Kampf im Octagon: Fünfte „Ultimate Fighting Championships“ finden in Charlotte statt. Staatsanwalt kann nicht verhindern, daß die Kämpfe ohne Regeln in Fernsehen übertragen werden.
Freitag, 7. April 1995. Es ist wieder so weit: Die UFC-Gladiatoren waren zum fünften Mal für über 5.000 Zuschauer nach Nord Carolina gekommen, um den besten von ihnen zu finden. Die “Independence Arena” in Charlotte, einer mittelgroßen Stadt mit etwa 500.000 Einwohnern, wurde der Schauplatz des umstrittenen Kampfspektakels “UFC V”. Das Super Event wurde von den Veranstaltern Segamore Entertainment Group und W.O.W. über Pay-per-view-TV live in über 200.000 amerikanische Haushalte (ca. 500.000 Zuseher) aus Charlotte übertragen. Erneut wurde das Publikum mit der alten Frage konfrontiert, welcher Kämpfer der härteste sein würde, und welcher Stil am effektivsten funktioniert. Ganz besonders versessene Fans lechzten nach Blut, wollten sehen, ob diesmal ein Kampf im Octagon tödlich ausgehen würde.
Die Lokalzeitung bezeichnete das Cage-Event als “das Spektaktel des Jahres” und “Pro Wrestling Minus Playacting”, also als keine billige Catch-Show, sondern puren Kampf zwischen zwei Kampf-maschinen der Superklasse. Die Eintrittspreise: 15 Dollar für einen Sitzplatz auf der Tribüne und 200 Dollar für einen Ringplatz gleich am Octagon-Cage. Ernste Verletzungen gab es nicht, da die meisten Kämpfe erwartungsgemäß am Boden endeten und kaum jemand die Zeit hatte, irgendwelche Faust- oder Kicktechniken durchzuführen. Im Ganzen erhielten die über 5.000 Zuschauer, die zum Teil weit gereist waren, genügend Action geboten.
Neu: Ringarzt kann stoppen
Die bekannten (eigentlich fehlenden) Regeln des UFC wurden für das fünfte Ereignis verbessert, um den Kämpfern für den schlimmsten Fall ein Minimum an Sicherheit zu gewähren. Zum ersten Mal in der UFC-Geschichte konnte der Ringarzt bei schweren Verletzungen den Kampf stoppen lassen. Außerdem, wie uns der UFC Promoter Art Davie sagte, wurden die Kämpfer vor und nach den Fights untersucht, um innere Verletzungen oder schwere Brüche behandeln zu können. Ansonsten blieben die Regeln gleich: No Rules! Und doch gibt es zwei Regeln, die seit dem ersten UFC existieren: – keine Fingerstiche und nicht beißen!
Oberstes Gebot: Auf die Matte bringen
Die harten Gladiatoren der 90er hatten durch diese Regeln nur ein Ziel, den Gegner schnell auf die Matte zu bringen. Dadurch wurden die Kämpfe härter und interessanter, da die meisten Fighter – ob Wing-Chun-Man, Teakwondo-Fighter oder Jiu-Jitsuka – keine Filmtechniken benutzen konnten. Für das Publikum sahen die Kämpfe wie blutige Straßenfights aus, aber das wußte man ja, denn deshalb war man schließlich gekommen.
No Limits
No wight Limit! Ob 180 Pfund oder 295 Pfund Gewicht, alle mußte gegeneinander kämpfen. No time Limit! Die Zeit war (fast) unbegrenzt und gekämpft wurde bis zum Letzten. Keine Jury bzw. Schiedsrichter, nur ein Mann durfte neben den Fightern das Octagon betreten, und das war Big John, der Ringrichter, der den Kampf stoppen würde, falls der eine K.O. ginge oder aufgeben würde. Das macht dieses Event zum Match des Jahres!
Mit 20 Dollar dabei
Wer nicht die Möglichkeit hatte, live am UFC V dabei zu sein, erhielt das ganze Programm via Pay-per-view für knappe 20 Dollar über seinen Kabelanschluß ins Haus geliefert. Über 200.000 sensationslüsterne UFC-Fans saßen am Freitag Abend von 20.00 bis 23.30 Uhr vor ihrem TV, um zu sehen, welche neuen, unschlafbaren Superfighter mit dabei waren.
