WAKO Europacup 1995

Martin Kilgus Kämpfe auf Weltklasseniveau gab es im Semikontakt Kickboxen zu sehen (Archivfoto).

Durchaus kein Aprilscherz war der diesjährige WAKO-Europacup am 1. April in Mailand. Wie jedes Jahr war das Interesse groß und so war es nicht verwunderlich, daß außer Deutschland, das (leider) am selben Tag ein Qualifikationsturnier ansetzte, fast jede europäische Nation mit ihren Spitzenkämpfern vertreten war.

Martin Kilgus
Kämpfe auf Weltklasseniveau gab es im Semikontakt Kickboxen zu sehen (Archivfoto).

Es war zwar wieder das Semi- und Leichtkontakt-Kickboxen, das die meisten Teilnehmer verzeichnete, aber in der riesigen Multisporthalle wurden auf zwei Etagen weitere Wettkämpfe im Karate, Judo, Kung Fu, Tai-Chi und dem bei uns relativ unbekannten Sandan (eine Mischung aus Leichtkontakt-Kickboxen, Judo und Thai-Boxen mit Schutzausrüstung) abgehalten. Im Semikontakt bestand das Hauptstarterfeld vorwiegend aus Italiener(innen), was aber so manchen “Ausländer” nicht davon abhalten konnte, sich bis in die Medaillenränge vorzukämpfen.
Im Semikontakt der Damen gingen alle ersten Plätze an Italien, wobei bis auf die Klasse -65 kg, die wie schon so oft, mehrfache Europa- und Weltmeisterin Tiziana Zennaro dominierte, unbekannte Kämpferinnen auf dem Siegerpodest standen.
Bei den Herren ging ebenfalls kein erster Rang an einen “Ausländer”. Einzige Finalbegegnung mit einem außeritalienischen Teilnehmer war das Finale der Klasse +89 kg, wo sich der Österreicher Michael Kruckenhauser seinem “Angstgegner” der EM in Helsinki gegenübersah. Der Italiener Culiersi, der bei der EM das rechte Bein Kruckenhausers dermaßen attackierte, daß sich dieser einer Operation unterziehen mußte, hatte es auch dieses Mal wieder auf dieselbe Stelle abgesehen, um den Sieg vorzeitig zu erzwingen. Der Österreicher verstand es, den unfairen Angriffen auszuweichen und lieferte einen ausgeglichenen Fight, den der Italiener am Ende nur knapp mit zwei Punkten Vorsprung gewann.

Bruchtest
Spektakuläre Showeinlagen gab es in der Abendveranstaltung des Pasqua del Budo zu beobachten.

Weitere Klassensiege gingen an nicht weniger bekannte Leute, wie den amtierenden Europameister Marco Ferrarese und WAKO-PRO Weltmeister Markus Zadra. Die Leichtkontakt-Klassen waren ebenfalls ausnahmslos in italienischer Hand. Einziger Lichtblick war hier und da ein(e) Kämpfer(in) in Polen, der (die) die Reihen der Italiener durchbrach. Obwohl die zahlreichen ausländischen Teilnehmer sehr gute Leistungen zeigten, muß gesagt werden, daß der Siegeszug der Italiener nicht auf unfairen Kampfrichterentscheidungen oder Bevorteilung basiert, sondern die großartigen Leistungen und das Niveau, auf dem sich alle Kämpfer bewegten, so dichtgedrängt war, daß eine Favorisierung unmöglich war.
Am Abend ging die PASQUA DEL BUDO-Show über die Bühne. Ähnlich der Budo-Gala in Deutschland wurden verschiedene Kampfsportarten vorgestellt. Diese von Ennio Falsoni initiierte Veranstaltung ist eine Tournee, die die Akteure im Laufe von 10 Tagen in verschiedene italienische Städte führt. Dieser Abend in Mailand war die Hauptveranstaltung der Tour. Man versammelte Großmeister verschiedener Stile, sowie Sportler aus den Bereichen Gymnastik und Trampolinspringen, um ihr Können unter Beweis zu stellen. Leider muß man sagen, daß Herr Falsoni zum Leidwesen der Zuschauer versuchte, möglichst viel in die knapp 4 1/2 Stunden dauernde Gala zu stecken. So war es unvermeidlich, daß sich Karate und Kung-Fu bzw. Wushu, vorgeführt von verschiedenen Meistern, abwechselten, was so manchem Zuschauer schon frühzeitig ein Gähnen entlockte. Zwischendurch erhielt man Einblicke ins Taekwondo und Judo, eine wirkliche Abwechslung erfolgte nur selten. Vielleicht sah es Ennio Falsoni als Taktik, daß er die extra aus Amerika eingeflogenen Formen-Champions Rocky DiRico und Carmichael Simon erst zum Ende der Gala auftreten ließ, doch den Schwung und die Begeisterung, die diese beiden in der Halle auslösten, hätte der Gala vielleicht auch an so manch anderer Stelle gutgetan. Vor allem Carmichael Simon mit seinen unglaublichen Sprungkicks versetzte das Publikum in atemloses Staunen.
Der am Ende des Abends festgesetzte Kampf um den Weltmeisterschaftstitel der WAKO-PRO mit Lowkicks zwischen dem Australier Stan “The Man” Longinidis und einem “ausgesuchten” amerikanischen Gegner wurde nicht ausgekämpft, da der Amerikaner, wie so manch anderer angekündigte Star, nicht auftauchte. Was folgte, war ein leichter Schlagabtausch zwischen dem Australier und einem italienischen Ersatzgegner. Nach 3 Runden war diese schon als peinlich zu bewertende Vorstellung zu Ende, und das Publikum quittierte dies, in dem es Stan “The Man” gnadenlos auspfiff.
Als Fazit zu diesem Tag kann man sagen, daß der Europacup für sich selbst eine sehr gelungene Veranstaltung darstellte, nur auf die Abendveranstaltung hätte wahrscheinlich so mancher verzichten können.

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Dieser Beitrag erschien in der August Ausgabe 1995.
Text und Fotos:
Rüdiger Miller