Visitenkarte für das Thaiboxen
Hamburg entwickelt sich als neue Kick- und Thaiboxhochburg im Norden unserer Republik. Veranstalter Till Görres lud Ende März 1997 erneut deutsche und holländische Spitzenkämpfer zu einer Gala im noblen Curiohaus ein. Erneut ein volles Haus und spannende Kämpfe, eine Visitenkarte für den Sport, wie sie schöner nicht sein könnte.
Francois Lubbers vs. Mark Richardt
Dieser 5-Runden Kampf sollte als „Aufheizer“ gleichzeitig der spektakulärste Fight des Abends werden. Nach einer sehr starken ersten Runde, in der beide Kämpferdurch enorm harte Techniken beeindruckten, kam es in der zweiten Runde zu einem Niederschlag. Mark Richardt, der die Möglichkeit, seinen Gegner vorzeitig zu besiegen, nutzen wollte, lief folgenschwer in die Fäuste von Lubbers – er wurde angezählt. Hiervon merklich angeschlagen, rettete er sich durch geschicktes Ausweichen in die Pause.
Der sehr aufmerksame Ringrichter Dennis de Preter aus Holland mußte beide Kämpfer mehrfach ermahnen, keine Kniestößen anzuwenden. Dies hatte ab Runde drei keine Gültigkeit mehr. Der Kampf wurde zu einem wahren Schlagabtausch! Richardt kam aus seiner Ecke, als würde es jetzt erst losgehen und setzte Lubbers mit sehr guten Kombinationen permanent unter Druck. Lubbers hingegen hatte auf fast alles eine Antwort. Für das Publikum riß es von den Sitzen.
Die folgenden beiden Runden verliefen bei aller Fairneß ultrahart, anders kann man es nicht nennen. Bei jeder Aktion ging ein Aufschrei durch die Halle, „Au Backe, war das hart“. Es war ein Wunder, daß es nicht mehr Niederschläge gab, die beiden steckten weg, unglaublich. Am Ende hatte Richardt die Nase verdient vorn. Beide Kämpfer lieferten eine 1OO%ige Leistung; eine lukrative Zukunft im Ringgeviert dürfte ihnen sicher sein.
Sivio Zimmermann vs. Frank Otto
Zimmermann von Meng Ho Breda, erfuhr erst einen Tag vorher von seinem Glück, gegen Frank Otto antreten zu können, da dieser eigentlich einen Europatitelfight im Kickboxen gegen Romanus Mackevizius aus Litauen bestreiten sollte. Der sportlichen Einstellung des Holländers verdanken es die Veranstalter, daß Otto vor heimischem Publikum kämpfen konnte.
Dem Hamburger sah man deutlich an, daß er für einen Titelfight bis 79,5 kg trainiert war und diesen Kampf trotz klaren Untergewichts nicht verlieren wollte. Zimmermann hingegen war mit 85 kg auch nicht zum Spaß angetreten und versuchte Otto mit sehr harten Einzeltechniken zu beeindrucken. Otto wich aber jedem Schlagabtausch durch gestochene Führ- und Schlaghände aus und vermied fast jedes Clinchen. Die ersten drei Runden konnte Zimmermann durchaus mithalten, hatte aber schon zu diesem Zeitpunkt einen Punktrückstand, welchen Otto durch harte, saubere Techniken in den folgenden Runden deutliche ausbaute. Otto gewann am Ende klar nach Punkten und hatte einen technisch-taktischen sehr guten Kampf geliefert. Zimmermann gilt der Dank für eine sauber Leistung und sein sportives Denken.
Dany Knoch vs. Matthias Godenrath
In diesem, auf hohem Niveau geführten Hamburger-Duell, trafen zwei sehr gute Techniker aufeinander. Knoch bestach in den ersten Runden durch harte und präzise Einzeltechniken, mit denen er Godenrat sogar einmal anknocken konnte. Dieser wiederrum konnte durch seine hohe Schlagfrequenz und sehr guter Kondition den Kampf jederzeit ausgeglichen gestalten. Die Punktrichter kamen am Ende zu einem knappen Punktsieg für Knoch. Beide Kämpfer konnten sich zum Schluß, ob einer sehr guten Leistung, fast gleichermaßen freuen.
Big Mo vs. Jan Schultze
Das Superschwergewicht bürgt oft große Erwartungen in sich, die oftmals nicht ausreichend befriedigt werden. Nicht so in diesem Kampf. Der als sehr schlagstark geltende Mo aus Holland hatte von Beginn an große Schwierigkeiten mit der Schnelligkeit und Kompaktheit seines um 10 kg leichteren Gegenüber Schultze zurecht zu kommen. Schulze, der als Amateurboxer Erfolge feierte, setzte Mo von Anfang an unter Druck. Sehr gut vorbereitete Kombinationen wie auch schnelle Konter ließen den Gegner schlecht aussehen. Trotz einer Grippe in der Vorwoche zur Veranstaltung konnte Schultze auch konditionell die Akzente setzen. Er siegte am Ende deutlich nach Punkten über Big Mo, welcher auch erst 10 Tage vorher von diesem Kampf erfuhr.
Faizel Reding vs. Marco Stünkel
Nachdem beide Sportler unter tosendem Applaus in die brechendvolle Halle einliefen und die Nationalhymnen abgespielt wurden, konnte es nach dem begeisternden Vorprogramm endlich losgehen! Der Europatitel im Thaiboxen bis 76,26 kg über eine Distanz von 5 Runden zu 3 Minuten stand auf dem Spiel! In den ersten beiden Runden zeigten beide Sportler großen Respekt voreinander, sie tasteten sich erst einmal vorsichtig ab. Doch gleich die ersten Aktionen der Runde drei zeigten, daß Stünkel den Titel um jeden Preis nach Hamburg holen wollte. Der Holländer Reding versuchte immer wieder Stünkel mit sehr harten Einzeltechniken unter Druck zu setzen. Dieser konnte jedoch geschickt ausweichen und sehr präzise Konter anbringen. Stünkels Selbstbewußtsein stieg. Ab Runde vier kam Stünkel immer wieder mit harten Knien zum Körper von Reding durch die ihn offenbar schwer beeindruckten, sodaß sich dieser faire Sportsmann sogar zu einem unerlaubten Nachtreten hinreißen ließ, nach dem Ringrichter Dennis De Preter den Kampf unterbrochen hatte. In Runde fünf sollte Stünkel, der sonst alle Anweisungen von Trainer Görres und Sannek genau umsetzte, den klaren Punktvorsprung eigentlich nur noch halten, doch jetzt zeigte er dem Publikum, was Thaiboxen wirklich ist: Ihm gelangen weitere deutliche Treffer mit Faust und Knie. Das sehr faire Publikum feierte mit einer mehrminütigen stehenden Ovation den neuen Europameister, der den sehr starken Reding überraschend deutlich zu beherrschen wußte.
Fazit
1.200 Zuschauer im ausverkauften Curio Haus, 33 akkreditierte Journalisten, überdurchschnittlich viele spannende Kämpfe, fachkundiges und begeisterungsfähiges Publikum, ein Europatitel der nach Deutschland ging. Was will man mehr? Ist doch klar: Eine TV-Übertragung! Bei einigen Sendern werden Billard- und Boxfans mit drittklassigen Beiträgen überhäuft und gelangweilt. Die bekannten Thai- und Kickbox-Promoter in Europa sind bereit für die Vermarktung erstklassigen Sports.
Diese Reportage erschien in der Samurai Ausgabe 03 / 1997.