Serie mit Master Po bezieht. Und wir haben immer noch Elemente davon. Aber wir heben sehr viele Teile, in denen ich der Meister bin, und Chris Potter, als kleiner Junge, den Schüler darstellt. Er ist ungefähr zehn Jahre alt, und ich unterrichte ihn in Kung-Fu. Dann brennt der Tempel ab, und wir werden getrennt. Er denkt, daß ich tot bin, und ich denke das gleiche von ihm. Wir treffen uns 15 Jahre später, er hat alles vergessen, was ich ihm beigebracht habe, und glaubt auch nicht mehr daran. So finden wir uns und lernen uns wieder kennen und lieben. Und er muß die Kampfkunst noch einmal erlernen. Nun ist er ein Cop. Im Prinzip schießt er und ich trete die Gegner… Und ich versuche, ihm den sanften Weg beizubringen und ihm im Sinne des Tao zu erziehen. Er versteht mit der Zeit. Am Ende der ersten Saison versteht er mehr und mehr.
Da ist diese Szene, in der er meint: „Was du mit den Japanern am Flughafen gemacht hast, kannst du mir das zeigen?“ Ich sage: „Du warst nicht bereit.“ Er antwortet: „Ich bin jetzt bereit – warum komme ich nicht in deine Sonntagsschule?“ Ich sage: „Warum lernen, wie man kämpft? Wir haben darüber gesprochen, als du zwölf warst. Das ist nicht der Grund, warum man eine Kampfkunst erlernt.“ „Was dann?“ fragt er. Meine Antwort lautet: „Wenn du das selbst beantworten kannst, dann bist du in meinem Training willkommen.“ So fängt es an. Er kommt mehr und mehr wieder rein. Wenn die Serie einmal fünf Jahre läuft, wird er eine Menge Kampfkunst-Wissen haben. Wir unterrichten ihn jeden Tag.

Als die erste Serie gedreht wurde, hatten sie keine Kampfkunsterfahrung, oder?

Nein.

Sie haben von dem damaligen Technischen Berater David Chow und seitdem von verschiedenen Lehrern gelernt, zum Beispiel auch von Mike Vendrell, dem neuen Kampf-Koordinator. Wie kann man die beiden vergleichen?

Mike Vendrell ist, wie ich sagen würde, der beste Jazz-Kung-Fu-Künstler – vielleicht auf der ganzen Welt. Er ist kein Klassiker, aber er lernt ständig weiter. Er übt verschiedene Handbewegungen, Grappling, und er ist ein wahrer Meister des Tretens und Schlagens. Und er ist ein toller Choreograph. Ich kenne ihn seit 18 Jahren. Er unterrichtete einen meiner Freunde. Dieser sagte zu mir: „Du mußt diesen Kerl kennenlernen.“ Ich habe ihn dann in die Filmwelt eingeführt. Ich besorgte ihm einen Job als Stuntman, in einem meiner Filme. Seitdem hat er große Schritte gemacht. Er choreographierte für Van Damme und Seagal und brachte Schwarzenegger Kung-Fu bei. Ich habe ihn auch Brandon Lee vorgestellt. Brandon hat lange mit Mike trainiert und dann seine eigenen Choreographien gemacht, aber er hat alles von Mike. Ich bin mir sicher, daß er einer der besten für das Filmgeschäft ist. Ich meine, sicher gibt es einen alten Chinesen, der besser ist, aber nicht für den Film. Da mußt du zum Beispiel sprechen können, und etwas von Kameras verstehen. Mike hat das gelernt, als er hinter mir im Schneideraum stand. Wir mußten Mike für den Job nehmen. David Chow ist viel älter. Selbst in der alten Serie haben wir schon Kam Yuen genommen. Kam arbeitet jetzt in einem Gesundheitszentrum. Er ist inzwischen mehr Heiler als Kung-Fu-Kämpfer. Er unterrichtet immer noch, aber man kann ihn nicht von seinem Center loseisen, um einen Film zu machen. Mike wollte das machen, und er ist der richtige Mann.

