Aero-Step
Mit dieser Technik erreicht man
spektakuläre Kicks im Taekwondo
Man kritisiert das Taekwondo oft wegen seiner schnellen Sprung- und Flugkicks. Kritiker bemängeln, daß solche Fußtechniken in der Realität keine Anwendung finden können. Wie man darüber auch denken mag, hat der koreanische Nationalkampfsport in den letzten fünf Jahren eine völlig neue Dimension in Sachen spektakulärer Fußtechnik dazugewonnen. Mit neuen Techniken sehen diese Kicks nicht nur toll aus, sondern man kann mit ihnen auch effektiv im Wettkampf punkten. Sie sind schnell, kraftvoll, unvorhersehbar, eindrucksvoll und überaus effektiv. Mit der Aero-Step-Technik kann man diese Fußtechniken in sein technisches Arsenal implementieren, um besser und erfolgreicher zu kämpfen.
von Master Sang H. Kim
Die richtige Beinarbeit ist für jedes Martial-Arts-System sehr wichtig. Vom einfachen Steppen und Gleiten bis hin zu schwierigen Kombinationen von Schritten benötigt jeder Stil die Beinarbeit um Angriffe und Verteidigungen vorzubereiten und auszuführen. Im Taekwondo gibt es eine besondere Form der Beinarbeit, wie man sie in keinem anderen System wiederfindet: der Aero-Step! Die neuste und fortgeschrittenste Innovation im Taekwondo, der Aero-Step, verhilft zu entscheidenden Vorteilen im Kampf, ob in Ring oder beim Dojang. Der Aero-Step wird ausgeführt, indem man das vordere oder hintere Bein nach oben schwingt und mit dem anderen Bein kickt, bevor man das Bein wieder abgesetzt hat. Auf dem Papier hört sich das an wie ein normaler Sprungkick, doch der Unterschied ist gravierend. Der Aero-Step dient dazu, einen nach vorne oder hinten zu bewegen, nicht nach oben, wie bei einem gewöhnlichen Sprungkick. Tatsächlich bewegt sich der Fuß, mit dem man den Step ausführt nur bis maximal ca. 30 cm über den Boden. In vielen Fällen verliert er nur unmerklich den Kontakt zur Matten.
Die Vorteile des Aero-Step
Mit der neuen Technik sind viele Kampfvorteile verbunden. Offensichtlich wird es zunächst den Geg-ner irritieren, denn er bekommt Schwierigkeiten damit, einzuschätzen, mit welchem Fuß man tatsächlich angreifen wird. Wenn man als erstes das rechte Bein zum Aero-Step hebt, wird er vermuten, daß man mit dem rechten Bein kicken wird. Während der Angegriffene sich auf dem herabsetzenden rechten Fuß konzentriert, wird man ihn leicht mit dem linken Fuß überraschen können. Da die Aero-Step-Technik im Ansatz identisch ist mit einem Halbkreisfußstoß, kann man seinen Gegner leicht dazu verleiten, anzunehmen, daß man ihn mit diesem Kick attackieren wird. Er wird einen Gegenangriff starten, der die Chance bietet, ihn auszukontern. Andererseits dient die Technik auf täuschende Weise zur Überbrückung der Distanz. Wenn man beim Step-pen sein Körpergewicht in die eine oder andere Richtung verlagert, wird man zusätzliche Zentimeter an Boden gewinnen. So kann man in Kickreichweite gelangen, ohne daß es der Gegner merkt. Der Aero-Step dient weiter als eine exzellente Methode um die Schnelligkeit der Kicks und den Krafteinsatz zu verbessern. Später in diesem Artikel werden wir auf die Steigerung bei bestimmten Kicks näher eingehen. Nicht zuletzt sehen Aero-Step-Kicks so eindrucksvoll aus, daß sie leicht dazu geeignet sind, die Kampfrichter bei einer knappen Entscheidung auf seine Seite zu ziehen.
