Wenn man sich die präzise Körpersymetrie und ausgeprägte Muskulatur der Budosportlerin und Bodybuilderin Lei Lani anschaut, fällt es schwer, zu glauben, daß sie sich als Kind gegen rauflustige Jungs in ihrer Heimat Hawaii zur Wehr setzen mußte. Angespornt durch die oftmals harten körperlichen Auseinandersetzungen, für welche die Großstadt Honolulu bekannt ist, erlernte sie die ersten Tritt- und Schlagtechniken von ihrem Onkel. Sie begann mit Hapkido und Taekwondo unter den bekannten Meistern David Kim und Sung Oh Han.
Dies führte sie später zum aufkommenden Fullcontact. Sie nahm an den hawaiianischen Landesmeisterschaften teil, bei denen sie 1977 und 1978 als Staatsmeisterin hervorging. Sie mußte dabei sowohl gegen andere Frauen als auch gegen halbstarke Jungs in den Ring steigen. Um ihr natürliches Talent, sich geschmeidig zu bewegen, über das Kampfsporttraining hinaus zu fördern, begann sie Jazztanz zu trainieren. Sie lernte Hawaiianisch und arbeitete als Tanzlehrerin im Luxushotel Hyatt Regency auf der Insel Maui. Später schloß sie sich einer professionellen Tanzformation an, mit der sie schließlich in Houston, Texas, landete, wo sie sich eine komplizierte Knieverletzung zuzog. An diesem Scheidepunkt in ihrem Leben angelangt, führte sie ihr Schicksal mit dem früheren Mr. Amerika Doug Beaver zusammen, der sie dazu anhielt, mit Gewichten zu trainieren, um sich besser von der Verletzung zu erholen. Wenn man sie heute anschaut, erkennt man, daß von Beavers Training einiges hängengeblieben sein muß. Beaver managte die Jack Lalanne Health Clubs und war am Franchise-System der bekannten „Gold‘s Gyms“ beteiligt.
Wenn man die höflich, freundliche Lei Lani heute trifft, fällt einem sofort ihre hochentwickelte körperliche Statur auf. „Sie ist eine der besten Bodybuilderinnen der Welt und das seit vielen Jahren,“ sagt Beaver, der sie bis heute trainiert. „Sie ist eine unter Millionen, die eine solch perfekte Körperentwicklung erzielen können, wie sie es erreicht hat. Darum liebt das Publikum sie.“
In ihrem ausgewogenen Trainings-programm fügen sich mindestens fünf Trainingseinheiten mit freien Gewichten pro Woche, mit mindestens zwei Stunden Dauer. Vor einem Wettkampf steigt das Training auf bis zu acht Stunden täglich ohne Ruhetag an. Die richtige Diät ist für sie ein wichtiger Punkt beim Bodybuilding. Wie viele andere Frauen, die schlank bleiben wollen, limitiert sie ihre Nahrungsaufnahme. Nachdem Beaver sie über ein paar Monate trainiert hatte, und die gewünschten Resultate ausblieben, befragte Beaver sie nach ihren Eßgewohnheiten. Sie erzählte, sie würde nur einmal am Tag ein volle Mahlzeit und eine kleine zu sich nehmen. „Um einen Körper aufzubauen, muß man Essen,“ stellte der Ex-Mister-Amerika fest. „Als wir Lei Lani dazu brachten proteinreich zu essen mit einer Diät, die drei Mahlzeiten pro Tag vorsah, begann sie sofort zuzunehmen.“
Durch ihre Grundlagen aus dem Kampfsporttraining fiel es Lei Lani leicht nach exaktem Gewichtstraining an Bodybuilding-Wettkämpfen teilzunehmen. Sie wurde beliebt und gewann zahlreiche Titel. Aufgrund dieser Er-folge ist sie bis heute ein begehrtes Fotomodell für Aufnahmen der Kraftsportillustrierten. Ihre gewinnende Persönlichkeit haben sie zu einer beliebten Darstellerin für Artikel in der Kampfsport- und Bodybuildingpresse werden lassen. Der Wettkampf allein stellt Lani jedoch nicht zufrieden, so daß sie nebenbei ein Trainingsprogramm für Frauen ausgearbeitet hat, das sowohl Bodybuilding als auch Kampfsportroutinen beinhaltet. „Ich bin zu der Schlußfolgerung gekommen, daß es im Kampfsport noch keine Frauen gibt, die eine Vorbildfunktion erfüllen. Ich will ein Beispiel dafür geben, was andere Frauen erreichen können,“ erklärt sie ihre Ambitionen. Um ihr Ziel zu erreichen, einen Leitfaden für interessierte Frauen auf den Markt zu bringen, haben Lei Lani und Beaver das Programm „Fight to be fit“ ausgearbeitet. Es stellt ein Lizenzprogramm dar, das quer über die gesamten Vereinigten Staaten in kommerziellen Sportstudios und Dojos angeboten werden soll. „Die Martial Arts Schulen und Bodybuilding Gyms sind am Nachmittag meist leer,“ stellt Lani fest. „So populär wie die Martial Arts im Moment sind, erreichen die normalen Schüler bei weitem nicht was sie können. Ich denke es gibt eine Menge unterschätzter Meister in unserem Land, die ihr Geschäft blühen sehen wollen. Wir haben für sie ein Programm zusammengestellt, daß Gewichtstraining und Aerobic verbindet. Die Tanzelemente aus dem Aerobic benutzen Karate-techniken als Basis. Wir wollen erreichen, daß dieses Programm auch für Hausfrauen, junge und alte, interessant wird, und sie dafür in die Dojos gehen. Dadurch kommen sie gut in Form und entschließen sich vielleicht, weitergehend Kampfsport zu betreiben, was das Geschäft der Kampf- sportschulen fördert.