Welche Kung-Fu-Stile haben sie gelernt?

David Carradine

Ich habe verschiedene Nord-Shaolin-Stile gelernt. Im einzelnen sind das Shaolin, Gottesanbeterin und Tai-Chi sowie eine andere Art, die, wie ich meine, das Herz von Kam Yuens Technik darstellt und „kleine kreisförmige Faust“ heißt. Dann habe ich Hung-Gar, einen Süd-Shaolin-Stil, gelernt. Der Unterschied zum Nord-Shaolin liegt darin, daß dort diese langen, fließenden Bewegungen vorkommen. Du bewegst dich auf und ab und hast diese Kicks, was alles sehr gut zu meinem Körper paßt. Die südlichen Formen verwenden breitere, tiefere Stellungen, und sie verwenden die Beine nur selten. Da wechselt man sogar kaum die Stellung. Ab und zu macht man Kniestöße oder Lowkicks, aber nur selten. Dann habe ich noch etwas Wing-Chun von Leo Wang gelernt. Meine Lehrer waren David Chow, ein Judoka, der nur wenig über Kung-Fu weiß. Von ihm bin ich zu Kam Yuen gewechselt. Dann trainierte ich unter Leo und Mike Vendrell. Und dann war da noch ein Rausschmeißer aus Los Angeles und T.J.Lee, mit dem ich Karate gemacht habe.

Semi- oder Vollkontakt?

Vollkontakt.

Haben sie je gekämpft?

Nie im Ring.

Haben sie ihr Kung-Fu je angewendet?

Ja, und es war immer ganz einfach.

Ehrlich?

Ja. Lassen sie es mich so ausdrücken: Kampfkunst-Meister fangen in der Regel keinen Streit mit Filmstars an. Sie haben in ihrem Leben besseres zu tun. Die, die den Ärger anfangen, sind die Assis. Deshalb war es meist sehr einfach. Drei, vier Bewegungen, und dann ist schon Schluß… Einmal war da so ein Typ in einer Bar. Na ja, vielleicht hätte ich nicht in dieser Bar sein sollen. Ich meine, man wird nicht ein weltbekannter Kampfkünstler, um dann in Bars rumzuhängen. Aber das war eine Bar in meiner Nachbarschaft, und ich wollte dort einen Typ treffen, den ich nicht nach Hause einladen wollte. Als ich da drin war, kam dieser riesige Typ auf mich zu. Ich hatte noch einen Drink in meiner Hand. Ich habe nur den Drink vor meinem Körper gehalten und mich etwas zur Seite bewegt. Sein Fauststoß ging direkt an mir vorbei und er stolperte über mein Bein. Er fiel auf einen Barhocker und landete irgendwo in einer Ecke …
Der Barmann hat ihn dann rausgeschmissen und ihm gesagt, nicht mehr wiederzukommen. Das lustige an dieser Geschichte ist, daß ich nur meinen Drink schützen wollte, mehr nicht. Daß ich meinen Fuß da stehen hatte, wird wohl von meinem Training kommen. Aber ich habe das nicht bewußt gemacht.
Dann erinnere ich mich an eine Geschichte in Argentinien. Wir haben dort mit ungefähr 50 Schwertkämpfern einen Film gedreht. Einer von den Jungs hat mich herausgefordert. Ich sagte ihm: „Du mußt verrückt sein – niemand will mit mir kämpfen.“ Aber er bestand darauf. Ich habe immer noch „Nein“ gesagt, aber am Ende hat er zugeschlagen. Ich bin ausgewichen, er schlug nochmal zu, und ich habe geblockt. Dann hat er nochmal angegriffen und ich dachte mir: „Das ist jetzt ein wenig viel“. Ich habe einen Kreisfußfeger wie im Gottesanbeterinnen-Stil gemacht, ihm so die Füße weggezogen, und da lag er. Ich habe ihn auf den Kopf geküßt und bin gegangen. Das waren alle Kämpfe, die ich hatte. Seit ich trainiere hat mich niemand getroffen…

Haben sie sich seit der ersten Serie mit Kung-Fu beschäftigt?

