Zur Kriegerin geboren
Diana Lee Inosanto, Tochter des legendären Jeet Kune Do Meisters und Bruce-Lee-Vertrauten Dan Inosanto, wuchs von Kindheit an mit Budosport auf. Mit ihrem Können meisterte sie ungeahnte Schwierigkeiten in ihrem Leben.
von Tom Callos
„Als ich sieben Jahre alt war, spielte Brandon Lee mir einen Streich. Er wollte, daß ich eine Viertel-Dollar-Münze vom Kinn bis zu meiner Stirn bei geschlossenen Augen rolle. Er sagte, damit würde ich meine Koordinationsgabe beweisen.“ Wenn Brandon es konnte, wollte ich es auch tun. „Ich schloß meine Augen, rollte den Quarter über meine Lippen und über die Nase. Als ich den Haaransatz erreichte öffnete ich meine Augen. Brandon lachte, er lachte so laut, daß er sich nicht mehr einkriegen konnte. Er hatte den Rand der Münze mit Tinte eingefärbt. Ich lief rot an, bis auf den schwarzen Streifen, der mein Gesicht von unten nach oben durchzog. Ich begann zu weinen und lief zu meinem Vater, der mir sagte, daß Onkel Bruce ihn auch einmal auf diese Art angemalt hatte.“
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Wenn Diana Lee Inosanto über ihren lieben Onkel Bruce spricht, meint sie damit Bruce Lee. „Ich wußte gar nicht, daß Onkel Bruce berühmt war, bis mein Vater mich zu „The Chinese Connection“ mit ins Kino nahm.“ Damals begriff ich sofort, warum die Leute immer über unseren Zaun schauten, wenn er und mein Vater in unserem Garten trainierten.“ Diana ist die Tochter der amerikanisch-philippinischen Kampfkunstlegende Dan Inosanto. Dan war der beste Freund, wertvoller Schüler und Trainingspartner von Bruce Lee. Ihr Vater sagt dazu: „Bruce Lee zeigte mit die Wahrheit und das Leben.“
„Mein Vater hat soviel Zeit im Anwesen der Lees verbracht, daß man ihn damit aufzog, ob er nicht gleich dort einziehen sollte,“ erinnert sich Diana an ihr Kindheit. Die Lees und Inosantos waren wie eine große Familie. Die Inosantos gaben ihrem ersten Kind, Tochter Diana Lee als zweiten Vornamen den ihres großen Wegbegleiters.
„Ich war gerade sieben Jahre alt, als Onkel Bruce verstarb. Dennoch habe ich viele lebhafte Erinnerungen an ihn. Er war die Verkörperung von Energie und Fokus. Auch sein Sohn Brandon war eine wunderbare und dynamische Person,“ erinnert sich Diana an den Sohn ihres Onkels, der 1993 während der Dreharbeiten zu „The Crow“ nach einem irrtümlich gelösten Schuß ums Leben gekommen ist. „Es tut mir im Herzen weh, wenn ich sehe, daß sie uns schon so früh verlassen haben.“
Dynamit kommt in
kleinen Packungen
Mit einer Größe von 1,70 m und knapp 50 Kilo ist Diana keine bedrohliche Erscheinung. Sie ist zierlich und bildhübsch. Man meint sie wäre das Covergirl des Vogue-Magazins. Ihr dunkles Haar fängt das Licht und bündelt es in ihrem Gesicht. Ihre Augen sind perfekt, mandelförmig und braunfarben. Mit ihren hochgezogenen modelltypischen Backenknochen, klassischem Kinn und vollen Lippen sieht sie eher aus wie eine Schönheit aus der neuen Werbung von Chanel. Man kann sie sich kaum als eine Kampfsportlerin vorstellen, die ein sechzig Zentimeter langes Messer zu bewegen versteht. Die Schönheit täuscht. Sie ist wie ihr Vater aktiv in der philippinischen Kampfsportart Kali, die mit leeren Händen sowie mit Stöcken und Klingenwaffen betrieben wird. Es ist ein knifflige Kunst, die ein exaktes, auf den Sekundenbruchteil genaues Timing erfordert.
Sie zeigt, daß sie mit großen Messern umgehen kann und nicht nur das: Diana beherrscht viele andere Waffen, z.B einen über zwei Meter langen Stock, mit dem sie tödliche Stöße ausführen kann. Ihre Arme bewegen sich fließend, schnell wie eine Peitsche. „Beim Kali ändert man oft die Richtung, den Angriffswinkel – und das innerhalb von kurzen Augenblicken,“ erklärt sie ihre Bewegungen. In kurzen Augen- blicken? Wenn man sie sieht, begreift man, daß ein durchschnittlicher Angreifer kaum länger gegen dieses Kraftbündel bestehen würde.