“Die Kämpfer werden immer stärker und größer”, meinte Big John der UFC Ringrichter. Man kann sagen, daß keine großartigen Techniken zu sehen waren, da jeder um jeden Preis gewinnen wollte. Bei einem oder anderen Fighter steht sicher die Glaub-würdigkeit im Schatten, z.B. der russische Bär, der angeblich aus Gorky kam, um Sambo als die ultimative Kampfart vorzustellen. Dieser Herr schmück sich mit so vielen Titeln, die in Rußland nicht existieren oder zumindest nicht ihm gehören. Sein Techniken sahen nicht im Geringsten aus, als würden sie vom Sambo oder dem verwandten Judo stammen.
Wing-Chun-Kämpfer nach 24 Sekunden K.o.
Der JKD-Mann, Todd Medina, hatte einen guten Anfang, mußte nach der zweiten Runde einem anderen Fighter nachgeben. Auch er verwendete keine Jeet-Kune-Do-Techniken, sondern ging lieber mit seinem Gegner zu Boden. Für alle Wing Chun Fans gibt es nur schlechte Nachrichten: Der Kampf Asbel gegen Beneteau (Judo/ Wrestling) war schon nach 24 Sekunden vorbei. Die koreanischen Stile, Teakwondo und Hap-kido wurden von zwei Experten vertreten. Sie zeigten aber keine High Kicks oder Hebeltechniken. Im Gegenteil: nach kurzem Abtas-ten der Distanz gingen auch sie gleich in den Clinch und anschließend zu Boden. Der Favorit Dan Savern ging gleich aufs Ganze und gewann alle Kämpfe. Speziell gegen den Russen hatte er keine Gnade. Er knallte sein Knie mehrmals in das schmerzverzerrte Gesicht des Gegners, bis der Ringrichter ihn stoppte.
Superfight: Shamrock – Gracie
Die meist erwartete Auseinander-setzung des Tages war der Einlagekampf zwischen Ken Shamrock, der World Shootfigh-ting Champion, und der UFC-Legende Royce Gracie, der drei von fünf UFC Events gewonnen hat. Mit einem Gewicht von 180 amerikanischen Pfund hatte Royce Gracie den gesamten Kampf gegen die amerikanische Kampf.-maschine Shamrock unter Kontrolle. Der 265 Pfund schwere Shamrock mußte die erste und zweite Runde von insgesamt über 60 Minuten Fight in der Graut-Position verbringen. Immer wieder versuchte der Shootfighter, den Gracie-Stilisten durch Faust und Kopfschläge am Kopf zu treffen. Mehr als ein blaues Auge erreichte er nicht. Royce hingegen versuchte mehrmals, durch eine Würgetechnik Shamrock zu besiegen. Durch Fersenkicks gegen die Niere wollte der Brasilianer in dazu bringen, den Kopf auszustrecken, doch Ken wußte, daß dies seine Ende gewesen wäre. Also preßte er mit dem gesamten Gewicht gegen den Gracie Fighter. Der Kampf ging unentschieden aus. Beide Fighter erhielten einen positiven Applaus und der Superfight wird vielleicht noch einmal wiederholt werden.
60.000 Dollar
Die Geldprämie für das Turnier lag erneut bei 60.000 Dollar für den ersten Platz und 15.000 Dollar für Rang zwei. Ansonsten erhielten die Teilnehmer und die “Alternate Fighter” eine Entschä-digung von 2.000 Dollar pro Kampf.
Staatsanwalt scheitert
Für die Non-Fans des UFC sind solche Ereignisse barbarisch, und so versuchen sie diese auf rechtlichem Wege zu verbieten. Diesmal versuchte der Staatsanwalt Mike Easley bis zum Letzten, die Veranstaltung zu gefährden, aber ohne Erfolg. Seine Argumentation, die Veranstaltung sei jugendgefährdend mißfiel selbst den Richtern. Über drei Stunden konnten die amerikanischen Familien so mit ansehen, was gefährliche Ellbogen-Techniken, Knie- und Kopfstöße anrichten konnten.
Echt cool !
Krank seien sie, meinte eine weibliche Zuschauerin, als man sie vor der Veranstaltung nach ihrer Meinung über die Fights fragte. Doch hinterher war sie völlig begeistert: “That’s real cool!”. Der Unterhaltungswert mußte folglich für den Normalbürger einmal mehr gestimmt haben. Die UFC-Wett-bewerbe kann man als “Fun auf Amerikanisch” bezeichnen.
