Interview mit Larry Hartsell

Larry Hartsell

Der Amerikaner Larry Hartsell war einer der wenigen noch lebenden Schüler von Bruce Lee, die heute noch als Lehrer aktiv sind. In aller Welt lehrt er durch seine beliebten Seminare das Jeet Kune Do System. Unser Mitarbeiter Walt Missingham, führte mit dem Budoexperten anläßlich eines Seminars in Australien ein Interview.

Pratzentraining
Larry Hartsell beim Focustraining

 

Man kennt sie als vielreisenden Botschafter des Jeet Kune Do. Was haben sie in den letzten Jahren gemacht?

Meist war ich in den Staaten und auf der ganzen Welt mit Seminaren beschäftigt. Früher war ich mit der persönlichen Sicherheit des „A-Teams“, besonders von Mr. T betraut.

Sie sind viel in der Welt unterwegs. Erkennen sie bei ihren Seminaren ein steigendes Interesse an Grappling und Hebeltechniken für den Nahkampf?

Ja, ich glaube das ist so. Seit der Einführung des Shoot-Wrestlings in unserer Akademie (Inosantos Martial Arts Akademie) merken wir den Trend. Dan Inosanto hat ein Diplom im Shoot-Wrestling, ich habe es erst kürzlich unter Yuri Nakamura erhalten. Der Begründer dieser Disziplin ist Satori Sayama, der jetzt mit uns an der Akademie unterrichtet. Ich denke, die Menschen begreifen, daß Grappling ein wichtiger Bestandteil der Martial Arts ist. Aus meiner Vergangenheit als Türsteher weiß ich, daß die meisten Kämpfe auf dem Boden enden. Da kann man noch der beste Kickboxer sein, man hat in bestimmten Situationen keine Chance einen Kick anzubringen. Was macht er, wenn der Boden rutschig ist oder die Raumverhältnisse eng sind? Er kann einfach nicht kicken! Grappling ist eine wahre Kunst, egal ob man sich die brasilianischen Jiu-Jitsu Systeme anschaut, Birsilat aus Indonesien oder Dumag von den Philippinen. Es gibt viele Übereinstimmungen – nur die Anfänge und die Art den Kampf zu beginnen sind anders. Ich trainiere Shoot-Wrestling und einige indonesische Techniken, ebenso Dumag.

Missinham, Chai Sirisute, Larry Hartsell, Paula & Dan Inosanto

 

Bei ihren Seminartouren waren sie bereits acht Mal in Australien. Wie laufen die Seminare da?

Bei letzten Mal hatte ich den größten Zuspruch. Ich war in Neu Seeland, Melbourne, Adelaide, Sydney, Lithgow, Brisbane und Auckland. Die Resonanz wird immer besser.

Welche Länder erfahren beim Grappling den größten Zuspruch?

Bestimmt England, Finland, Deutschland und Australien. Das Jun Fan Jeet Kune Do Konzept für Grappling erfährt einen wahren Aufschwung, ebenso wie das Shoot Wrestling, das eine komplette Kampfkunst darstellt. Hier findet man viele Kampfstile wieder, wie z.B. Thaiboxen, Boxen, vier Stile des „catch-as-catch-can“-Wrestlings, Judo, Jujitsu, Sambo und andere Stile, aus denen es zusammengestellt wurde.
Es scheint, das Shoot-Wrestling zeigt Parallelen zu den Ideen des Jeet Kune Do. Ist das richtig?

Ja, auf jeden Fall. Bruce Lee mischte 26 Kampfstile in seiner Kunst. Seine Grappling-Techniken nahm er von Leuten wie Gene Lebell und Hayward Nishioka. Das Grundkonzept im JKD bestimmen die drei typischen Entfernungen: Kicking Range, Boxing Range und Grappling Range. Als Bruce starb hatte er 33 Grappling-Techniken für sein Jeet Kune Do benutzt.

Ist es richtig, daß Sie Brandon Lee bei der Choreographie einer seiner Filmrollen geholfen haben?

Ja, Brandon sprach mich darauf an und ich arbeitete mit ihm an den Kampfszenen in seinem ersten großen Film „Showdown in Little Tokyo.“ Wir arbeiteten an Blöcken mit den Füßen, Hebeltechniken für die Handgelenke und an Kontern.