Nun, Ich habe nie zu lernen aufgehört. Ich habe den Film „Die stille Flöte“, gemacht. Und ungefähr 20 andere Kampfkunst-Filme. Ich habe sicher nicht alle 20 gesehen. Nein, sicher nicht. Aber ich habe sie gemacht. Vielleicht mehr, ich weiß es nicht. Ich habe einen Lebenslauf, da stehen alle drin.

Macht ihnen die neue Serie mehr Spaß als die alte?

Wie ich schon sagte, hatte ich damals eigentlich keine Ahnung von Kung-Fu. Ich hatte geboxt und ein paar typische John-Wayne-mäßige Kämpfe in Filmen gemacht. Und ich war ein Tänzer. Das war genug, und heute habe ich 20 Jahre Erfahrung.

Warum haben sie Karate trainiert?

Bevor ich mit Chuck Norris „Mc Quade – der Wolf“ gedreht habe, wollte ich wissen, worum es in seinem System geht. Ich war allerdings nicht sehr beeindruckt.

David Carradine

Haben sie ihn nicht auch herausgefordert?

Das war nur für die Publicity. Wir haben uns gegenseitig behandelt wie Gentlemen. Keiner von uns wollte gegen den anderen kämpfen. Wir saßen zusammen, tranken Bier und hatten Spaß. Chuck ist ein Typ, mit dem man viel Spaß haben kann. Gerne hat er China-Böller in Autos geworfen…

Er ist sehr in der Anti-Drogen-Kampagne engagiert.

Ja, ich aber auch. Ich glaube sehr fest daran. Aber als Ire respektiere ich mein Geburtsrecht, zu trinken…

Sie sind vollblütiger Ire?

Nein, ich bin sehr gemischt: Ire, Engländer, Schotte, Waliser, Deutscher, Spanier, Italiener. Irgendjemand hat mir mal unseren Stammbaum gegeben. Aber ich fühle mich als Ire. Was eigentlich recht komisch ist, wo ich doch einen Shaolin-Mönch spiele. Aber jeder kauft es mir ab…

Nun, sie überzeugen.

Damals, 1975, als die Serie endete, war sie eine der erfolgreichsten, die Nummer 2. Nummer 1 war „All in the Family“. Ich dachte, es geht abwärts. Es waren vier Jahre meines Lebens, und ich dachte: „Genug“. Sie wurde nicht einfach abgesetzt.

Warum haben sie damals aufgehört?

Ich hatte das Gefühl, daß wir nichts Besonderes mehr waren, nur noch eine normale Serie. Ich dachte, wir wiederholten uns ständig.

Was tun sie nun dagegen?

Nun ist es eine andere Show, obwohl ich die gleiche Rolle spiele. Ich könnte sagen: „Was mache ich 1993 in Chicago?“, und dafür gibt es drei Antworten: Einmal: mein Enkel. Zweitens bin ich 150 Jahre alt, und drittens, weil ich mit dem Wagen aus „Zurück in die Zukunft“ ankam. Auf der einen Seite spiele ich also meinen eigenen Enkel, aber ich könnte genauso einfach so lange gelebt haben. Schließlich gab es einen berühmten Meister, der 253 Jahre alt geworden sein soll. Auch ich nehme Kräuter – vielleicht schaffe ich es . . . Dieses Mal mache ich die Serie so lange, wie die Leute sie sehen wollen – vielleicht für immer. Die erfolgreichste Serie aller Zeiten läuft immer noch.

Welche ist das? Eine Seifenoper?

Nein, es ist „Mr. Rogers Neigh- borhood“. Die erfolgreichste Actionserie war „Rauchende Colts“, die 21 Jahre lief. So wie es gerade läuft, kann es gut sein, daß auch wir uns eine ganze Weile halten werden. Und ich werde nicht aufhören, bis die Leute die Show nicht mehr sehen wollen.

