Never too old for Kicks & Pommes: Man kennt ihn seit vielen Jahren als „Superfoot.“ Er ist ein schneller, begnadeter Fußtechniker, ein bescheidener und einfacher Mensch – und dennoch ein Star, dem die Kickboxer von heute viel zu verdanken haben. Wie wir alle wird er nicht jünger. Es gibt bei ihm jedoch einen groІen Unterschied: Er könnte trotz seines Alters noch heute manchen Weltranglisten Fighter zeigen, wo es langgeht.
Seine Kicks sind so schnell und exakt wie Peitschenhiebe. Trotz seiner 51 Jahre tourt Bill „Superfoot“ Wallace weiter durch die weite Welt. Im März stehen wieder Auftritte in Deutschland und der Schweiz an. Wir stellen den unverwechselbaren und sich scheinbar kaum verändernden Traumkicker aus Kalifornien vor, damit ihn ja niemand vergißt.
Es ist genau 16 Jahre her (1981) als der US-Amerikaner Bill Wallace seine Karriere als der erste große Kickbox-Weltmeister im Fullcontact beendete. Seiner Popularität tat sein Rücktritt keinen Abbruch, den der alternde Sunnyboy verdient seitdem seinen Lebensunterhalt mit Seminaren sowie gelegentlichen Showkämpfen und sporadischen Filmauftritten. Bekannt wurde Bill Wallace durch die Eigenschaft, die ihn den Beinamen „Superfoot“ einbrachte: Sein schnelles linkes Bein. Die Kicks mit seinem linken Fuß brachten es auf Aufschlaggeschwindigkeiten von gut 100 km/h. Reihenweise bereitete er seinen Widersachern Kopfschmerzen mit dieser Wunderwaffe, die er dank seiner Schnelligkeit und ausgefeilten Techniken öfter ins Ziel brachte als es seinen Herausforderern lieb war. Mit rechts kann Wallace, der im letzten Dezember seinen 51. Geburtstag feierte, überhaupt nicht kicken. Noch bevor er mit dem Karate begonnen hatte, riß er sich beim Judotraining die Bänder im rechten Knie. „Wenn ich mit rechts kicke, fliegt mein Unterschenkelknochen aus dem Kniegelenk,“ erklärt er lapidar seine „kleine Behinderung,“ die ihn dazu gezwungen hat, mit links besser kicken zu lernen als andere Leute mit beiden Beinen zusammen treten können.
Nur zweimal will er mit rechts gekickt haben. Einmal bei seinem großen Abschiedskampf 1981 gegen seinen Landsmann Robert Biggs, der in den USA live im TV übertragen wurde, und bei einem Film, den er mit Jackie Chan in Hong Kong gedreht hat.
Gegen den Rest der Welt
Wenn man es genau nimmt, hätte Wallace nie mit dem Karate beginnen dürfen, geschweige denn an Wettkämpfen im Vollkontakt teilnehmen dürfen. Die Ärzte rieten ihm dringend davon ab, denn neben der Tatsache, daß er mit rechts nicht kicken konnte und durfte, sollte er das verletzte Bein auch nicht als Standbein überstrapazieren. Dennoch faszinierte Bill die neu aufkommende Kampfsportart des Karate und ihre amerikanische Auslegung, das Sportkarate, bzw. Kontaktkarate, das wir heute als Pointfighting (Semikontakt) bzw. als Kickboxen (Vollkontakt) kennen.
Start in Berlin
Nach zahllosen Erfolgen im Semikontakt Ende der sechziger und Anfang der siebziger Jahre reiste Wallace 1974 zusammen mit den US-Top-Kämpfern Jeff Smith, Joe Lewis und Howard Jackson nach Europa, wo das „Dream-Team“ der ersten Stunde in der Berliner Deutschlandhalle zum ersten Mal mit einer Schutzausrüstung, dem „Safety Equipment“ von Jhoon Rhee, gegen die Champions der ersten Europameisterschaft im All-Style Karate von Georg F. Brückner antraten.
Ohne Gegentreffer
Vor den Augen von 8.000 begeisterten Zuschauern fegten sie Europas Spitzenfighter ohne einen einzigen Gegentreffer von der Kampffläche. Noch im selben Jahr organisierte der Amerikaner Mike Anderson in Long Beach, die ersten Weltmeisterschaften im Profi-Vollkontakt. Bill „Superfoot“ Wallace gewann das Mittelgewicht, das er bis zu seinem Rücktritt sieben Jahre später unbesiegt in 21 Kämpfen verteidigte. Erstmals hatte Wallace die Möglichkeit, seine Kicks dem begeisterten TV-Publikum zu zeigen. Die Zuschauer waren begeistert. Wallace wurde zur Ikone des Sportkarate. Ohne ihn hätte der Sport zu dieser Zeit sicher nicht das große Aufsehen erregt.
The one & only
Mit dem linken Bein schnell zu kicken, ist heute nichts besonderes, doch wenn man Wallace noch heute zusieht, erkennt man, warum er dafür bekannt wurde. Er ist nicht nur sehr schnell und erfahren. Er versteht es, seine Kicks mit kleinen drehenden Bewegungen aus dem Kniegelenk so einzusetzen, daß es einem vorkommt, als würden seine schnellen Angriffe aus drei unterschiedlichen Richtungen kommen, ohne daß man vorher erahnen kann, aus welcher der nächste Kick tatsächlich kommt.
Der beste Weg, Wallace näher kennenzulernen, ist, man besucht eines seiner Seminare. Gerne vertraut er einem seine intimsten Geheimnisse an: „Viel Pommes essen und Hamburger ohne Zutaten. Das schmiert die Hüftgelenke.“ Ja, richtig gehört: Wallace ist ein Liebhaber der einfachen amerikanischen Küche. Alles andere verschmäht der Witzbold, der stets für einen Scherz zu haben ist. Auch wenn ihn seine Freunde heute eher „Onkel Bill“ nennen als „Superfoot,“ Bill Wallace war, ist und bleibt eine herausragende Figur in der weiten Welt des Budosports.
Diese Reportage wurde in der Samurai Ausgabe 02/97 veröffentlicht anläßlich des 50. Geburtstages von Bill Wallace, dessen heutige Aktivitäten über seine Website www.superfoot.com beobachtet werden können. Fotos: Mandt Sport, Klaus Friedhaber, Klaus Voith.