10. WAKO Europa Meisterschaft 1992 in Kavala

Giovana Neglia Giovana Neglia aus Italien (links) gegen die Griechin Viodov. Frauen waren ertstmals im Vollkontakt mit dabei.

Im Herbst des vergangenen Jahres (1992) fanden im griechischen Kavala und im bulgarischen Varna die 10. Europameisterschaften der WAKO statt. Erstmals war bei einer EM der Einsatz von Computern für Poollistenerstellung und Auswertung durchgesetzt worden. Premiere hatten das Vollkontakt der Frauen und die Low-Kick Disziplin. Deutschland mischte bei der Medaillenvergabe kräftig mit.

Giovana Neglia
Giovana Neglia aus Italien (links) gegen die Griechin Viodov. Frauen waren ertstmals im Vollkontakt mit dabei.

VOLLKONTAKT
Die makedonische Provinzstadt Kavala war Austragungsort der EM im Vollkontakt, im Low-Kick-System und der harten Damendisziplinen. Das Turnier dauerte über 3 Tage und wurde von den Ausrichtern in Zusammenarbeit mit Stadtverordneten und Sportämtern zu einem positiven Ereignis für die Teilnehmer gestaltet, Stadtrundfahrten und Besichtigungen historischer Stätten sowie mühevoll zusammengestellte Eröffnungs- und Abschlußfeiern boten einen idealen Rahmen für die Sportler. Alle Kämpfer wurden in einem Hotel untergebracht, das nur wenige Schritte von der Arena entfernt war. Einziger Minuspunkt: Das fettige, fade schmeckende Essen im Hotelrestaurant. Glück hatten hier Funktionäre und ausgeschiedene Kämpfer, die ihren „Vitaminhaushalt“ mit deutschen Biersorten ausgleichen konnten.

Starkes Feld
Traditionsgemäß ist das Vollkontakt die stärkste Disziplin, so daß die Bundestrainer Ferdinand Mack und Werner Soßna nur die stärksten Fighter in 7 Gewichtsklassen mitnahmen. Im starken Feld der insgesamt 300 Kämpfer mußten Hidir Erdogan, Axel Briesenick, Klemens Willner und Gerd Dittrich als die leichtesten Deutschen bereits im ersten Kampf die Segel streichen.

Frank Schmidt
Der Kölner Frank Schmidt (rechts) erkämpfte sich Silber.

Medaillen
In den höheren Gewichtsklassen gab es dann mehr zu holen. Der Kölner Jura-Student Frank Schmitt kämpfte sich im Mittelgewicht spielerisch bis ins Finale vor. Hier scheiterte er jedoch an einem Fehlurteil der Punktrichter und der lockeren Handlungsweise des ukrainischen Schiedsrichters, der unsicher wirkte und kaum Übersicht behielt. Nur so konnte der unfair kämpfende Bulgare Ivailo Maltchev als umstrittener Punktsieger hervorgehen. Ein Fehlurteil, ohne Frage.

Jean-Marc Koumba (links) sicherte sich seinen ersten EM Titel.

Mit Jean-Marc Koumba stand im Cruisergewicht ein weiterer Kölner aus der Sportschule Baaden im Finale. Der farbige, 20-jährige Holzmechaniker-Azubi hatte keine Probleme und besiegte den Russen Molckanov klar nach Punkten. Bislang ist Koumba mit rund 30 Kämpfen und nur einer Niederlage einer der erfolgreichsten Cruisergewichtler in Europa. Von ihm wird man sicher noch einiges hören, auch auf professioneller Ebene.

Axel Briesenich
Axel Briesenich (links) mußte wie alle seine Kollegen das Logo seines TopTen Kopfschutzes überkleben. Der Wolfsburger schied im ersten Kampf aus.

Pech hatte dagegen der Weltmeister im Schwergewicht, Rene Hübsch aus Berlin. Er kämpfte sich zwar auf eindrucksvolle Art und Weise bis ins Finale seiner Klasse vor, wirkte dann aber saft- und kraftlos und verlor gegen den ungestüm angreifenden Jugoslawen Usenagic.