Wer hat das Comeback vorgeschlagen?

Das war ich. Ich habe zwölf Jahre dafür gebraucht.

Zwölf Jahre, um die Produzenten zu überzeugen?

Ich mußte sie erstmal für den „Film der Woche“ in 1985 begeistern. Daraus wollten sie dann eine Serie machen. Aber ich habe abgelehnt: Ich habe gesagt: „Das ist nicht Kung-Fu; es muß Kung-Fu sein.“ Dann haben sie eine Serie ohne mich gemacht.

Ach ja? Davon haben wir garnichts gewußt.

Sie hieß Kung-Fu, ging aber sofort den Bach runter. Niemand hat sie je gesehen. Ich glaube nicht, daß sie überhaupt gesendet wurde. Sie haben eingesehen, daß es nicht funktionieren kann. Man kann Kung-Fu nicht ohne Caine machen. Das ist komisch, oder? Denn damals, bei der ersten Serie, da war ich zwar der echte Caine, habe aber kein echtes Kung-Fu gemacht.

Gibt es in der neuen Serie irgendwelche Rückblicke auf die alte?

Ja, wir haben Szenen aus der alten Serie eingespielt. Aber wir haben auch Rückblicke, in denen ich der Lehrer bin und diesen Jungen unterrichte, der Chris Potter als jungen Mann darstellt.

Gibt es komische Szenen?

Es gab so viele in der alten Serie. Die waren sehr subtil. Die neue Serie ist komischer. Vor allem, weil ich den selben Mann wie früher spiele – sehr ernst. Und das ist komisch. So wie Dick und Doof: Hardy hatte alle diese komischen Sprüche, aber man lacht über Laurel. Weil er alles so ernst nimmt. So funktioniert es auch bei uns. Chris Potter hat all die lustigen Sprüche, und ich bin immer ernst. Und über mich wird gelacht

14 Jahre seit dem Original

Chris Potter
Das neue Kung Fu Serien Duo: Chris Potter und David Carradine

Die original Kung-Fu-Serie begann 1972, und niemals zuvor hatte eine Kampfkunst-Sendung solch einen Einfluß auf die Zuschauer. Die Serie wurde zur Nummer eins, außerdem gewannen mehrere Episoden den Emmy-Award. Desweiteren verhalf die Serie, ebenso wie die Bruce-Lee-Filme, dem Kung-Fu zu weltweiter Popularität.
Die Kung-Fu-Serie ist die einzige Fernsehsendung, die die Philosophie der Kampfkunst über den Kampf stellt.
Die wöchentlichen Lektionen über menschliche Werte folgen dem höchsten Ziel des Fernsehens: zu erziehen und zu unterhalten. Die Serie durchlief eine Evolution während der letzten 20 Jahre. Hier teilt David Carradine seine Gedanken zu der alten und der neuen Serie mit uns.

In welche Richtung gehen ihrer Meinung nach die Kampfkünste?

Ich weiß nicht so recht. Ich denke, Van Damme und Steven Seagal sind momentan die populärsten Kampfkünstler. Es geht nur um Schnelligkeit und Brutalität, was meiner Meinung nach nicht das Wichtigste in den Kampfkünsten ist. Und ich sehe es als keine gute Werbung an. Die Handlung ihrer Filme dreht sich immer um Rache. Und die Jungs rennen mit automatischen Waffen ‘rum. Dann lassen sie die Waffen fallen und machen Kung-Fu. Aber was die Kung-Fu nennen, nenne ich nicht so… Van Damme ist ein Kickboxer, kein Kung-Fu-Künstler.

Er sagt, er sei ein Kickboxer. Er war Belgischer Meister und verlor dann im Kampf um die Europameisterschaft.

Das sagen sie. Ich habe das nicht gesagt… und über Seagal kann ich nichts sagen.

Ich dachte, er hat einen tiefen Hintergrund in Aikido?

