Comeback von Peter Aerts

Peter Aerts kick Peter Aerts kickt zum Kopf von Andreas Sidon während des WMTA Titelkampfes in Holland
Peter Aerts kick
Peter Aerts kickt zum Kopf von Andreas Sidon während des WMTA Titelkampfes in Holland

Für Andreas Sidon aus Giessen erfüllte sich im Januar ein großer Traum: Er forderte den Champion um die Weltmeisterschaft im Thaiboxen heraus. Sein Gegner: Peter „Lumberjack“ Aerts. In der Höhle des Löwen, im holländischen Best kam es zum spannenden Showdown.

Es ist gerade mal zwei Jahre her, da wurde der Holländer Peter Aerts als der beste Thaiboxer unter den Schwergewichtlern gehandelt. Nach Welttitelgewinn und zweifachem Sieg beim prestigeträchtigen K-1 Grand Prix des millionenschweren Promoters Ishii in Japan endete der Höhenflug im Vorjahr. Er unterlag dem Südafrikaner Mike Bernardo zunächst unglücklich durch Disqualifikation, bei der dritten Niederlage ging er sogar schwer K.o. Dazu kam ein krankheitsbedingter Gewichtsverlust, der seine Leistungsfähigkeit stark beeinträchtigte. Eine Pause stand an. Die letzte K-1 Gala (Herkules) ging ohne die Teilnahme des „Holzfällers“, bzw. „Lumberjacks“, wie ihn seine Fans nennen, über die Bühne.

Andreas Sidon mit Trainer Klaus Waschkewitz
Andreas Sidon mit Trainer Klaus Waschkewitz
Bas Rutten mit Wuestenberg von Eurosport
MMA Star Bas Rutten mit TV Kommentator Wuestenberg von Eurosport

WMTA Weltmeisterschaft
Im Februar feierte Aerts mit Meistercoach Thom Harinck in der Ecke das Comeback. In seiner Heimatstadt Best (nahe Eindhoven) stieg er ins Ringgeviert um seinen Weltmeisterschaftstitel der WMTA im Thaiboxen der Schwergewichtler zu verteidigen. Kurz vor ihm hatte bereits der Herausforderer Andreas Sidon aus Giessen den Ring zur Begleitung von fetziger Musik betreten.

Aerts high kick
roundhouse kick
Lowkick
Rechter Cross von Sidon

Sidon überrascht
Die Spannung erreichte zwar nie die Knistergrenze, doch bereits in den ersten drei von insgesamt 15 Kampfminuten zeigte sich, daß Sidon eine für viele unerwartet gute Figur bot. Der 33-jährige Giessener war nicht zum Verlieren gekommen und so konnte er sein Körpergewicht und seine guten Boxtechniken einbringen, um den Holländer von einem gemütlichen Gefecht abzuhalten.
Sobald Aerts nach ein oder zwei Lowkicks näher kam, fing er sich entweder einen Boxhieb von Sidon ein oder er mußte es sich gefallen lassen, von ihm im Clinch gefangen zu werden, wo er gegen den Deutschen nicht viel ausrichten konnte. Einen deutlichen Vorsprung konnte sich der Holländer erst ab der dritten Runde verschaffen, als er Sidon mit harten Lowkicks das Stehen auf den Beinen erschwerte. Die Kombinationen, mit denen der Champion nach Treffern durch seine Lowkicks früher viele Kämpfe entschied, blieben gegen diesen, boxerisch erfahrenen Herausforderer wirkungslos.

Highkick
In den späten Runden überrascht Peter Aerts mit seinen gekonnten und harten Highkicks

