Eigentlich ist jedem von uns Mittelamerika als krisengeschütteltes Gebiet ein Begriff. Ganz anders ist die Stimmung in Guatemala, das mitten in diesem Gebiet liegt, sich aber weitgehend von allen Konflikten dieser Region abkapselt und sich eher dem „American way of life“ verschrieben hat. Daher war es kein Wunder, das die 4. Auflage dieses größten Turniers Mittelamerikas auch sehr amerikanisch ablief. Unterstützt wurde Veranstalter Jorge Porres vor allem durch Don Rodrigues KRANE-Organisation, die in Amerika nach der NASKA immer mehr an Einfluß gewinnt.
Starke internationale Besetzung: Viele internationale Teams waren der Einladung des Veranstalters gefolgt und so gaben sich Stars wie Pedro Xavier, Jon Valera, John Payton, Jimmy Pham und Casey Marks hier die Klinke in die Hand. Auch aus Österreich war ein Team unter Führung von Rüdiger Miller angereist und konnte den Flair dieses interessanten und sehr gastfreundlichen Landes kennenlernen.
Top Organisation: Bereits am Freitag gab es in der exklusiven Atmosphäre des Hyatt Regency Hotels in Guatemala City, in dem die Veranstaltung ausgetragen wurde, viel zu sehen. Um den Turnierablauf flüssiger zu gestalten, wurden bereits am Nachmittag alle Farbgurt-Kategorien sowohl im Semikontakt als auch im Formen-Bewerb ausgetragen und an-schließend der Team-Wettkampf bestritten. Durch die etwas unglückliche Auslosung trafen bereits in Runde eins die beiden Favoriten aufeinander, was sehr schade war, da dieser Ausscheidungskampf durchaus das Finale hätte sein können. Team-Paul-Mittchell aus den USA traf auf Team Guatemala 1. Ohne zu übertreiben, besseres Semikontakt-Kickboxen kann man nicht zeigen. Schnell, kraftvoll und technisch brillant schenkten sich beide Parteien 3 x 2 Minuten nicht das Geringste und so ging der Sieg nur ganz knapp mit 23:22 Punkten an die Gäste aus den USA. Das österreichische Team besiegte in Runde 1 Puerto Rico, mußte sich aber in Runde 2 dem ebenfalls kampfstarken Team Guatemala 2 geschlagen geben. Nachdem der stärkste Gegner ausgeschaltet war, hatten die Amerikaner keine Probleme mehr, sich bis ins Finale gegen Venezuela vorzukämpfen, das am nächsten Tag innerhalb der Abendgala ausgetragen wurde.
Über 1.400 Teilnehmer: Ans Eingemachte ging es dann am Samstag ab 9 Uhr früh. Es war „Black-Belt-Time“ angesagt und die Halle war, wie bereits am Vortag mit über 1.400 Teilnehmern bis oben hin gefüllt. Auf den 22 Kampfflächen startete man pünktlich mit den Formen- und Waffenkategorien, wobei im Vorfeld die Favoriten bekannt waren. Die jüngeren Mitglieder des Team Paul Mitchell wie Jimmy Pham, Casey Marks und Butch Marks trumpften wieder groß auf und verließen die Halle nicht ohne mindestens eine bzw. zwei Trophäen. Bei den Erwachsenen begeisterte der Kalifornier Jon Valera wieder sein Publikum und nahm unangefochten die Tropäen für die Klassen Korean Forms und Weapons in Empfang. Beim anschließenden Semikontakt-Wettkampf kamen die Fighter von TPM über ihrer Gegner wie eine Naturkatastrophe und siegten in allen Kategorien ohne viele Punkte abgeben zu müssen. Bis auf die Schwergewichtskategorie, hier gelang es dem jungen Österreicher Josef Patterer sich gegen seine Gegner aus Puerto Rico, El Salvador und Venezuela durchzusetzen und auch das Finale, wo ihm die Nr. 1 aus Mexiko, der Favorit dieser Klasse gegenüberstand, mit schnellen Kickkombinationen und dem Endstand von 8:6 Punkten für sich zu entscheiden. Nicht unerwähnt sollte auch der 2. Platz seines Bruders Christian Patterer bleiben, der sich hervorragend durch alle Vorrunden kämpfte und sich erst im Finale dem Amerikaner Reggy Perry geschlagen geben mußte.