Mit Sticks geboren
Wie jeder besorgte Vater hat Dan Inosanto dafür gesorgt, daß Diana die grundlegenden Fertigkeiten der Selbstverteidigung erlernte. Z.B. hat er ihr Kali, Penjak Silat und Thaiboxing beigebracht. Die Konzepte von Bruce Lees Jeet Kune Do hat er ihr ebenfalls beigebracht. „Ich wurde direkt in den Kampfsport hinein geboren. Mein Vater begann, mir Kali beizubringen sobald ich alt genug war, einen Stock in meinen Händen zu halten. Ich bekam ständig Unterricht – im Hinterhof, Wohnzimmer oder in der Küche. Sogar in Restaurants haben wir mit Messer und Gabel Sinawali (eine Kali-Stockkampf-Übung) exerziert. Die meiste Zeit war ich eine gute Schülerin. Die einzige Schwierigkeit bestand darin, wenn mein Vater mit mir trainieren wollte und ich einmal lieber mit meiner Barbie-Puppe spielen wollte.“
Eine schüchternes, kleines Mädchen
„Diana trainiert hart, sie ist eine gute Kampfsportlering,“ sagt der langjährige Familienfreund und Budomeister Fred Degerberg aus Chicago. „Sie wuchs auf als alle Leute aus dem Who is Who mit ihrem Vater trainierten. Ich kann mich gut an das schüchterne, kleine Mädchen erinnern, das mit ihrem Vater bei Seminaren auf die Bühne ging um Drills aus dem Kali zu demonstrieren. Niemand konnte es besser als sie.“
Heute ist sie nicht mehr so schüchtern. Diana trat in vielen TV-Shows, Filmen und Theateraufführungen auf. Sie arbeitete für die beliebte amerikanische TV-Serie „Moonlighting.“ Ursprünglich wurde sie nur für einen Tag engagiert. Als der Regisseur auf sie aufmerksam wurde, erhielt sie einen Job für alle Folgen. An der Seite von Bruce Willis und Cybil Shepard spielte sie über neun Monate eine Angestellte der Moonlight Detektei. Seither spielte sie in vielen Filmen, u.a. in „Demolition Man“ und „The Midnight Hour.“
„Es war nicht nur Glanz und Ruhm. Ich habe viel Lehrgeld bezahlt, aber das ist Teil des Weges, den man in Hollywood gehen muß. Neben den größeren Rollen mußte ich u.a. eine Taco-Bell Bedienung (Fastfood), ein Vampiropfer, ein Bandengirl spielen, sogar als Cheerleader mußte ich auftreten.“ Ihr Ehemann, Ron Balicki, arbeitet wie sie im Showbusiness. Er ist als Koor-dinator für Kampfszenen und waghalsige Stunts beschäftigt. Er war es, der Diana dazu brachte, ihre Filmaktivitäten auf Actionfilme und Stunts auszuweiten.
„Meine erste Kampfszene im Film hatte ich in `Barbwire`, dem großen Filmdebüt von Pamela Anderson.“ Seitdem hat sie eine steigende Nachfrage für ihr neuen Aktivitäten feststellen können. Natürlich strebt sie vor allem ernsthafte Rollen an, interessiert sich noch für das Drehbuchschreiben. Sie glaubt daran, daß amerikanisch-asiatische Mischlinge nur dann an gute Rollen kommen, wenn sie anfangen ihre eigenen Drehbücher zu schreiben.
Was ist das Beste ?
Mit ihrer langen Erfahrung vor Augen, will man natürlich wissen, welche Budosportart sie für die Beste hält. „Meine Wurzeln liegen in den philippinischen Systemen, aber mein Stil ist alles, was funktioniert. Für mich ist das Studium der Kampfkünste etwa so wie Musik für einen Künstler, der nach Gehör spielt. Wen er etwas hört, was ihm gefällt, nimmt er es auf. Wenn er es spielt wird es ein Teil von ihm. Ich glaube jeder sollte irgendeine Kampfkunst erlernen, ganz besonders Frauen. Ich persönlich mag Kali, aber jeder Stil und jede Kultur haben etwas Wertvolles. Im letzten Jahre habe ich das Pentjak Silat aus Indonesien erlernt. Unabhängig davon, welchen Stil man lernt, muß man im Auge behalten, daß es primär der eigenen Verteidigungen dienen muß. Wichtiger ist nur, daß es auch ein mentales und emotionales Schutztraining darstellt. Das Training soll Beharrlichkeit schulen um den Geist umbeugsam zu machen und einen starken Charakter auszubilden.“
Diana kennt aus erster Hand die charakterbildenden Aspekte der Kampfkunst. Erst neulich stand sie ihrer größten Herausforderungen gegenüber.
