WAKO-WM im Ersatzdress
Vollkontakt Bundestrainer Ferdinand Mack bezeichnete die Weltmeisterschaft in Kiew Ende November1995 als die beste WAKO-Weltmeisterschaft aller Zeiten. „Für Stuttgart müssen wir Deutschen uns schämen,“ hieß es zum Vergleich zur Semikontakt-WM (Link: Stuttgart WAKO WM). In Kiew fand ein Turnier mit über 600 Startern statt. An allen Tagen kamen durchschnittlich 5.000 Zuschauer, Liveübertragungen im Fernsehen waren selbstverständlich. Außerdem hatte die Veranstaltung durch sehr hochwertige Showeinlagen eine Professionalität, wie man sie bei internationalen WAKO-Turnieren bislang noch nicht gesehen hat. Das deutsche Team war unter der Leitung der Bundestrainer Ferdinand Mack und Werner Soßna erfolgreich dabei.
Glücklicherweise konnte die Reise nach Kiew vom finanziell gebeutelten Verband auf die Beine gestellt werden. Doch das geschah nicht ohne Probleme. Der Sponsor des DKBV, die Firma Rhode, stellte dem Team keine Ausrüstung, keine Trainingsanzüge, noch nicht einmal Kampfhosen zur Verfügung. Die Bundestrainer wandten sich kurzum an eine andere Firma, die kurzfristig einsprang, um dafür zu sorgen, daß die Sportler, die sich über viele Turniere und harte Kämpfe die Nominierung für den Kader verdient hatten, zumindest halbwegs einheitlich eingekleidet waren und unter würdigen Umständen bei der Eröffnungsfeier, welche die „nette“ Anfangszeremonie in Stuttgart deutlich in den Schatten stellte, einlaufen konnten.
Das Turnier als solches wartete mit einem ungemein hohen sportlichen Niveau auf. In nahezu jeder Gewichtsklasse waren bis zu 30 Kämpfer am Start. Für Deutschland schnitten die Männer diesmal nicht so gut ab wie noch vor zwei Jahren in Budapest, als mit dem Kölner Frank Schmidt zumindest ein Weltmeistertitel nach Deutschland ging. Übermächtig waren die Vertreter der 16 Nachfolgestaaten der Sowjetunion unter den über 50 teilnehmenden Nationen. Mit dem Gelsenkirchener Frank Rudawksi erreichte nur ein Deutscher das Finale, das er verlor. Dennoch ist dieser Vize-Weltmeistertitel für den jungen Kämpfer ein großer Erfolg. Immerhin war dies sein erster internationaler Einsatz. Hidir Erdogan, Ludwigshafen, und Nordine Abdelbaki, Köln belegten den dritten Rang, wobei Abdelbaki im Halbfinale nur durch ein krasses Fehlurteil der Unparteiischen am Einzug ins Finale gehindert werden konnte.
Erfolgreicher schnitten die Damen ab, die erst seit einem Jahr innerhalb des deutschen WAKO-Verbandes kämpfen „dürfen.“ Die Kölnerin Hülya Sahin und die Berlinerin Jeannette Witte erkämpften sich nach harten Auseinandersetzungen die WM-Krone.
Diese WM im Vollkontakt mit und ohne Lowkicks hat in Punkto Teilnehmerzahlen, sportliches Niveau und Professionalität neue Maßstäbe gesetzt. Die Organisatoren der Stuttgarter Semikontakt-WM hätten sich hier einige wertvolle Anregungen holen können, wenn dieses Turnier vorher stattgefunden hätte. Das Turnier schien bis auf einige Unklarheiten bei der Terminierung der Vorkämpfe, die in nur zwei Ringen ausgetragen wurden, allen Beteiligten gefallen zu haben, so daß sie trotz der Unattraktivität von Kiew gerne wiederkommen. Nach den Finalkämpfen gab es für alle Teilnehmer – wie es sich für eine WM von Format gehört – ein großzügiges Büfett, kostenlos versteht sich.
Dieser Artikel erschien in der KICK Ausgabe 02/96. Text: Vladimir Liberov. Fotos: Archiv. Anmerkung: Die WAKO sah es damals nur sehr ungern, wenn über die Organisation objektiv oder kritisch geschrieben wurde. In diesem Fall, hinderte es uns daran angemessen zu berichten – leider.
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„Kickboxen“ von Ferdinand Mack