Lorenzo Lamas – Stets ohne Double

Lorenzo Lamas mit Shihan Miki

Lorenzo Lamas mit Shihan Miki

Wenn Lorenzo Lamas in der Fernsehserie “Renegade” die fiesen Kerle zur Strecke bringt, braucht er dafür kein Double. Lamas übt sich seit 1979 in verschiedenen Kampfsportarten. Wenn Lamas im Fernsehen seine Gegner regelmäßig mit Kicks oder Hebeln schachmatt setzt, kann man ganz sicher sein, daß er es wirklich selbst ist. Für diesen bekannten Schauspieler stellen die Kampfkünste mehr dar als nur ein Mittel zum Zweck – um eine Kampfsportszene zu verkaufen. Für ihn sind sie eine Lebensphilosophie.


Lorenzo Lamas ist der gutaussehende, langhaarige Typ, der auf seiner Harley auf den Video-Highways unterwegs ist, um als Reno Raines in der beliebten Serie “Renegade” (Pro 7, Donnerstag abend) schrägen Typen das Handwerk zu legen. In den 60-minütigen Folgen läßt er Frauenherzen höher schlagen, wenn er durch schnelle Bewegungen seine schulterlangen Haare fliegen läßt und die fiesen Kerle mit einer prompten Drehung seines Handgelenks und ein oder zwei phantastischen Kicks außer Gefecht setzt. “Es war meine Idee, in `Renegade’ Kampfsportszenen einzubauen, und somit der Figur mehr Gestalt zu geben,” erklärt Lamas. “Im Skript heißt es lediglich:`Reno kämpft gegen drei Leute,’ aber es wird nicht weiter auf Details eingegangen. Es wurde mir Überlassen, den Kampfstil zu wählen, den ich wollte. Lamas begann 1979 in einem der Studios, die früher von Chuck Norris geleitet wurden, mit dem Kampfsport-Training, wo er sieben Jahre lang Tae Kwon Do bei Jun Chong lernte. Mit dem Wunsch, sein Wissen zu erweitern, kam er 1990 zu Budo Jujitsu. “Dieses System wurde von Al Thomas entwickelt. Es verbindet viele Jujitsu-Techniken mit Judo und einigen Karate-Grundtechniken,” sagt Lamas. “Ich trainierte drei Jahre lang privat mit Al und erreichte einen Dangrad in seinem System. Und es gelang mir, aus der Verbindung von Tae Kwon Do und Budo Jujitsu einmalige Kombinationen zu entwickeln.

Shihan
Shihan Miki ist der Lehrmeister Lorenzos in Sachen Schwertkampf.

Eine Mischung aus Lang- und Kurzdistanz-Techniken
“Tae Kwon Do bildete für mich eine wirklich gute Grundlage im bezug auf Tritte und optimale Straßenkampf-Techniken. Im Budo Jujitsu wird viel auf sehr enger Distanz gekämpft, was ja im Tae Kwon Do nicht gemacht wird. So kam es dann, daß ich, als ich mit “Renegade” begann, und anfing, ein für Filme geeignetes System zu entwickeln, viele spektakuläre Tritt-Techniken aus dem Tae Kwon Do und gleichzeitig Elemente aus dem Nahkampf des Jujitsu Übernahm. Jeder fragt mich nach meinem Stil, aber es ist wirklich eine Kombination aus beidem.” Als Schauspieler hat Lamas gelernt, sein eigenes Ich mit dem des Charakters verschmelzen zu lassen, den er gerade darstellt. Diese Vermischung der Persönlichkeiten ist ein schwieriger Balanceakt, der jedoch, richtig ausgeführt, eine Figur wie Reno aus “Renegade” erschaffen kann, der ein fiktionaler Charakter ist, der die Züge des reellen Schauspielers trägt. “Ich bin sicher kein Ausreißer auf der Flucht vor einem Verbrechen, das er gar nicht begangen hat, aber manchmal können sich Wirklichkeit und Fiktion vermischen,” erläutert Lamas. “Ich liebe Motorräder, ich liebe Kampfkunst, und das sind Züge, die ich meiner Figur einverleibt habe.