Aero-Step-Kicks
Es gibt ungefähr ein halbes Dutzend Kicks, die man mit dem Aero-Step verbinden kann. Der Vorwärts-Fußstoß und der Halbkreiskick sind die besten Fußtechniken, um mit dem Üben anzufangen. Um einen Halbkreiskick nach dem Aero-Step auszuführen muß man mit dem linken Bein nach vorne die Kampfstellung einnehmen. Heben sie das rechte Bein an, so als würden sie einen Frontkick ausführen wollen, jedoch höchstens 15 cm hoch. Sobald das rechte Knie auf derselben Distanz wie das linke Knie angelangt ist, ziehen sie die rechte Hüfte zurück und führen gleichzeitig einen Halbkreiskick mit links aus, wobei der Kick sein Ziel erreichen muß bevor der rechte Fuß wieder den Boden berührt. Als Resultat wird man einen Halbkreiskick mit dem vorderen Fuß ausführen, bei dem man sich gleichzeitig nach vorne, zum Gegner bewegt. Um die volle Wirksamkeit des Aero-Steps auszuspielen, muß man zunächst wirklich so tun, als würde man mit dem anderen Bein kicken!
Es gibt eine weitere Methode: dieses Mal heben wir aus der gleichen Kampfposition zuerst das vordere Bein. Dies ist die Version, welche wir am ehesten im Vollkontakt-Wettkampf ausführen werden. Wir heben das vordere Bein auf ca. 30 cm Höhe, so als würden wir einen Frontkick mit dem vorderen Bein ausführen wollen. Sobald der vordere Fuß die anvisierte Höhe erreicht, reißen wir ihn zurück und führen gleichzeitig den Halbkreiskick mit dem hinteren Bein aus. Die Knie werden sich beim Kick überkreuzen, so daß nach der Landung das rechte Bein vorne zeigt. Es ist eine beliebte Kontertechnik, mit der man einen Schritt nach hinten vermeidet.
Der Aero-Step ist eine effektive Möglichkeit, Kraft und Schnelligkeit in den Halbkreiskick einzubringen. Es ist das Prinzip, die Gegenbewegung (Reaktion) zu einer angesetzen Bewegung zu seinem Vorteil auszunutzen. Bei Blöcken und Handtechniken benutzt man schließlich nicht nur eine Hand, sondern auch eine Gegenbewegung der anderen, um sie effektiver einzusetzen. Die Reaktionsbewegung wird beim Aero-Step ins Spiel gebracht, sobald man die Hüfte in die entgegengesetzte Richtung reißt. Die engegengesetzte Richtung des Aero-Steps stimmt mit der Richtung des eigentlichen Angriffs überein, so daß die zusätzliche Bewegung mehr Kraft in die Technik, mit der man tatsächlich trifft, gelegt wird. Hinzu kommt, daß zum Anfangsstadium der Angriffstechnik bereits eine Bewegung vorhanden ist, die beim ansatzlosen Kicken aus dem Stand nicht vorhanden wäre. Man erreicht somit eine erheblich höhere Auftreffgeschwindigkeit und vermindert automatisch die Reaktionszeit des Gegners.
Doppel-Halbkreiskick
Der Doppelkick ist vor allem bei kleineren Sportlern beliebt. Er unterstützt ihre Schnelligkeit und er-laubt ihnen den Gegner mit vielen schnellen Kicks zu beeindrucken und schnell wieder auf Distanz zu gehen. Um einen Doppel-Halbkreiskick mit einem Aero-Step auszuführen, beginnen wir mit dem linken Fuß vorne. Wir führen wie zuvor beschrieben den Aero-Step mit dem hinteren Bein aus. Sobald das rechte Knie am linken vorbei kommt, führe einen Halbkreiskick mit links aus. Wenn der rechte Fuß den Boden berührt und der linke, erste Halbkreiskick fertig ist, reißen sie das rechte Bein hoch um einen Halbkreiskick mit dem hinteren Bein auszuführen. Wer richtig schnell ist, kann in gleicher Manier einen weiteren Kick mit dem linken Fuß folgen lassen. Als Ergebnis erreicht man mit dem Doppel- oder Dreifachkick, daß der Gegner im Kampf von beiden Seiten attackiert wird und sich für einen Gegenangriff nicht optimal positionieren kann. Wer mit einem Aero-Step den Angriff beginnt, kann da- mit selbst den größten und stärksten Gegner frustrieren. Um den Effekt zu verbessern, sollte man in der Lage sein, mit beiden Beinen zu kicken. Wenn der Gegner die eine Seite in den Griff bekommen sollte, kann man einfach die Auslage wechseln, und ihn von der anderen Seite auf‘s Neue zu überraschen.
