Zwei blitzschnelle Halbkreis-Fußstöße, der eine zum Bauch, der andere zum Kopf verwirren den englischen Leichtkontakt-Champion in seinem ersten Vorrunden-Kampf bei den Weltmeisterschaften im Amerikanischen Zocker-Dorado Atlantik City. Kaum ein Augenzwinkern später wird er von einer Dreier-Faustkombination getroffen, ein Drehkick saust über seinen Kopf und plötzlich schlägt ein Sidekick direkt auf seinen Solar-Plexus. Der Kampf ist nicht mehr zu gewinnen. Schuld daran ist der Mann, dessen Namen er eigentlich hätte kennen müssen. Die Rede ist von Lajos Hugyets aus Buda-pest, einem der besten Leicht- und Semikontakt Kickboxer, die die Welt je gesehen hat, ein Bilderbuchtechniker, der selbst mit Semikontakt die Massen zu Standing Ovations animiert.
Wenn man von den Größen im Semikontakt Kickboxen, bzw. Sportkarate, spricht, dann kommen einem zunächst die alten amerikanischen Haudegen wie Bill Wallace und Jeff Smith aus den Siebzigern, sowie Ray McCallum, Nasty Anderson und Keith Vitali aus den Achtzigern in den Sinn. Dann kommt erst mal eine Weile gar nichts, vielleicht ein Alfie Lewis, ein Andreas Lindemann oder Ralf Kunzler. Die wahren Könner in der softesten, aber auch schnellsten Version des modernen Kickboxens, sind nur noch den wahren Insi-dern bekannt. Die Führungsrolle der Vereinigten Staaten besteht schon lange nicht mehr, die großen Stars sind bereits zurückgetreten und die Neuen müssen ihren Namen erst noch ein paar Jahre bei den großen Turnieren unter Beweis stellen.
Ungarn führend In Europa waren bislang die Engländer die führende Nation im Semikontakt, aber nur weil sie erfolgreich die amerikanische Kaltschnäuzigkeit in ihren Kampfstil implementieren konnten. Aus Deutschland und Italien kamen und kommen weitere gute Leute, doch zur Zeit sind die Ungarn mit Abstand die führende Nation Europas. Und das nicht nur im Semikontakt, sondern auch im Leichtkontakt (Durchkämpfen).
Aushängeschild Der 27-jährige Budapester Lajos Hugyets ist das Paradepferd der Magyaren. Er gewann drei Weltmeistertitel im Leichtkontakt bei der WAKO. Im Semikontakt gelangte er je einmal zu Vize-Weltmeister- (1990) und Weltmeisterehren (1993). 1993 war dabei sein erfolgreichstes Jahr. Bei den Weltmeisterschaften im amrikanischen Atllantik City holte er sich nahezu unangefochten Gold im Semi- und im Leichtkontakt. Im Finalkampf der letzteren Disziplin besiegte er erneut den Hamburger Michael Wübke. Trophäen, die drei weitere Europameistertitel und insgesamt 25 nationale ungarische Meisterschaften in unterschiedlichen Alters- und Gewichtsklassen belegen, stehen in der Wohnung des glücklich verheirateten Familienvaters mit einem zweijährigen Sohn namens Victor, der schon mit ihm trainiert. Ebenso die Pokale zahlreicher namhafter internationaler Turniere und Vergleichskämpfe.
Erfolgreiche Schwester
Seit 1980 betreibt er Kampfsport. Zunächst begann er wie viele andere mit dem Shotokan Karate, 1983 wechselte er zum Kickboxen, bestritt seitdem über 1.000 Kämpfe im Semi- und Leichtkontakt. Er blieb nicht der einzige Kickboxer in einer Familie, die durch die Scheidung der Eltern geschüttelt war. Seine Schwester Gabriela, insgesamt hat er zwei Schwestern, ist auch eine erfolgreiche Sportlerin in seiner Disziplin, mit der er regelmäßig zusammen trainiert. Sie gewann neben mehreren nationalen Titeln zweimal die Europameisterschaften der WAKO in der Gewichtsklasse bis 55 Kg und belegte bei den Weltmeisterschaften 1991 in London den zweiten Platz.
Eigene Schule in den USA
Seine zweite Schwester ist vor einiger Zeit in die USA ausgewandert, lebt dort in der Nähe der Hauptstadt Washington. 1989 besuchte Lajos seine Schwester für einige Monate, und so ergab es sich, daß er dort die Mög-lichkeit erhielt, mit einem der erfolgreichsten amerikanischen Kickboxer der ersten Jahre zu trainieren. Die Rede ist von Jeff Smith, dem ersten Vollkontakt Weltmeister im Leicht-Schwergewicht und langjährigem Nationalcoach der besten amerikanischen Vollkontaktler, die zu den Weltmeisterschaften der WAKO entsandt wurden, wie z.B. Troy Dorsey, Jerry Rhome und John Longstreet. In dieser Zeit eröffnete Lajos sogar eine eigenene Karateschule in den Staaten. Vielleicht wird er irgendwann dorthin zurückkehren, um wieder eine Sportschule zu eröffnen. Sein großes Zukunftsziel ist es, eine eigene Schule zu eröffnen. Zusätzlich zu seinen großartigen Erfolgen als aktiver Kämpfer wird ihm sicher auch seine Ausbildung als Sportlehrer zu Gute kommen. Zur Zeit verdient er bereits seinen Lebensunterhalt als Gymnastiklehrer.