Woche für Woche dieselbe Rolle
“Wenn man jahrelang, Woche für Woche, die ganze Zeit nur eine Rolle zu spielen hat, sehe ich in meinem Fall, daß ich dazu neige, die Rolle so zu spielen, wie ich mich selbst verhalten würde. Ich bin der festen Überzeugung, daß es die Pflicht eines Schauspielers ist, dem Publikum die Wahrheit zu erzählen, ein Stück Dialog zu nehmen und es zu verinnerlichen, so daß das, was er sagt auch wahr klingt. “Wenn man so lange in einer Serie mitwirkt wie ich in `Renegade’, kann man es gar nicht verhindern, ein kleines Stück deiner eigenen Persönlichkeit mit einzubringen. Gott sei Dank, daß Reno eine rechtschaffene Persönlichkeit und kein Drogendealer. Reno ist ein hauptsächlich positiver Charakter, so daß ich keine Probleme habe, dies mit ihm zu teilen.”

Charakterzüge sind der Kampfkunst entnommen
Die Züge, die Lamas Persönlichkeit ausmachen, haben ihre Wurzeln fest in den Kampfkünsten verankert. Denn, wie Reno, ist Lamas ein Mensch, der konzentriert bleibt und sich unter Kontrolle hat. Lamas schreibt viel von Ausgeglichenheit seines Charakters den Kampfkünsten zu.

Schwert Training

 

Lernprozeß seit dem weißen Gürtel
Für Lamas hat der Lern- und Reifungsprozeß, der als Weißgurt begann, ihm den Weg in eine höhere Verstehensebene gewiesen. Bei den meisten Kampfkünstlern, die eine der Disziplinen Über einen längeren Zeitraum trainiert haben, verdrängt die Harmonie des Geistes, des Körpers und der Seele die Kampftechniken und erlaubt so dem Ausübenden, in hohem Maße vom “do” oder “Weg” des Karate-Do zu profitieren.

Neue Art des Denkens
“Was ich durch die Kampfkünste – Über die reine Schulung von Techniken und körperlichen Kampf-Fertigkeiten hinausgehend – gelernt habe, ist eine Art des Denkens, eine Art der Konzentration, die ich auch in meinem täglichen Leben Gebrauch mache,” sagt Lamas. “Als Schauspieler und als Rennfahrer ziehe ich noch immer Nutzen aus einer Konzentrationsübung, die ich vor 15 Jahren aus den Kampfkünsten heraus erlernt habe. Es wird zu einer Lebensphilosophie. Ich übernehme all die Betrachtungsweisen einer gewaltlosen Form der Selbstverteidigung in meine Lebensweise. Und ich habe vor, meinen Kindern die gleiche Denkweise beizubringen.”

Wissen um Zuschauer und der Gewaltaspekt
Lamas ist sich voll und ganz des Einflusses bewußt, den seine Rolle auf diejenigen hat, die sich die Serie ansehen. Aus diesem Grund verwendet er keine tödlichen Techniken in seinen Kampfszenen. “Ich neige dazu, in `Renegade’ sehr viel Jujitsu anzuwenden, weil es meiner Figur (Reno) erlaubt, viele seiner Widersacher zu überwältigen, ohne sie dabei schwer zu verletzen,” betont Lamas. Ich möchte Reno als einen Menschen darstellen, der die Kampfkünste nur als letzten Ausweg zum Einsatz kommen läßt. Er kämpft nur, wenn er in die Enge getrieben wird und keine andere Wahl hat, um sich zu verteidigen. Deshalb verwende ich die weicheren Bewegungen aus dem Jujitsu, wie Hebel, Würge- und Haltegriffe – und nicht die vernichtenden Stöße, die es im Tae Kwon Do gibt.” Einer der Gründe für den Erfolg von “Renegade” sind die wirklichkeitsnahen Kampfszenen. Viele Fans der Serie sind selbst Kampfsportler und sie lassen ihren Star unmittelbar wissen, wie sehr sie die Sorgfalt, mit der die Szenen entwickelt wurden, zu schätzen wissen. “Viele der Fans, die sich “Renegade” ansehen, haben schon mal Kampfsport gemacht,” so Lamas. “Ich bekomme oft Post von Leuten, die mir schreiben, daß sie es wirklich genießen, einen richtigen Kampfkünstler seine eigenen Kampfszenen spielen zu sehen. Sie können genau sagen, wann auf dem Bildschirm ein Stuntman zu sehen ist und wann ein Double statt des richtigen Schauspielers.