Wie tief kann man in Aikido eindringen – Aikido ist Aikido. Chuck Norris hatte einen wirklich tiefen Hintergrund im Wettkampfbereich. Am Anfang hat er Tang Soo-Do gemacht. Er ist sehr schnell, präzise. Ich halte ihn für wirklich gut. Aber ich denke, daß die wirkliche Tiefe, die das Kung-Fu bietet, von keinem dieser Jungs auch nur annähernd erreicht wird. Die sind alle in ihrem Kampftechniken und ihren Filmsachen drin. Ich glaube nicht, daß sie irgend etwas über Geschichte, Philosophie und die Suche nach dem inneren selbst wissen. Eben über das, was wir in Kung-Fu zeigen und was wir schon in der alten Serie gezeigt haben. Deshalb wollte ich weitermachen. Es schien mir so, als ob niemand Interesse daran hatte. Die wollen alle nur treten und schlagen.

Wenn die Kinder also von ihrer Serie begeistert sind, werden sie keine Schule finden, die diese traditionellen Werte unterrichtet?

Doch, natürlich. Die Leute gehen da allerdings nicht hin. So oft kommen Leute zu mir und sagen: „Sie haben mich mit ihrer Serie beeindruckt und ich möchte Karate machen“. Wenn ich dann frage: „Warum nicht Kung-Fu“, dann sagen sie „Nun das gibt es bei uns nicht“. Nun, es gibt es doch. Überall gibt es Schilder, auf denen „Karate“ steht. Kung-fu ist stiller. Kung-FU-Lehrer machen nicht so viel Werbung. Ich wußte nie, warum. Viele Leute wissen nicht einmal, daß der Name der Serie für eine Kampfkunst steht. Dann lernen sie Hapkido, Taekwondo oder irgend etwas, und denken, das ist es.
Die meisten Kung-Fu Leute werden beim Training nichts erklären. Sie zeigen nur Bewegungen. Karate-Lehrer legen viel mehr Wert auf Disziplin. Ich denke, Kung-Fu ist da ganz anders. Aber man muß den Sifu (Lehrer) zehn Jahre oder länger kennen, bevor er einem was richtiges zeigt. Man kann nicht einfach mit der Erwartung hingehen, das zu lernen, was der blinde Meister dem Grashüpfer beigebracht hat.

Was hat die Kung-Fu-Philosophie ihnen in ihrem persönlichen Leben gebracht?

Es ist ähnlich wie das, womit ich mich beschäftigt habe, bevor ich die erste Serie gemacht habe. Die Einstellung ist sehr wichtig. Ich denke, ich habe mich sehr verändert. Aber wie soll ich das sicher wissen? Ich lebe im Inneren dieses Körpers. Der Körper bewegt mich, so wie ein Boot. Soviel ich weiß, befinde ich mich immer in dem Boot, in dem ich immer war. Den Fakt, das das Boot auf einem anderen Ozean schwimmt, nehme ich vielleicht gar nicht war.

Ist es richtig: Sie leben seit 15 oder 20 Jahren in oder um Hollywood?

Ich kam in Hollywood zur Welt. Aufgewachsen bin ich in verschiedenen Städten in ganz Amerika. Ich war nie mit dem ganzen Hollywood-Klüngel – Fondas, Bridges und so weiter – zusammen.

Sie wollten nicht mit denen zusammen sein?

Ich war damals noch ein Kind. Ich denke, mein Vater wollte nicht, daß ich mit denen zusammen bin. Als ich dann Schauspieler wurde, war das was anderes. Nicht, daß ich nicht mit den Leuten sprechen wollte. Aber die meisten meiner Freunde sind Schreiner oder fahren Bulldozer.

Wirkt sich das auf ihre Karriere aus?

Ich bin in den Studios nicht allzu beliebt.

Warum?

Ich weiß nicht genau. Manche Leute denken, ich machte ihnen Angst. Vielleicht liegt es daran, daß die meisten Studioleiter nur 1,60 Meter groß sind.

