Veor einiger Zeit trafen sich der Geschäftsführer der IPTA, Wolfgang Gier, und Thom Harinck in Amsterdam. Bei Gesprächen über eine Zusammenabeit auf deutscher und internationaler Ebene kam man zu dem Entschluß, eine neue Basis zu schaffen. Die Feuerprobe dieser Zusammenarbeit sollte die Thai-Kick-Box Gala am 2. Oktober 1994 in der Wandsbeker Sporthalle in Hamburg werden.

Der erfolgverwöhnte Hamburger Promoter Wolfgang Gier mußte bei dieser Gala auf die ausverkauften Ränge verzichten. Der Zuspruch des Publikums war nur mittelmäßig, obwohl die Besetzung der Kämpfe erstklassig war. Vielleicht war der Termin ungünstig für Hamburger Verhältnisse oder das Werbebudget zu knapp bemessen.
Zwei WM-Kämpfe: Auf dem Programm standen neben den Rahmenkämpfen zwei Weltmeisterschaften im Kick-Boxen und Muay-Thai. Die neugegründete WKO, eine Absplitterung von WKA und WKC, ein Verband, der noch unbekannt und bedeutungslos ist, hatte ihren WM-Titel im Leichtschwergewicht zu vergeben. Und die IPTA, das Pendant im Muay-Thai, wollte einen neuen Weltmeister im Superleichtgewicht küren.

Deutsche Meisterschaft der Damen: Im Rahmenprogramm ging es noch um die DM der Frauen im Superfedergewicht Muay-Thai. Die 28- jährige Hamburger Titelverteidigerin Angela Glissmann aus der Kwan-Yu Sportschule trat in einem Fünf-Rundenkampf gegen die 19- jährige Christina Jao aus Duisburg an. Angela Glissmann ging eindeutig aggressiver in den Kampf als ihre jüngere Kontrahentin. Der Duisburgerin gelang es jedoch oft. die teilweise unge-stümen Aktionen Glissmanns mit Sidekicks zu stoppen. Im Infight war die Titelhalterin klar überlegen, Jao hatte nicht viel entgegenzusetzen. So konnte die Hamburger Kämpferin ihren Titel erneut verteidigen.
Phantastischer Fight: Ein weiterer Kämpfer von Dr. Jao aus Duisburg hatte an diesem Abend eine große Aufgabe zu bewältigen: Im Mittelgewicht sollte Oktai gegen den in Hamburg lebenden Thailänder Sanchai antreten. Der Kampfrekord der beiden Kontrahenten, Oktai – 15 Kämpfe, 10 Siege, Sanchai 95 Kämpfe, 80 Siege. Entsprechend ehrfürchtig ging der junge Oktai aus Duisburg in den Fight. Aber er lieferte dem ausgeschlafenen Thai eine harte Partie und nutzte jede Gelegenheit. Sanchai an seinen Schwachstellen zu erwischen. Insgesamt eine respektable Leistung von Oktai, der jedoch nach Punkten verlor.
WKO-Weltmeisterschaft: Bruce Özbeck, der 29-jährige Türke aus der Sportschule Kwan-Yu in Hamburg. Özbeck wird von Wolfgang Gier trainiert. Er hielt vor einigen Jahren den KICK-Europatitel. Insgesamt hat er eine Bilanz von 3S Kämpfen mit 30 Siegen. Sein Gegner soll-te der Belgier Luc Verheilen sein, der jedoch nach Angaben der Veranstalter verletzungsbedingt absagen mußte.

Als Ersatzmann sprang Thai-und Kickbox-Weltmeister Andre Masseur aus Holland ein. Der Kampfrekord des 23-jährigen Superfighters aus Breda weist in 86 Kämpfen 66 Siege aus, davon 23 KO’s. Masseur hatte bereits vier Mal in Hamburg gekämpft. Sein aggressiver Kampfstil ist beim Publikum gerne gesehen. Nach dem obligatorischen Abspielen der Nationalhymnen gab der Ringrichter die erste Runde des WM-Fights frei. Der Kampf war laut Reglement auf 12 Runden angesetzt, und so tasteten sich beide Kämpfer anfänglich nur ab. Es passierte kaum etwas. Dasselbe Bild bot sich in Runde zwei, drei und vier. Özbeck schien sich seiner Sache sicher und der „Fullcontact WM-Kampf‘ sah eher aus wie ein Semikontakt Sparring. Özbeck demonstrierte dem Publikum seine Fähigkeiten: hohe Tritte und Doppelkicks. Das ganze ähnelte einer lockeren Show von Bill Wallace, Ralf Kunzler oder Andreas Lindemann. Es hatte mit hartem Kampf nichts zu tun. Verwunderlich war, Masseur, der knallharte Thaibox-Crack, spielte das Spiel mit, obwohl die gefährlichen Aktionen von Özbeck ganz einfach zu kontern gewesen wären.

Ominöser Abbruch: Der Kampf wurde in der siebten Runde abgebrochen, nachdem Masseur angab, er habe sich den Arm ausgekugelt. Auf Anfrage beim Ringarzt, ob dies den Tatsachen entspräche, bekam man folgende Antwort: „Ja, der Kämpfer hat gesagt, der Arm wäre ausgekugelt.“ Bruce Özbeck wurde zum Sieger erklärt und damit zum Weltmeister der WKO gekürt Ein wertloser Titel, denn die WKO ist bislang bedeutungslos und die Umstände des Kampfes waren äußerst umstritten.

IPTA Weltmeisterschaft Muay Thai:
Chainoy Saknarin lebt seit 1991 in Deutschland und trainiert in Bruchköbel mit Magonjuk im Sayam-Gym. Chainoy hat schon gegen viele große Namen in Europa gekämpft und gewann schon zwei Mal gegen Ramon Dekker. Er ist amtierender Weltmeister der IPTA und sein Kampfrekord ist: 109 Kämpfe, 104 Siege. Seinen Gegenüber, Gilbert Ballentine aus Amsterdam, vorzustellen, ist kaum notwendig, aber dennoch: Der Schützling von Thom Harinck ist amtierender Weltmeister im Muay Thai der WMTA und ebenso im Kick-Boxen der IKBF. Sein Rekord: 53 Kämpfe mit 40 Siegen.
Der Kampf begann furios Beide Kämpfer, jeder ein echter Profi, machten Druck und versuchten von Anfang an. Schwachstellen beim Gegner zu suchen. Es folgte einer der besten Muay Thai Kämpfe. die Deutschland je gesehen hat. Alle Facetten dieser knallharten Sportart aus Thailand waren in diesem Match vertreten. Auf jede Aktion des einen folgte sofort eine brillante Reaktion des anderen Fighters. Alle fünf Runden dieses Titelkampfes gaben dem Publikum eine 100-prozentige Entschädigung für den vorangegangenen blamablen WM-Fight. Aufgrund der größeren Schlagkraft lag Gilbert „The Bullterrier“ Ballentine am Ende mit einem halben Punkt in Front und sicherte sich so den IPTA Weltmeistertitel.