Schwertkampf
Lorenzo Lamas beim Schwertkampftraining

“Solang wir die Kampfkünste in einer positiven Art und Weise präsentieren, die Szenen nicht kürzen und der Öffentlichkeit keine schlampige Arbeit bieten, erweisen wir der Kamfpkunst-Gemeinschaft einen großen Dienst. Ich hasse es, wenn ich jemanden sehe, der versucht, eine Technik hinzukriegen und sie nicht richtig macht. Dann würde ich schon lieber einen Stuntman, der in den Kampfkünsten unterrichtet wurde und der die Techniken gut zeigt, anstelle eines normalen Schauspielers sehen. Deshalb bin ich auch hier, um mit Shihan Miki zu trainieren.

Traditionelles Schwerttraining
Um seinen Fähigkeiten in den Kampfkünsten noch einen letzten Schliff zu verpassen, trainiert Lamas unter dem wachsamen Auge des Shihan (Meister) Minobu Miki vom Sport-Center in Point Loma, California, der einer der respektiertesten Lehrer im Westen Amerikas ist. “Man riet mir, mit Shinan Miki zu trainieren, um von ihm zu lernen, wie man mit einem Schwert umgeht. Es ging dabei um einen Film, der `Midnight Man’ heißt,” erklärt Lamas. “Das ist ein Actionfilm, der in diesen Sommer (‘95) als Video erschienen ist. Über ein Jahr lang trainierte ich mit Shinan Miki, um mir die Techniken einzuprägen. Als ich aufhörte für den Film zu trainieren, stellte ich fest, daß diese Art des Trainings ein sehr guter war, um zu den Grundlagen des traditionellen japanischen Karates zu gelangen.” Den “Weg des Schwertes” zu erlernen, war keine leichte Aufgabe. Trotzdem schienen Lamas die schwierigen Bewegungsabläufe leicht von der Hand zu gehen. “Er (Lamas) ist ein sehr guter Schüler,” sagt Shihan Miki. “Er lernt sehr schnell. Er arbeitet sehr hart an sich und ist sehr konzentriert.” Mehrere Stunden lang arbeitete der Karate- und Kobudomeister und Budo-Schauspieler daran, das Samurai-Schwert sauber aus seiner Scheide zu ziehen. Als das dann perfektioniert war, verbrachte er eine weitere Stunde damit, imaginäre Gegner mit der Klinge zu treffen und zu blocken. Zusammen Übten sie bis die Bewegungen so fließend waren wie Wasser. “Hier in Shihan Mikis Dojo wird das traditionellste Karate ausgeübt, das ich jemals gesehen habe,” gibt Lamas zu. “Das ist der Grund, weshalb ich noch hier bin und weshalb ich immer wieder zurück komme. Denn es ist immer wichtig, sich der Wurzeln zu erinnern, aus denen sich alle Kampfkünste entwickelt haben, und genau hier, im Japan Sports Center, kann man diese Wurzeln finden.” Neuerdings wird in Kanada ein neuer Film mit Lamas gedreht, der den Titel “Die Maske des Todes” (“Mask of Death”) trägt. Der talentierte Schauspieler wird eine Doppelrolle spielen: einen Polizisten und einen Drogen-Boß. Da in seinem neuen Film viele Verfolgungsjagden und Schußwechsel-Szenen zu sehen sein werden, gibt es dieses Mal nicht so viele Kampfkunst-Szenen. “Es wird einige Kampfsequenzen geben”, versichert er, “aber nicht viel Karate. Ich möchte nicht immer nur Kampfkunst zeigen. Manchmal kann es auch Spaß machen, einfach einen Stuhl zu nehmen und ihn jemandem Über den Kopf zu hauen. Aber ich werde die Stelle mit Kiai (Kampfschrei) versehen.” Was sein Karate-Training betrifft, so wird er, sobald der Film fertig ist, zurück im Dojo sein, weil Karate für Lamas mehr ist als ein Weg, eine Kampfszene in einem Film zu verkaufen. Für diesen berühmten Schwarzgurt ist es eine Lebensphilosophie. “Wenn man nicht übt und trainiert, scheint alles darunter zu leiden,” meint er abschließend. “Ich kann beim Kampfsport-Training sehr gut zu mir selbst zurückfinden.”

Renegade im Dojo: Lorenzo Lamas

Herb Perez
Kick 02/96 Herb Perez

 

Diese wunderbare Reportage erschien in Ausgabe 02/1996. Verfasst von: von Terry Wilson. Über den Autor: Terry Wilson ist ein mit dem Emmy ausgezeichneter Fernsehproduzent, langjähriger Danträger und Schriftsteller, mit Wohnsitz in San Diego, Kalifornien.

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