Pedro Xavier gewinnt ohne Mühe: Nach den Finalkämpfen ging man sofort zu den Grandchampion-Kategorien, die normalerweise am Abend ausgetragen wurden, hier aber aufgrund der abendlichen Gala schon am Nachmittag entschieden wurden. Begonnen wurde mit dem Semikontakt, wobei fast ausschließlich Amerikaner (bis auf unseren Österreicher) beinhaltete und diese, da sie sich sehr gut kannten und auch noch vom selben Team waren, eher etwas fürs Auge, sprich hervorragende Technik, zeigten, als toternst um den Titel zu kämpfen. Als Sieger gingen im Leichtgewicht Pedro Xavier, im Mittelgewicht Reggy Perry und im Schwergewicht John Payton hervor. Obwohl der Sieg von John Payton eher umstritten war, da er den Österreicher Patterer manchmal mit sehr zweifelhaften Techniken traf und wahrscheinlich nur durch den Bekanntheitsgrad der Amerikaner die Punkte zugesprochen bekam.
Jon Valera bleibt bester Formenchamp: Als letzter Punkt der Tagesordnung stand der Formen-Grandchampion an. Hier wurden durch die Bank von den Kindern bis zu den Erwachse-nen Höchstleistungen gezeigt, die in Europa ihresgleichen suchen. Auch in Sachen Show und spektakulären Aktionen kann niemand den Ameri-kanern etwas vormachen. Von Dreifachtritten in der Luft, Saltos, Schrauben und blitzschnellen Techniken, alles schien hier möglich und man gewann den Eindruck, als existierte für diese Athleten keine Schwerkraft. Besonders Jon Valera war es, der das Publikum zu Begeisterungsstürmen hinriß und wahrscheinlich 50% seiner Vor-führung in der Luft verbrachte. Die Grandchampion-Trophäen nahmen am Ende Casey Marks für die Formen-Kategorie und auch nach zweifachem Stechen mit Jimmy Pham für die Waffen-Kategorie, sowie Jon Valera ebenfalls in beiden Kategorien mit nach Amerika.
Gala + Teamkämpfe: Nach einer dreistündigen Pause wurden die Türen des großen Ballsaales wieder geöffnet und die Abendgala durch eine Ansprache von Veranstalter Jorge Porres eröffnet. Hier wurde vor allem auf Unterhaltung gesetzt und so präsentierten sich diverse Kampfkunststile Guatemalas in kurzen Demonstrationen dem Publikum, das sehr begeisterungsfähig war, und so brachten die Mitglieder des Team Paul Mitchell mit ihrer hervorragenden Show den Saal zum toben und ernteten minutenlange Standing Ovations. Wie schon zuvor angesprochen, wurde auch das Finale der Team-Kämpfe hier ausgetragen. Amerika und das sehr starke Team aus Venezuela standen sich gegenüber. Nach anfänglichen Startschwierigkeiten von Pedro Xavier und Mike Pombeiro, die ihre Gegner unterschätzt hatten, und Reggy Perry, der seinen Kampf knapp verlor, kam die Routine der Amerikaner durch und man besiegte Venezuela doch noch mit einem Endstand von 28:25 Punkten. Nach diesem spannenden Duell waren alle Gäste und Teilnehmer bester Stimmung und so ging es gleich in den Nebenraum zur Sieger-Party, bei der man noch bis in den Morgen ausgelassen feierte.
Eine Reise wert: Zwar liegt Guatemala nicht unbedingt um die Ecke, aber durch die sehr günstigen Tarife amerikanischer Fluggesellschaften kostet die Reise kein Vermögen mehr. Landschaft und Menschen dieses Landes sind einmalig und in Kombination mit so einer hervorragenden Veranstaltung sicher eine Reise wert.
Dieser Beitrag erschien in Ausgabe 12/97.
Fotos: Rüdiger Miller