Streetfighter

Streetfighter Movie

Streetfighter Movie

Die amerikanischen Filmemacher haben einen neuen Markt entdeckt. Statt Bücher zu verfilmen, nehmen sie neuerdings Comics und Videospiele als Vorlagen für ihre Leinwanddarstellungen. Neuester Sproß dieses Genres ist „Streetfighter“ mit Jean-Claude Van Damme. Der aus Belgien stammende Darsteller spielt den Kriegshelden Oberst William F. Guile. Seine Mission besteht darin, innerhalb von 72 Stunden den Aufenthaltsort von 63 Geiseln, für die ein Lösegeld von 20 Milliarden Dollar verlangt wird, zu finden und zu befreien.

Die Produzenten waren von Anfang an vom Erfolg des Streifens überzeugt, so daß sie den amerikanischen Filmstart auf Heilig Abend des Vorjahrs legten und Superlativen nicht scheuten. Unter den 17 Hauptdarstellern kann man sieben unterschiedliche Nationalitäten finden. Insgesamt wirkten 500 Filmspezialisten mit, 3.000 Statisten aus 28 Ländern kamen zum Einsatz.

Als der Bürgerkrieg um Shadaloo in den siebten Monat geht, beauftragen die alliierten Nationen Oberst William F. Guile damit, einen umkämpften Hafen in Südostasien zu sichern. Die letzten Verluste sind erheblich: 12 Truppen wurden ausradiert, 63 Personen in Gefangenschaft genommen. Der feindliche General M. Bison fordert ein Lösegeld von 20 Milliarden Dollar, zahlbar innerhalb von 72 Stunden, oder die Geiseln sind Geschichte. Soweit zum Plot der Geschichte.

Drehort Bangkok
Die Dreharbeiten begannen Ende Mai 1994 in der thailändischen Hauptstadt Bangkok. Edward Pressmann („The Crow“, „Wall Street“) und Kenzo Tsuijimoto leiten die Produktion. Jean Claude Van Damme („Timecop“, „Hard Target“) spielt Oberst William F. Guile, Raul Julia („Addams Family“, „Kiss of the Spiderwoman“) spielt seinen Widersacher, General Bison. Weiterhin mit dabei in der internationalen Besetzung: Ming-Na Wen, Wes Studi („Geronimo“), Damien Chapa („Under Siege“) und die australische Popsängerin Kylie Minoque. Für Autor Steven de Souza („Die Flintstones“, „48 Stunden“) bedeutet der Film gleichzeitig das Debüt als Regisseur für sein eigenes Drehbuch.

Benny Uquidez mit JCVD
Benny Uquidez mit JCVD

„Wir haben gute Darsteller von allen Erdteilen verpflichtet,“ rechtfertigt de Souza die internationale Besetzung, „mit denen wir die Welt des Videospiels nach außen bringen. Alle Fans des Videogames werden begeistert sein. Sie werden sagen, ja, genau so habe ich mir die Figuren in Wirklichkeit vorgestellt. Die Leute, die das Spiel nicht kennen, werden einen einzigartigen Actionfilm sehen.“

Wie alles begann:
Der Film wurde von der japanischen Firma Capcom Co. Ltd., einem der drei großen Markführer für elektronische Unterhaltung (Umsatz mit Software und Videospiele: 2 Milliarden US-Dollar), auf die Beine gestellt. Capcom stellte das Filmprojekt dem Produzenten Edward Pressman als die Verfilmung für ihr erfolgreichstes Spiel vor. „Ed Pressman rief mich eines Abends an und fragte, ob ich Streetfighter als Videospiel kenne,“ erinnert sich Souza an den Start des Objektes. „Natürlich kannte ich das Spiel. Mein Sohn hatte im vergangenen Jahr praktisch sein ganzes Taschengeld für dieses Game ausgegeben. Jeden Samstag haben wir gut zehn Dollar in Form von Viertel-Dollar-Münzen in die Automaten gesteckt. Am Morgen nach Pressmans Anruf hatte ich ein zweiseitiges Skript mit den Grundzügen für die Geschichte des Films zu Papier gebracht.“

Kylie Minoque
Popsängerin und Schauspielerin Kylie Minoque kämpft an der Seite von Van Damme gegen den mchtgierigen Diktator.