Hunderte von Gracie Jiu-Jitsu Fans aus Los Angeles, Florida und natürlich Japan waren, um den Superfight zu sehen, eingereist. In Japan und in Brasilien finden seit vielen Jahren ähnliche Veranstal-tungen statt. Das Vale Tudo, das Ende dieses Monats wieder in Tokyo stattfindet, ist in Japan das Kampf-Event schlechthin. Bei der VIP Party wurde später mitgeteilt, daflßdas UFC V-Event in ca. 90 Tagen auf Video erhältlich sein wird. Franchise-Artikel wie T-Shirts, Caps und Poster werden ebenfalls angeboten.
Und was hatte eigentlich der Ringrichter bei dieser „gefährlichen Veranstaltung“ zu tun ? Traten schwere Verletzungen auf? Oder wurde jemand getötet? Das Resultat des knochenbrecherischen Event ist kaum schlimmer als bei einem Semikontakt- oder Karateturnier. Eine gebrochene Hand, eine Gesichtswunde, einige blauen Augen und geplatzte Lippen. Wie bei anderen Wettbewerben waren die Teilnehmer nach den harten Fights wieder die besten Freunde! Zumindest ein wenig Sportsgeist konnte man dem Spektakel also doch abgewinnen.
Savern wird Weltmeister
Der neue UFC Champion, Dan Savern, Wrestler und Greco-Roman Experte, stammt übrigens aus Michigan, wo er unterrichtet und lebt. Kurze Zeit später kämpfte er bei einem Wrestlingverband um einen professionellen Weltmeisterschaftstitel. Auch hier bewies er seine Klasse, und siegte.
Neue Auflage im Juli
Das nächste UFC Event wird vermutlich Ende Juli 1995 stattfinden. Wo, steht noch offen. Es könnte gut sein, daß es entweder in Texas oder wieder in Charlotte stattfinden wird.
Ob es dabei zu einem neuen Superfight zwischen Royce Gracie und Ken Shamrock kommen wird, steht noch ebenso wenig fest, wie die neue Teilnahme Saverns. Letztendlich haben die Gladiatoren keinen Einfluß auf die Entscheidungen der Veranstalter. Organisator Art Davie verfügt über knallharte Verträge mit den Sportlern, und so wird das Matchmaking auf die Ergebnisse der neusten Meinungsumfragen abstimmt sein, um das nächste Mal noch mehr Zuschauer an die Bildschirme zu locken.
Dieser Artikel erschien in KICK Ausgabe 07/95.
Text und Fotos:
Resultate UFC 5:
1. Substitute-Fight
Dave Beneteau (Judo/Wrestling) besiegt Asbel Cancio (Wing Chun)
Zeit: 24 Sekunden
2. Substitute-Fight
Guy Mezger (Kickboxing) besiegt John Dowdy (Hapkido)
Zeit: 2 Minuten 05 Sekunden
1. Kampf
Jon Hess (Saftia) besiegt Andy Anderson (Taekwondo)
Zeit: 1 Minute 24 Sekunden
Anmerkung: (Hess kann nicht mehr weiterkämpfen, da er die rechte Hand gebrochen hat. Für ihn kommt der Sieger des ersten Substitute-Fights Dave Beneteau ins Turnier.)
2. Kampf
Todd Medina (Jeet Kune Do) besiegt Larry Crueton (Kickboxen)
Zeit: 2 Minute 56 Sekunden
3. Kampf
Oleg Taktarow (Sambo) besiegt Ernie Verdecia (Kenpo)
Zeit: 2 Minute 23 Sekunden
4. Kampf
Dan Savern (Wrestling) besiegt Joe Charles (Judo)
Zeit: 1 Minute 37 Sekunden
1. Halbfinale
Dave Beneteau (Judo/Wrestling) besiegt Todd Medina (Jeet Kune Do)
Zeit: 2 Minuten 13 Sekunden
2. Halbfinale
Dan Savern (Wrestling) besiegt Oleg Taktarov (Sambo)
Zeit: 4 Minuten 24 Sekunden
Superfight
Royce Gracie (Gracie Jiu-Jitsu) kämpft unentschieden gegen Ken Shamrock (Shoot Fighting)
1. Runde: 31 Minuten 09 Sekunden
2. Runde: 36 Minuten 11 Sekunden
Finalkampf
Dan Savern (Wrestling) besiegt Dave Beneteau (Judo, Wrestling)
Zeit: 3 Minuten 02 Sekunden