Was hielten sie von Brandon?

Brandon machte eine gute Figur. Brandons Background stammt aus der Akademie von Dan Inosanto in Los Angeles, wo die Basis des Kampfstils seines Vaters zu Hause ist und die der philippinische Systeme. Er trainierte viel mit Jeff Imada an seiner Kampf­choreografie. Für seine Filme hat er viele unterschiedliche Stile studiert.

Die Situation im Shoot-Wrestling ist nicht gerade übersichtlich. Es gibt plötzlich eine ganze Menge Leute, die es betreiben. Können sie uns bitte einen genauen Einblick geben?

Zunächst unterscheidet man zwischen Shoot-Boxing und Shoot-Wrestling. Das Shoot-Boxing ist die sportliche Disziplin, die in einem Ring ausgetragen wird, während Shoot-Wrestling eine totale Kampfkunst darstellt, die aus den Stilen geformt wurde, die ich vorhin nannte. In Japan gibt es einige Shoot-Wrestling Schulen. Solange man nicht von diesen Schule anerkannt ist, weiß ich nicht, wo man sich sonst eine Anerkennung holen kann. Unsere Schule wird von Satori Sayama geleitet. Richard Bustilo, Dan Inosanto und ich sind anerkannte Lehrer. Mein Spezialgebiet sind fortgeschrittene Submissions. Unser Cheftrainer ist Yuri Nakamura. Die Kunst entstand so um 1984 mit der Absicht sich dem antiken griechischen Zweikampf Pankration zu nähern. Man griff auf die Überliefrungen zurück, die uns jetzt im 20. Jahrhundert zur Verfügung stehen.

Erzählen sie uns bitte, was die Jun Fan Jeet Kune Do Grappling Association darstellt.

Technisch bilden wir eine Mischung aus verschiedenen Grappling Formen dar. Philippi-nische, indonesische und englische Ausführung sind enthalten. Die Vereinigung ist völlig unpolitisch, das war auch die Absicht des Begründers Dan Inosanto. Der Verband wächst, wir haben Re-präsentanten in England, Deutsch-land, Finland und in 16 Bundes- staaten der USA, und natürlich in Australien und in Neu Seeland. Alles, was wir zeigen, ist ein Extra für alle anderen Kampfsportarten. Niemand muß seinen Stil aufgeben, wenn er von uns lernen will.

Wie sehen sie die Entwicklung der Jeet Kune Do Society über die letzten Jahre?

Die Absicht hinter dieser Bewe-gung war, die Öffentlichkeit wissen zu lassen, wer die legitimen Lehrer im Jeet Kune Do und Kali sind. Ein weiter Grund war, die zu entlarven, die es nicht sind, aber den Namen für ihren Zweck benutzen. Einige von ihnen haben sogar behauptet, sie hätten unter Bruce Lee trainiert, obwohl es dafür überhaupt keine Beweise gibt. Ein wenig Kontrolle über diese Angelegenheiten finde ich gut.

Welchen Stellenwert nimmt das Jeet Kune Do in den 90er Jahren ein ?

Ich glaube, es ist weiter am wachsen. Jeet Kune Do ist das Wort, das Bruce Lee selbst erschuf. Zuerst war es Jun Fan Gung Fu, dann kam er mit dem Konzept für Jeet Kune Do. Später sagte er, Jeet Kune Do ist wie ein Kanu. Man benutzt es um über den Fluß zu kommen, doch dann braucht man es nicht mehr, weil man laufen kann. Es gab zwar einen Zeitpunkt, als er den Namen verwerfen wollte, doch das Konzept ist gut, denn es ist völlig frei. Es gibt keine zwei Menschen auf dieser Welt, die identisch denken, gleich bewegen oder sich genau ähneln. Wie ich kämpfe, muß nicht ihre Methode passen, meine Wahrheit muß auch nicht ihre sein.


Bruce Lee Cover
Dieses Interview fand in der 4. Ausgabe 1997 die Veröffentlichung. Zur Verfügung gestellt wurde es von Walt Missingham.