Drehbeginn
Der Anfang der 69 Tage dauernden Dreharbeiten wurde am Chao Phraya River in Bangkok gesetzt. Zu den Utensilien gehörten original Ausrüstungen der Thailändischen Armee, darunter eine voll besetzte Fähre, zwei Hubschrauber und über 20 Schiffe von Patroullienbooten bis zum Kreuzer. Das 12 Meter lange Kommandoboot für Hauptakteur Guile wurde speziell in Pattaya für den Dreh angefertigt. Dabei waren die Dreharbeiten im ehemaligen Siam bis kurz vor Beginn sehr gefährdet, denn „die thailändische Regierung war sehr zurückhaltend bei der Erteilung der Drehgenehmigung,“ erinnert sich Murray Bold, Aufnahmeleiter in Thailand, an die Schwierigkeiten im Vorfeld. „Der Studentenaufruhr zwei Jahre zuvor ließ befürchten, daß die heimische Bevölkerung die Schauspieler mit fremden Truppen verwechseln würde.“ Nach drei Wochen waren die Außenaufnahmen in Thailand abgeschlossen, dann ging es für die Innenaufnahmen in die Warner Roadshow Movie World Studios nach Queensland in Australien. Die Nähe zu Thailand verminderte damit die Kosten für die Logistik, und die erstklassigen Studios in Queensland wurden somit zum idealen Drehort.

Gegenwert: 70 Millionen Dollar
Regisseur de Souza erklärt die Wahl der Drehorte wie folgt: „Innerhalb von 15 Minuten konnten wir von den Studios aus für nachträgliche Außenaufnahmen an den Strand oder in den Regenwald fahren. Die Orte sahen den thailändischen Originalschauplätzen sehr ähnlich. Wären wir in Los Angeles ins Studio gegangen, hätten wir nach 15 Minuten Fahrt nichts anderes vorgefunden als ein Burger King Lokal.“ Produzent Pressman geht in seinen Erklärungen noch weiter: „Der Aufwand, den wir betrieben haben, war sehr groß. Wir filmten in Australien, weil es dort erheblich günstiger ist als in Hollywood. So können wir mit Produktionen konkurrieren, die 60 bis 70 Millionen kosten.“ Streetfighter wird in der Öffentlichkeit als ein schneller, aktionsreicher Abenteuerfilm angepriesen. De Souza beschreibt den Streifen detailliert als „ein Actionfilm, der viele Aspekte einer Komödie beinhaltet“.

Kylie Minoque
Kylie Minoque in Kampfposition

Drei Perspektiven
Die Handlung wird den Zuschauern aus drei unterschiedlichen Perspektiven präsentiert. Zum einen ist es die Sicht von Sagat (gespielt von Wes Studi), die die exotische und gleichermaßen gefährliche Lage in Asien – wie man sie aus zahlreichen Filmen kennt – bis zurück in die vierziger Jahre zeigt. Aus Guiles Sicht (Van Damme) erhält der Streifen die Charakterzüge einer typischen Schlachtdokumentation über den Zweiten Weltkrieg. Man sieht Übergriffe im Morgengrauen, Landungen mit Booten und furiose Schlachten. Dann gibt es noch die Perspektive des Bösewichts Bison (Raul Julia). Seine Aussichten wirken heldenhaft und futuristisch geheimnisvoll, ähnlich einem James Bond oder Krieg der Sterne. Der Film lebt so durch die Verbindung von Gegensätzen. Auf der einen Seite werden futuristische Handlungen in der Vergangenheit abgewickelt, auf der anderen Seite besteht ein starker Bezug zur Realität. Aufnahmeleiter Bill Fraker verbrauchte über 500 Liter Flüssiggas, um mit Nebeleffekten den geheimnisvollen Charakter Asiens zu unterstreichen. Er empfand es als eine große Herausforderung, die Szenerie des Videospiels auf die Leinwand zu übertragen.

Streetfighter
Showdown im Kontrollraum: Van Damme alias Oberst Guile kämpft gegen General Bison.

