Kuhr schlägt Bellami bei Night of Fights

Kuhr Kampf M. Kuhr (rechts) vs. Bellani. Foto: Behrendt

Ulf S. und seine Sportfreunde aus Niedersachsen bestellen sich bereits vor Monaten auf eine Anzeige in der Fachpresse hin Ringplatzkarten für die zweite ‚Night of Fights‘ in der Berliner Deutschlandhalle. Ein Wahnsinns Programm wird angekündigt Ramon Dekkers soll kämpfen, der US-Amerikaner Pete Cunningham soll seinen Titel bei der ISKA verteidigen und der Ballentine-Bezwinger Steve Demencuk aus den USA soll Lokalmatador Michael Kuhr herausfordern. Auch WKA-Weltmeister Biank Scheuermann ist angesagt Toll, da lohnt sich auch die weiteste Reise und auch die teuren Ringplatzkarten.

Neues Programm
Denkste! Kaum haben sie am 23.1.1993 Platz genommen, erfahren sie, daß alles nicht mehr so ist wie angekündigt Vier langweilige, drittklassige Muay-Thai Kämpfe, bei denen die Akteure wie Kletten aneinander kleben, lassen den Unmut wachsen. Einzig bei einem Kampf ist ein Hauch von Verbissenheit und Spannung zu fühlen, aber das ist auch alles Dem kann auch der mittelmäßige Kampf von Gilbert Ballantine nicht abhelfen Im Kampf gegen Cunningham wäre er als krasser Aussenseiter in den Ring gestiegen, und das über zwölf Runden Stattdessen kommt ein unbekannter Thailänder namens Jacksit Sor Revadee, der über die Kurzstrecke von fünf Runden gänzlich ohne Chancen bleibt und dem – obwohl vorher angekündigt – mitten im Kampf Ellbogen- und Knietechniken verboten werden.
Peinlich: Das als Lückenfüller gedachte Interview, das der Eurosport-Sprecher Rolf Kalb im Anschluß an den Kampf mit dem siegreichen Chakuriki-Fighter führt Hier besteht der Moderator gleich zweimal darauf, daß Ballantine in seiner Karriere u.a. auch den um 20 Kilo schwereren Rob Kaman geschlagen haben soll. Er ist eben ein echter Insider.

Kuhr Kampf
M. Kuhr (rechts) vs. Bellani. Foto: Behrendt

Die Showeinlagen von Earl Blijd und Henk Mejer ernten ebenso Beifall wie Jean Frenettes Formen, etwas Neues sieht man aber nicht Die gewohnten Standig Ovations bleiben aus. Der Frust bei den Zuschauern ist nicht zu übersehen und macht an diesem Abend selbst vor guten Leistungen keinen Halt Nun haben die Veranstalter schon die Gagen der teuren Akteure gespart, und dann gibt es noch nicht einmal einen Rundengong und die Musik kommt auch nur aus einer Ecke. Ach übrigens: Filmstar Bob Wall ist auch nicht da.
Der Höhepunkt: Gott sei Dank, gibt es ja doch. noch zumindest einen Hauptkampf, so daß die rund 3.000 Zuschauer nicht völlig enttäuscht nach Hause gehen müssen. Michael Kuhr verteidigt seinen Titel bei der ISKA und kämpft gleichzeitig um den vakanten Titel der IKBF gegen den Chakuriki-Fighter Boulem Bellani. Demencuk trat nicht an, so daß der, von einer Grippe geschwächte Kuhr, mit dem Holländer vorlieb nehmen mußte.

Harter Brocken: Aushilfsfighter Ballami entpuppt sich zum Wohlgefallen der Zuschauer schon in der ersten Runde als ein zäher Brocken, der seinen linken Roundhousekick immer wieder mit voller Wucht auf Kuhrs Deckung zu schleudern weiß und so mehr als nur eine Aussenseiter-Chance behält. Kuhr muß aufpassen, denn wenn Ballani einmal durchkommt und der harte Kick seine Leber massiert, dann kann das üble Folgen haben. Nebenbei schluckt Bellami auch noch zahlreiche Wirkungstreffer an Kopf und Körper und überdauert die volle Distanz von zwölf Runden ohne ernsten Schaden.

Bravo Micha: Toll, das hätte kaum einer gedacht Kuhr dominiert den gesamten Kampf nahezu spielerisch, wenn auch man sehen kann, daß er die Zähigkeit seines Gegners bewundert und er wohl daher nicht die Motivation aufbringt entschieden nachzusetzen. In einer besseren Verfassung und mit einer längerfristigen Einstellung auf seinen Widersacher, hätte Kuhr den Kampf wahrscheinlich schon in den ersten Runden beenden können. Unter den gegebenen Umständen muß er sich seinen Sieg allerdings richtig erarbeiten und das taktisch vorsichtige Konzept durchziehen, was ihm mit Bravour gelingt

Das Kleingedruckte: Ulf S. und der Großteil der Zuschauer sind nach diesem letzten Kampf zumindest ein wenig für ihre weite Reise entschädigt. Im Grunde fühlen sie sich aber auf den Arm genommen. Spätestens dann kommt ihr Unmut wieder auf, als sie erfahren, daß Insider bereits seit längerem von den „Programmänderungen“ wußten, welche sich der Veranstaltende auf der Plakat- und Anzeigenwerbung bis zuletzt vorbehielt. Bereits seit längerem war bekannt, daß Dekkers und Scheuermann nicht kämpfen konnten oder wollten. Daß Cunningham angeblich einer lukrativen Filmofferte nachgeht, und Demencuk an juristischen Problemen laboriert, war wohl auch bekannt. Und sie, die sie lange zuvor Karten auf dem Postweg angefordert hatten, wurden nicht darüber benachrichtigt. Hätten sie das gewußt, dann hätten sie die lange Reise bei Sturm und Regen nicht angetreten und viel Geld gespart.

Norris vs. Van Damme? Ob sie zur nächsten „Night of Fights“ in die Deutschlandhalle kommen, wenn der Jahrhundertkampf zwischen Chuck Norris und Jean-Claude van Damme und einem Gesangsduo von Madonna und Whitney Houston ankündigt, bleibt abzuwarten.

Fotos: Jürgen Engler, Oliver Behrendt
Motiv. M. Kuhr vs. Bellani


Kickboxen Zeitschrift
Dieser Beitrag erschien in der März Ausgabe 1993