Hohe Popularität
Wie viele andere ist Lajos durch Bruce-Lee-Filme für den Kampfsport begeistert worden. Bei seinen sportlichen Erfolgen wurde er im Gegensatz zu den meisten anderen erfolgreichen Sportlern in fremden Nationen durch die große Popularität aller Kickboxdisziplinen in seinem Heimatland motiviert Kickboxen gilt dort als anerkannte Sportart, so daß erfolgreiche Sportler besondere Vergünstigungen und Geldprämien erhalten. Für einen WM-Gewinn erhielt er satte 3.000 DM, was dem Jahreslohn eines ungarischen Durchschnittsarbeiters entspricht. Und ganz wie selbstverständlich zählt das Kickboxen zu den bekanntesten Sportarten im mittleren Donaustaat. Mehrere tausende Zuschauer sind die Regel bei mittleren und großen Veranstaltungen, Fernsehübertragungen sind selbstverständlich.
Einstieg ins Show-Business
So mag es kaum verwundern, daß Lajos in Filmen mitwirkte und ständig zu Gast bei Talk- und Gameshows im Fernsehen ist. Unmittelbar nach seinem Doppel-WM-Erfolg blieb er im Vorjahr noch für zwei Wochen in den USA, um dort im Actionstreifen „Lobato Film“ mitzuwirken. Diese Filmrolle hatte er über einen Bekannten erhalten, der mit einem der Hauptdarsteller befreundet war. Alles in allem hat Lajos die Filmarbeit großen Spaß gemacht, so daß er die Schauspielerei in seiner zukünftigen Karriere weiterverfolgen will.
Wechsel zum Vollkontakt
Trotz dieser großartigen Erfolge will der Träger des vierten Meistergrades, der das Semikontakt immer noch seiner erfolgreicheren Domäne Leichtkontakt vorzieht, demnächst in den Vollkontakt-Ring überwechseln. Zwar will er mit den sanfteren Versionen nicht völlig aufhören, doch die härtere Disziplin bekommt die deutliche Priorität.
Spezielles Boxtraining bei Olympia-Coach
Seit gut einem Jahr betreibt er unter dem dreifachen Olympiasieger, Bob Laszlo, ein spezielles Boxtraining, mit dem er seinen ohnehin blitzschnellen Fäusten die richtige Durchschlagskraft verleihen will. Seine ersten Vollkontaktfights hat er zur Aufwärmung absolviert, so daß er schon bald auf den großen Turnieren der WAKO und anderer Verbände sowie bei professionellen Kickboxgalas in den Ring steigen will. Vielleicht wird ihn das deutsche Fachpublikum bereits am 10. September bei einem Kampfabend im Kölner Sartory-Saal zu sehen bekommen. Mit Sicherheit wird man ihn spätestens Anfang Oktober bei den Internationalen Deutschen Meisterschaften im bayerischen Schweinfurt kämpfen sehen können.
Neuer Weltrekord
Übrigens hegt der mehrfache Weltmeister einen großen Plan, den er in den kommenden Monaten in die Tat umsetzen will. Er wird versuchen den Weltrekord im Dauer-Sparring zu überbieten, der zur Zeit bei neun Stunden liegt. Er hofft, damit Geld für einen guten Zweck aufbringen zu können. Steve „Nasty“ Anderson, selbst über ein gutes Jahrzehnt der erfolgreichste amerikanische Semikontakt-Sportler und vierfacher WAKO-Weltmeister im Schwergewicht, hatte diesen Rekord 1989 für die Stiftung „Karate Kicks Diabetis“ aufgestellt und somit Spenden für zuckerkranke Kinder erwirtschaftet. Jeder seiner Sparringspartner bezahlte ihm für eine Runde eine Summe von fünf Dollar oder mehr. Lajos, der damals in den USA lebte, sparrte selbst mit dem Schwergewichtler und will nun dessen Namen aus dem Guiness-Buch der Rekorde verdrängen.
Rosige Zukunft
Mit 27 Jahren ist Lajos trotz seiner Erfolge noch sehr jung, so daß man sicher noch viel von ihm hören wird. Sicher wird er im Kickboxring noch für viele spannende Kämpfe sorgen, sei es im Semi- und Leichtkontakt oder demnächst auch im professionellen Vollkontakt. Man sollte nicht überrascht sein, wenn man den symphatischen, zielbewußten Sportler plötzlich in einem Film wiedererkennt oder demnächst seinen Namen im Guiness-Buch der Rekorde wiederfindet.