Wahrer Held und Sieger
Unter seinen Kunstgriffen, die Welt des gleichnamigen Comics zu verdeutlichen, kamen zahlreiche Lichteffekte zum Einsatz. Die Brutalität eines typischen Actionfilms kommt bei Streetfighter auf einer anderen Weise zum Tragen. Trotz ausgeklügelter Waffentechniken konzentriert sich die Handlung auf den waffenlosen Zweikampf der Widersacher, denn nur wer seinen Gegner stellt und mit bloßen Händen besiegt, ist nach den filmeigenen Regeln der wahre Held und Sieger. Regisseur de Souzas Vorstellungen, die Handlung über die Special Effects zu stellen und vor allem ein jüngeres Publikum erreichen zu wollen, waren für die Grundzüge der Filmart ausschlaggebend.

Ming-Na Wen
Ming-Na Wen mit Kylie

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Van Damme – Einer aus vielen
De Souza war von seiner Gestaltungsidee so besessen, daß er den Fans des Videospiels die Wahl des Hauptdarstellers überließ. Er veranstaltete eine Befragung von Streetfighter-Abhängigen, und Jean-Claude Van Damme wurde als Spitzenreiter der Wunschliste engagiert. Seit seinem Durchbruch mit „Bloodsport“ sieben Jahre zuvor hat der Belgier eine Vielzahl von Heldenrollen in Actionfilmen gespielt und sich auf diesem Weg eine große Beliebtheit vor allem bei Jugendlichen erkämpft. Van Damme zeigte sich begeistert von der Rolle in Streetfighter: „Was mich bei Streetfighter begeisterte, war die niedrige Altersbeschränkung von 13 Jahren (USA). Endlich können mich auch meine jungen Fans sehen, ohne sich ins Kino mogeln zu müssen.“ Das Drehbuch wurde vor Beginn der Dreharbeiten für den ehemaligen Kickboxer und Bodybuilder modifiziert, von dem viele Fachleute denken, daß er der vielseitigste der aktuellen, großen Filmhelden ist. Ein Beispiel für die Änderungen ist der Rang des von Van Damme gespielten Guile. Im Videospiel ist er lediglich ein Major. Im Film trägt er jedoch die Uniform eines Oberst, womit ihm eine größere Armee untersteht. Angesichts der Bereitwilligkeit der Produzenten, daß Drehbuch für seine Person umzuschreiben, erinnert sich Van Damme heute an seine Anfänge in Hollywood: „Es war sehr schwer, meine erste Chance in Hollywood zu bekommen. Englisch war nicht meine Muttersprache, und ich hatte keine Arbeitsgenehmigung. Um mich über Wasser zu halten, mußte ich als Taxifahrer und Rausschmeißer arbeiten.“

Gegensatz zu Van Damme
Für die Besetzung seines Konterparts, des größenwahnsinnigen Generals M. Bison, suchte man einen ansehnlichen und theatralisch glaubwürdigen Mann, der der physischen Präsenz Van Dammes etwas entgegensetzen konnte. Man wählte Raul Julia aus, der seit seinem großen Erfolg mit der „Addams Family“ eines der heißesten Eisen für die Besetzung der Toprollen in Hollywood darstellte. Seine bekannten Bühnenauftritte, durch die er am Broadway bekannt wurde, unterstreichen die Glaubwürdigkeit seines energischen Auftretens. Bedauerlicherweise starb er zwei Monate vor der Filmpremiere an einem Herzinfarkt in New York.

JCVD

Mit der Hilfe von Gaunern
Die Handlung geht damit weiter, daß Guile mit vorgehaltener Waffe zwei schnellsprechende, altkluge Gauner rekrutiert, um die Unterwelt in Shadaloo Tang zu unterwandern. Er verspricht sich, dadurch die geheime Festung Bisons ausfindig zu machen. Auf Umwegen finden die Gauner bei dieser Gelegenheit den Aufenthaltsort der gesuchten Geiseln.
Abenteuerlich ging es bei den Dreharbeiten im Umgang mit den 3.000 Statisten aus verschiedenen Ländern zu. Die zum Teil großen Verständigungsschwierigkeiten wurden dadurch gelöst, daß man mit Übersetzern arbeitete und drei gigantische Neger (Filmlatein für Schrifttafeln) in die Höhe hielt, auf denen in unterschiedlichen Sprachen geschrieben war, ob die Akteure überrascht, ängstlich oder lachend reagieren sollen. Die Kampfsequenzen wurden von Charlie Picerni, einem erfahrenen Profi, koordiniert, der schon bei „Roadhouse“ (Patrick Swayze) und „Ghost“ seine Finger im Spiel hatte. Bei Streetfighter waren die Ansprüche an die Bewegungsabläufe der Kampftechniken komplizierter als bei normalen Actionfilmen, denn es galt vor allem Bewegungen aus dem Videospiel zu simulieren, um der Authentizität des Streifens nichts zu nehmen. Dies stellte zum einen hohe Anforderungen an die Schauspieler, zum anderen wurde mit ausgeklügelten Seiltricks und aufwendiger Stuntarbeit eines m 80-köpfigen Teams nachgeholfen.