Wojchech Wiertel
Bester Kämpfer des gesamten Turniers war unangefochten der polnische Weltergewichtler Wojchech Wiertel, der bereits im April bei einer Gala in Berlin Weltmeister Klemens Willner deutlich besiegte. Auch von ihm wird man sicher noch viel hören.

Wojciech Wiertel
Wojciech Wiertel war der überragende Fullcontact Fighter des Turniers. Hier mit einem Kopfkick gegen Finalgegner Aladair Szabo (Ungarn)

Starke Frauen
Die beste Kämpferin war Agnesia Rylik aus Polen. Sie machte kurzen Prozeß und beendete ihren Finalkampf gegen eine Griechin bereits in der ersten Runde durch KO, beeindruckend. Im schwach besetzten Bereich mit Low-Kicks starteten keine deutschen Teilnehmer. Hier vermißte man vor allem die starken Holländer.

women kickboxing
Agnesia Rylik (rechts) war die überragende Frau bei der EM 1988.

SEMI – & LEICHT-KONTAKT
Der bulgarische WAKO-Verband richtete in der am Schwarzen Meer gelegenen Großstadt Varna die EM in den Disziplinen Semikontakt, Leichtkontakt (Durchkämpfen) und den Formen aus. Mit Martin Kilgus, Thomas Pfaffl und Maik Böttcher kamen drei Deutsche erst ganz oben auf dem Siegertreppchen zu stehen. Enttäuschend blieb das Abschneiden von Ex-Weltmeister Oliver Drexler und von Vize-Weltmeister Michael Wübke, die beide in der zweiten Runde gegen Briten verloren. Mitfavorit Andreas Lindemann mußte sich einer krassen Fehlentscheidung beugen und belegte nur Platz 3. Bester Mann im Semikontakt blieb einmal mehr der Brite Alfie „The Animal“ Lewis.
Im Durchkämpfen konnten drei deutsche Damen ins Finale vordringen. Während Regina Eberhard aus Mannheim und Claudia Schregele aus Passau nach großartigem Kampf nur den zweiten Platz belegten, konnte sich die Dortmunderin Birgit Sasse gegen die Polin Kichner durchsetzen und den Europameistertitel gewinnen.

Klebestreifen
Übrigens wurden bei beiden Turnieren eine ganze Menge Klebestreifen verbraucht. Zwar war es den Akteuren freigestellt, mit welchem Kopfschutz sie in den Ring stiegen, aber sobald ein anderer Firmenname, als der des Sponsors Hayashi zu erkennen war, mußte dieser überklebt oder entfernt werden. Hier und da gab es recht skurile Klebe-Kunstwerke, die aber schon meist nach wenigen Treffern zu Boden flogen und von den Ringrichtern wieder „angebabbt“ werden mußten.

Resultate der WAKO Europameisterschaften 1992

Marek Frysz
Marek Frysz aus Polen (mitte) half WAKO Präsident Ennio Falsoni und Kampfrichter Obmann Frank Murney (UK) beim Verstehen der ersten Computer-generierten Pool-Listen.

FAZIT
Beide EM-Turniere haben gezeigt, daß es bei der WAKO auch anders geht, nämlich mit mehr Diszilpin und Organisation. Dennoch können die Fehlleistungen bei den Unparteiischen nicht übersehen werden. Hier wird sich noch einiges ändern müssen. Ansonsten zeigt der Trend im Amateurbereich bei der WAKO wieder nach oben. Mal sehn was die Weltmeisterschaften ’93 in Atlantik City (SK, LK, Fromen) und in Kiev (VK) bringen werden.

Dominique Valera
Der Französische Nationalcoach Dominique Valera hatte viel Grund sich über die schlechten Leistungen der WAKO-Kampfrichter zu beschweren.

Diese Reportage erschien in einer 1993 Ausgabe des Kicksider.