Kampf um Leben und Tot
Danach gefragt, ob sie ihre Kampfkunst jemals anwenden mußte, anwortet sie: „Ja, ich mußte.“ Während sie weiterspricht wird sie leiser und ihr Lachen verschwindet aus ihrem Gesicht. „Der größte Kampf meines Lebens begann, als ich herausfand, daß mein Sohn autistisch ist. Vor einigen Jahren, während der Scheidungsphase von ihrem ersten Mann, stellte sie an ihrem dreijährigen Sohn Sebastian fest, daß etwas nicht stimmte. Er konnte das Alphabet aufsagen, aber er wußte nicht, wie man nach einen Glas Wasser fragen sollte. Er konnte nicht mit anderen kommunizieren, selbst einfache Verständigung war nicht möglich. Diana konsultierte viele Ärzte bevor sie an die medizinische Fakultät der kalifornischen Universität, UCLA, verwiesen wurde, wo Sebastian für 45 Tage untersucht und beobachtet wurde. Die Diagnose schockte Diana: Ihr Sohn litt an Autismus.
Im Oskar-gekrönten Film „Rain Man“ spielte Dustin Hoffman einen Autisten. Obwohl seine Darbietung deutlich überzogen dargestellt wurde, zeigt sie deutlich das Verständigungsdefizit, mit dem autistische Menschen zu kämpfen haben. Oft sind solche Menschen überaus intelligent, doch die Nachrichten, die sie von anderen Menschen erhalten oder an sie weitergeben wollen, werden vom Gehirn in einer ungewöhnlich anderen Weise verarbeitet. 80 Prozent aller Autisten können nicht sprechen, 60 Prozent sind zurückgeblieben oder behindert. Es hat sich herausgestellt, daß Sebastian nicht unter den schlimmsten Auswirkungen der Krankheit leidet. An ihrer bewegten Stimme erkennt man, daß Diana sich klar daran erinnert. „Ich war am Boden zerstört. Die Hoffnungen und Träume für meinen Sohn schienen sich in Luft aufzulösen. Der Alptraum aller Eltern wurde für mich Wirklichkeit. Es war als wäre etwas in mir gestorben.“
„Das lange Kampfsporttraining war für mich die Rettung,“ erklärt Diana. „Ich habe die ganze Geduld und Selbstkontrolle gebraucht um mit Sebastian zu arbeiten. Dabei durfte ich nie aufgeben, ich mußte mich immer auf das Positive konzentrieren. Ich wußte, ich wurde auf die Probe gestellt, wobei ich nicht zusammenbrechen oder aufhören durfte. Über Autismus habe ich viel gelernt, Vorlesungen besucht und an Gruppensitzungen teilgenommen. Autisten haben ein großes, unentdecktes Potential. An der Universität UCLA gibt es zwei Professoren, die Autisten sind. Ich hatte mich schnell entschieden, daß ich alles unternehmen wollte, um Sebastians Potential und Talent zu fördern. Ich war bereit, die Herausforderung anzunehmen.“
„Obwohl sie zum Anfang am Boden zerstört war,“ erinnert sich ihre Mutter Sue Inosanto, „zeigte sie sich entschlossen, nicht aufzugeben. Jetzt sieht sie Sebastian als ein Geschenk. Sie hat durch ihn ihr Leben verändert. Nun sieht sie die Welt aus einer anderen Perspektive, das ist sehr wichtig. Sie hat Verantwortung gelernt. Es freut mich, zu sehen, daß sie ihren Optimismus, ihre Träume und Ziele wiedergewonnen hat.“
Herz einer Kriegerin
Diana Lee Inosanto wuchs inmitten der Budosportwelt auf, sie reifte praktisch mit der Kunst ihres Vaters. Als Kind war es für sie völlig normal, jetzt, als Erwachsene, erkennt sie, wie wichtig die Ausbildung für ihr Leben war. Sie erlernte eine Einstellung. mit der sie schwierigen Zeiten trotzen kann und die Weisheit erhält, sich der guten Zeiten zu erfreuen. Neben ihrem Aussehen, das an ein Topmodel erinnert, und ihrem warmen Lächeln zeichnet sie sich durch ihr Herz aus, das einer Martial Arts Kriegerin.
Der Beitrag erschien in der dritten Kung Fu Ausgabe 1997 als Cover Story. Er wurde von Tom Callos zur Verfuegung gestellt. Mehr ueber den Autor, der ein hoch-angesehener Amerikanischer Kampfsport Meister ist, erfahren sie hier:
www.tomcallos.com
Diana Lee Informationen stehen auf ihrer offiziellen Webseite zur Verfuegung:
www.dianaleeinosanto.com