Van Damme spielt einen Oberst der Vereinten Nationen, der mit artistischen Einlagen alle Hindernisse aus dem Weg räumt.
Van Damme spielt einen Oberst der Vereinten Nationen, der mit artistischen Einlagen alle Hindernisse aus dem Weg räumt.

Benny Urquidez wirbelt hinter den Kulissen
Die Aufgabe, die Schauspieler für die hohen Anforderungen der Kampfszenen in Form zu bringen, wurde vom ehemaligen Kickboxweltmeister Benny „the Jet“ Urquidez erledigt. Er brachte seine 24-jährige Erfahrung aus unterschiedlichen Kampfsportdisziplinen in seine Arbeit ein, um die Besetzung mit Krafttraining, Stretching und Kampfsimulationen in Form zu bringen. Urquidez zeigte sich vor allem von der Aufnahmefähigkeit der weiblichen Hauptdarsteller Kylie Minoque und Ming-Na Wen begeistert. Minoque brachte durch ihre langjährige Tänzerei hervorragende Voraussetzungen für das schnelle Erlernen der Techniken mit. Für Van Damme mußte der Kickboxer freilich kein besonderes Training anberaumen. Der Actionheld hält sich schon seit vielen Jahren auf einem konstant hohen Formlevel, der zusätzliches Training überflüssig macht. Raul Julia zeigte sich von Bennys Training so angetan, daß er bei Presseinterviews voller Stolz das Training mit dem Träger des neunten Dans im Ukidokan Karate hervorhob.

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Sieben Tonnen Kunstmasse
Neben den bereits aufgeführten Extras der aufwendigen Produktion stieg die Anzahl der Drehorte auf insgesamt 35 unterschiedliche Stationen mit 18 verschiedenen Kulissen, von denen der Kommandoraum Bisons die eindrucksvollste und gleichzeitig aufwendigste Szenerie bietet. Die unterirdische Zentrale des Bösewichts spiegelt eine futuristische Festung unter den Ruinen eines historischen Tempels wider. Auch hier verleiht die Verwendung von über sieben Tonnen Kunstmasse dem enormen Aufwand Glaubwürdigkeit. Ein Vergleich zu anderen futuristischen Leinwandwerken wie „Krieg der Sterne“ und „Blade Runner“ liegt nahe. Unter dem gigantischen, mit 84 Monitoren ausgestatteten Kontrollzentrum kommt das Versuchslabor des Diktators zum Vorschein, in dem eine perfekte menschliche Kampfmaschine durch Gen- Manipulation geschaffen werden soll.

Kylie Minoque

Kinostart: 27. April 1995
Wenn der „Streetfighter“ am 27. April in die deutschen Kinos kommt, werden sich auch die jungen Fans von Van Damme – erstmals legalerweise, – über die Qualitäten der aufwendigen Actionkomödie überzeugen lassen. Anders als die üblichen Verfilmungen von Videogames und Comics wird es Streetfighter nicht in die schmuddeligen Ecken der Videotheken verschlagen. Die Zeichen zeigen schon beim Kinostart in eine vielversprechende Richtung. Mal sehn, ob Van Damme mit der Hilfe der Jugendlichen Kinobesucher in den Filmhitlisten ganz oben mitspielen wird.
(jhn)

Ernie Reyes
Kick 1995 Ausgabe 05

Dieser Bericht erschien in Ausgabe 05/95 der Zeitschrift KICK. Die Fotos wurden uns freundlicherweise vom Filmproduzenten zur Verfügung gestellt.