Erfahrung im Boxen
Sidon verfügt über zahlreiche Kämpfe im Amateurboxen, zum Teil hat er diese in der Bundesliga gegen Weltklassefighter wie z.B. Luan Krasniqui gesammelt. Erst eine Woche vor dem WM-Kampf hat er für den CSC Frankfurt gegen den bekannten und gefürchteten Russen Mamedev gewonnen. Um die boxerischen Fähigkeiten wußte Aerts natürlich – auch ohne daß er der übertrieben und falschen Ankündigung von Eurosportansager und Ringsprecher Wuestenberg, der Sidon gleich als einen in 200 Kämpfen ungeschlagenen Boxchampion angekündigte hatte, Glauben schenkte. In Runde vier und fünf konzentrierte Aerts sich auf seine beste Waffe, mit der er einen guten Boxer schlagen kann: Er attackierte Sidon mit harten Lowkicks. Man kann schlecht boxen, wenn man auf wackligen Beinen steht, wird er sich gedacht haben, und so entschloß sich der Herausforderer, den Rückwärtsgang einzulegen, um den Angriffen des Champions zu entgehen so gut er konnte. Und er konnte, doch mehr war an diesem Abend nicht drin. Seine Konter kamen nicht mehr und es wurde mit Fortschreiten des Kampfes einseitig. Nach Ende der Meisterschaftsdistanz stand die Entscheidung der Punktrichter fest. Alle drei kamen zum gleichen Urteil: Punktsieger und weiterhin Weltmeister im Schwergewicht im Muay Thai: Peter Aerts.
„Jedesmal wenn ich in auf der richtigen Distanz hatte, kam er mir entgegen,“ erklärte Aerts nach dem Fight das Fehlen von Wirkungstreffern. Besonders enttäuscht über das Ausbleiben eines K.o.-Sieges schien er nicht zu sein. Sein Coach Harrinck hatte ihm bereits in der Pause zur dritten Runde geflüstert, daß es nicht sein Timing sondern Sidons Kampfstil sei, der ihm das Leben im Ring schwer machte: „… der weiß, wie man boxt,“ beruhigte er seinen Schützling, der mit seinem eigenen Timing ins Hadern gekommen war.
Wichtiger als der ausgekämpfte Titel waren bei diesem Fight zwei Aspekte. Für Sidon war es eine Möglichkeit, einen guten Kampf gegen einen Weltklassemann abzuliefern um sich somit für die Teilnahme am K-1 Turnier in Japan zu empfehlen. Sein großartiger Fight gegen den Kroaten Philipovic, besser bekannt als „Mirko Tigar“, reichte als einzige Visitenkarte dazu bislang nicht aus. Mit den Aerts-Kampf im Rücken könnte es vielleicht klappen.

Punktsieg
Punktsieger und Muay Thai Weltmeister: Peter Aerts (mit Coach Thom Harrinck)

Alle Wege führen zum K-1
Für Aerts war es weniger eine große Herausforderung als eine Standortbestimmung für die Auseinandersetzung mit dem Schweizer Andy Hug, gegen den er Ende März in Nagoya antreten soll. Fest steht, daß Aerts seine Form deutlich steigern muß, um gegen den eidgenössischen Publikumsliebling zu gewinnen. Hug ist in Japan zur Zeit „der Mann“. Um ihn zu schlagen, bedarf es einer herausragenden Leistung, für die Aerts nach aktuellem Stand noch einiges zulegen muß.

„Dein Sohn ist super gut,“
beglückwünschte Sidon nach dem letzten Rundengong den Vater von Peter Aerts. Das wußte der natürlich schon vorher, doch Erleichtert über das erfolgreiche Comeback seines Sohnes zeigte er sich allemal. Eine ganz besondere Erleichterung dürfte er jedoch über das Ende der gelungenen und mit 1.500 Zuschauern ausverkauften Veranstaltung verspürt haben, die er seinem Sohn zuliebe in seiner Heimatstadt organisiert hatte. Eines steht fest: Wenn es noch mehr Thai- und Kickboxer geben würde, die so ein eifriges Organisationstalent zum Vater hätten, würde es viele Galaveranstaltungen mehr geben.

Samurai Karate Budo Magazin
Samurai Magazin 02/1997

Diese Reportage wurde in der Samurai Ausgabe 02/97 veröffentlicht. Herzlichen Dank für die Einladung durch den Vater von Peter Aerts, der uns unter Vermittlung von Hubert Numrich unterstützte (unabhängige Journalisten waren bei Veranstaltungen in Holland nicht immer willkommen). Andreas Sidon ist weiterhin als Berufsboxer aktiv: seine Boxkampf Statistik, während Peter Aerts im Ruhestand weilt..

Szenen aus einem Rahmenkampf:
Muay Thai Holland
Muay Thai NL
Muay Thai Holland
Muay Thai Holland