Das „Fight to be fit“ Programm wurde entwickelt, damit es von jedermann gelehrt werden kann, der bei Lei Lani, Beaver oder einem ihrer Partner eine Ausbildung absolviert. Bei dieser Ausbildung lernen sie, wie man Frauen das weite Spektrum des Übungsprogrammes effektiv näherbringt und das Konzept erfolgreich für sich vermarktet.
Obwohl Kickboxen und andere Formen der Martial Arts in vielen großen Sportstudios unterrichtet werden, mißfällt Lani und Beaver die Form des Unterrichts. Sie bemängeln, daß das normale Training nicht für eine normale Hausfrau oder eine berufstätige Sekretärin zugeschnitten ist, die keinerlei Ambitionen hegt, für Wettkämpfe in den Ring zu steigen, oder sich beim Sparring von einem erfahrenen Kickboxer verprügeln zu lassen. „Dieser Unterricht wird nicht betrieben, um Frauen, die sich dafür interessieren, zum Kampfsport zu bringen,“ bemängelt Lani. „ Man zeigt den Schülern nicht, wie sie korrekt dehnen sollen um Verletzungen zu vermeiden. Man zeigt ihnen nicht, wie die Techniken genau ausgeführt werden. Das normale Training ist nur eine Art Selektion, bei der besonders aggressive Frauen gefunden werden sollen, die sich ohnehin schon vom Zweikampf angezogen fühlen.“
Das „Fight to be fit“ Programm zielt auf gesundheitsbewußte Personen, die den Wunsch haben Kampfricks zu lernen ohne gleich um Ranglistenplätze kämpfen zu müssen. Sobald man ihnen zeigt, wie man richtig dehnt, sich verteidigt und mit Gewichten trainiert, werden sie an weiteren Formen der Martial Arts Gefallen finden,“ erklärt Beaver die Strategie. „Das ist ihre freiwillige Entscheidung und darum wird das Programm hauptsächlich in Kampfsportschulen Anwendung finden. Wenn sie keine weiteren Ambitionen haben, können sie immernoch in den Unterricht gehen und einfach nur einen guten Workout absolvieren, während sie einige Grund-techniken erlernen.“
Lei Lani war auch auf der Mattscheibe zu bewundern. Der bekannte Fight-Choreograph Eric Lee führte sie in die Szene ein. „Er hat eines meiner Fotos in den Magazinen gesehen,“ erklärt sie, „und er rief den Chefredakteur des Blattes an, um mich ausfindig zu machen.“ Dieser Entdeckung hat sie einen Auftritt in einem Film mit Don Wilson zu verdanken. Weitere Rollen folgten. „Aufgrund meiner Statur spiele ich immer sehr aggressive Frauen. Ich kämpfe immer gegen Männer. Ich glaube damit inspiriere ich vor allem Frauen. Sie sehen, daß Frauen stark sein können und dabei ihre Weiblichkeit erhalten.“ Lanis Wunsch, das Image einer starken Frau zu verkörpern, wird in den Rollen, die sie spielt, durch ihre Kleidung unterstrichen. Es ist nicht ungewöhnlich, wenn sie High Heels trägt während sie ihre Kontrahenten mit kraftvollen Kicks attackiert. Jede Frau wird bestätigen können, wie schwierig es ist, mit hohen Absätzen Fußtechniken auszuführen.
Mit den Bodybuilding Wettkampf, der Schauspielerei und ihrem „Fight to be fit“ Programm ist sie voll ausgelastet. Sie ist eine typische amerikanische Powerfrau. So wie ihr Training über die Jahre ihren Körper geformt hat, hat sich ihre geistige Verfassung geschärft. Es bleibt abzuwarten, ob sie mit all ihren Vorzügen und Ambitionen tatsächlich ihren Weg bahnen wird, um als Vorbild für Frauen zu dienen, die ähnliche Absichten haben. In der Zwischenzeit werden wir sie kontinuierlich wiedersehen bis sie ihr Ziel erreichen wird.
Dieser Artikel wurde von Scot Shaw verfasst und erschien in der Oktober Ausgabe 1996.