Gesprungener Drehkick
Der Turnkick ist eine weitere Variante des Halbkreiskicks. Man führt den Step mit einer 180-Grad-Drehung aus, und kickt mit dem ursprünglich vorderen Bein. Eine fortgeschrittene Version ist der gesprungene Drehkick. Um ihn auszuführen, ersetzen wir die Drehung mit einem Aero-Turn-Step. Dabei setzen wir das Bein, auf dem die Drehung ausgeführt wird, nicht wieder auf den Boden auf, sondern behalten es in der Luft, bis der andere Fuß das Ziel trifft. Der Fuß, der die Drehachse bildet darf nicht den Boden berühren bevor das Ziel getroffen ist. Um das zu erreichen, muß man die Hüfte drehen, bevor man den ersten Schritt setzt. Sobald man den Step vollendet hat, sollte der Fuß rund 15 cm über dem Boden sein. Zu diesem Zeitpunkt muß der Angriffskick bereits auf dem Weg zum Ziel sein. Ein gesprungener Drehkick ist mindestens doppelt so stark wie ein normaler Drehkick, denn der Aero-Step zwingt das ganze Körpergewicht in die Richtung des Gegners. Bei einem normalen Drehkick hingegen ruht das Gewicht auf dem drehenden Bein. Der Sprung verhindert, daß das Gewicht ruht. Der eigene Körper windet sich mit aller Kraft in den Gegner.
360-Grad Aero Back-Kick
Der Aero Back-Kick mit voller Drehung entspricht dem normalen 360-Grad-Sprungkick, mit einer entscheidenden Ausnahme. Der Aero Back-Kick erreicht primär einen Vorwärtsdrall anstelle einer Aufwärts-/Sprungbewegung. Um diesen Kick auszuführen, beginnen wir mir dem rechten Fuß vorne (ausgehen, daß sie Rechtshänder sind). Führen sie einen Aero-Step mit links aus, ca. 45 cm hoch. Sobald der linke Fuß die optimale Höhe erreicht, führen wir einen Back-Kick mit dem rechten Fuß aus. Dabei treffen wir das Ziel bevor der linke Fuß wieder den Boden erreicht. Nach Beendigung des Kicks wurde eine volle 360-Grad-Drehung vollbracht – und das, ohne abzusetzen. Wenn man besonders weit fortgeschritten ist, kann man den Gegner nach der er-sten Drehung mit einem leichten Kick zur Hüfte oder zum Bauch treffen und mit einem weiteren Back-Kick zur Brust oder zum Kopf folgen. Da dieser Kick durch die zusätzliche Drehung weiter an Kraft gewinnt, sollte man beim Partnertraining und Sparring sehr vorsichtig sein, denn mit voller Kraft ausgeführt, folgt ein klassischer Knockout.
360-Grad Aero Dreh-Peitschen-KICK
Es ist der spektakulärste Kick der Kampfkunst Taekwondo, der dem Aero Back-Kick ähnelt. Im Wett-kampf sieht man diese Technik selten, nur wenige hochrangige Schwarzgurte und Spitzensportler können ihn ausführen. Sobald man den gedrehten Peitschen-Kick im Stand und im Sprung perfekt ausführen kann, wird man als nächsten Schritt den 360-Grad-Peitschen-Kick lernen. Wir beginnen mit dem rechten Bein vorne. Das linke Bein ziehen wir auf eine Höhe von ca. 30 cm nach vorne an. Zu diesem Zeitpunkt reißen wir das rechte Bein hoch zu einem gedrehten Peitschen-Kick, noch bevor der linke Fuß wieder den Boden berührt. Erneut wird der Körper eine volle 360-Grad-Drehung beschreiben bevor man landet. Wie der zuvor beschriebene Back-Kick ist dies ein absoluter K.o.-Tritt. Sobald der Kick auf den Weg gebracht wird, wird es sehr schwierig – fast unmöglich – den Kick zu kontrollieren oder zurückzuziehen. Nur erfahrene Leute sollten ihn anwenden. Zusätzlich sollten Sportler, die ernsthafte Rücken, Hüft- oder Knieverletzungen beklagen, auf diese Techniken verzichten, denn die Belastung der Gelenke geht weit über das normale Maß hinaus.