Und es sind keine Iren…

Nun, einige sind es sogar. Aber lassen sie mich eine Geschichte erzählen: Ich hatte eine Besprechung mit einem Filmboß namens Mike Frankovich. Er wollte mich für einen Film haben, was meine erste Hauptrolle gewesen wäre. Er rief mich zu sich in sein Büro. Er sagte zu mir: „David, da ist etwas, was ich zu allen meinen Jungs sage…“ „Entschuldigen sie, Mr. Frankovich“, sagte ich, „aber, bei allem Respekt, ich bin keiner ihrer Jungs.“ Fünf Minuten später war ich draußen, ohne Vertrag. Wahrscheinlich muß man jemandens Junge sein, um Verträge zu bekommen.

Haben sie irgendwelche wichtigen Filmpläne?

Ja. Ich werde in Rußland einen neuen Film drehen, der von Verbrechen und Bestrafung handelt. Sicher gab es das schon mal, aber es ist das erste mal in Rußland. Ich bin der Gegenspieler von John Voight, den ich seit 25 Jahren kenne. Außerdem schreibe ich an einem neuen Buch.

Worüber?

Über mich. Sie haben das erste Buch gelesen, oder?

Eine Autobiographie?

Nein, es heißt „Spirit of Shaolin“. Es handelt vor allem von der Philosophie des Kung-Fu. Dann haben mich die Verlage nach einer Autobiographie gefragt.

Denken sie, sie sind ihrer Zeit voraus?

Das dachte ich immer, ja. Ich habe das immer als ein Kompliment aufgefaßt. Es ist nicht so gut wie immer zur rechten Zeit am rechten Platz zu sein. Aber es ist definitiv besser, als der Zeit hinterher zu sein. Das ist das Problem mit der neuen Serie. Wir müssen der Zeit voraus sein, weil wir es immer waren. Wie können wir das erreichen? Indem wir uns mit aktuellen Problemen: Arbeitslosigkeit, Drogen und Terrorismus befassen.

Wie kamen sie an die Rolle für die erste Serie?

Ich hatte ein paar Besprechungen, kein Vorspielen und so. Ich wurde Bruce Lee vorgezogen. Viele Kampfkünstler, die ihn gut kannten, behaupten, Bruce Lee hätte in Hong-Kong einen alten Mann beleidigt, der dann dafür sorgte, daß er geschlagen wurde. So wie bei der Mafia. Und irgendjemand hat dann einen „Dim Mak“ angewendet, was zu einem Blutgerinnsel im Gehirn führt. Das kann Tage, ja Wochen dauern. Ich kenne jemanden, der das überlebt hat. Er wurde von einem Dim Mak getroffen und wurde sehr krank. Ein chinesischer Arzt brauchte Monate, um ihn zu heilen.

Wenn sie davon getroffen werden würden, wüßten sie es?

Wahrscheinlich nicht. Aber, wissen sie, es paßt, denn Bruce war wirklich arrogant. Und es wäre ihm ein leichtes gewesen, jemand zu beleidigen, der das nicht auf sich sitzen läßt. Niemals wird es je sicher wissen, aber seine engen Freund glauben daran. Niemand glaubt die Marihuana-Theorie, niemand glaubt an Übertraining. Noch Fragen?

Ja, woher stammt die Tätowierung?

Aus Paris, 1978. Ein Herz mit Flügeln. Aber das ist nur eine – ich habe überall Tatoos.

 


Kung Fu Magazin

Ein Interview von Dwight Brown,
Übersetzung: Marc O. Sigle
Dieser Artikel erschien in der Erstausgabe der Kung Fu Revue 1996. Es war das erste ausführliche Interview mit David Carradine in einem deutschen Budo Journal. Carradine verstarb 2009 bei einem Unfall in Bangkok, Thailand. Das Fotomaterial wurde von John Corcoran aus seinem Archiv zur Verfügung gestellt.