So benutze ich die Aero-Kicks
Es sind exzellente Werkzeuge für das Erzielen von Wettkampfpunkten. Im Folgenden nennen wir einige Übungen, mit denen man die zuvor beschriebenen Kicks einüben kann:
1. Aero-Step Halbkreiskick
Sie stehen ihrem Partner gegenüber, beide links vorne, Deckung oben. Täuschen sie einen linken Halbkreiskick an, um ihren Partner zu irritieren. Folgen sie mit einem linken Aero-Step und einem rechten Halbkreiskick zum Körper, wenn ihr Gegenüber versucht dem erahnten linken Kick auszuweichen.
2. Doppel-Halbkreiskick
Position wie bei 1. Ihr Partner kommt auf sie zu. Sobald er in Beinreichweite gelangt, gehen sie einen halben Schritt zurück, führen einen Aero-Step mit dem vorderen Bein aus und folgen mit dem doppelten Halbkreiskick. Um dem Schwierigkeitsgrad zu erhöhen, soll ihr Partner sich auf sie zu- und wegbewegen, so daß sie den richtigen Punkt für den Kick abwarten müssen und die richtige Seite auwählen. Wenn ihr Partner nach vorne geht, weichen sie zurück und vice versa.
3. Gesprungener Drehkick
Ausgangsposition wie gehabt. Sobald der Partner mit einem vorderen Halbkreiskick attackiert, kontern sie mit einem gesprungenen Drehkick. Um die Effektivität des Konters zu erhöhen, setzen sie den Aero-Step ein, damit sie ihre Position halten können, bzw. leicht zurückweichen. Wenn sie sich nach vorne lehnen, werden sie zu nah am Mann sein, um einen Punkt erzielen zu können. Man kann diese Übung auch aus einem offenen Stand (wechselnde Auslagen) ausführen. Sobald der Partner mit einem hinteren Kick angreift, folgt der gedrehte Sprungkick als Konter.
4. 360-Grad Aero Back-Kick
Rechtes Bein vorne; sobald der Partner auf sie zukommt, Aero-Step mit links gefolgt von einem Halbkreiskick mit hinten rechts zur Brust. Wenn der Partner nah genug ist, können sie einfach ihr linkes Bein auf seinem Körper belassen, während sie mit rechts kicken.
5. 360-Grad Aero Peitschen-Dreh-Kick
Obwohl man kaum eine Gelegenheit finden wird, diesen Kick in einem Kampf anzubringen, kann es als Abschlußtechnik für eine Kombination einstudiert werden. Z.B.: sie stehen ihrem Partner gegenüber, beginnen mit einem doppelten Halbkreiskick, führen einen Step nach vorne aus und beenden mit einem gedrehten Peitschen-Kick. Der einzige Zeitpunkt, zu dem sie diese Technik effektiv ausführen können, kommt, wenn ihr Gegner vor ihnen wegläuft und sie völlige Kontrolle über den Schalgabtausch haben. Im Wettkampf können sie diese Kombination einsetzen, wenn ihr Widersacher sich dem Mattenrand nähert.
Wenn sie anfangen, den Aero-Step einzuüben, werden sie es ungewöhnlich umständlich finden. Um die Technik und ihre gesamte Beinarbeit zu verbessern, ist es nötig, daß sie ständig ihre Beweglichkeit verbessern. Schnelligkeits- und Gleichgewichtsübungen sind hierbei besonders dienlich. Hilfreich sind: rückwärts rennen, Treppensteigen, Seilspringen, Schattenboxen und Zielübungen. Vergessen sie dabei nicht, die Techniken mit einem kooperativen Partner zu üben. Nur so können sie sich verbessern und ihr Timing optimieren. Erst wenn sie im Partnertraining diese Techniken beherrschen, werden sie in der Lage sein, sie im Kampf anzuwenden.