K-1 Hercules (1996)

Mike Bernardo vs. Stan Longinidis

Der König ist tot, lang lebe der König!
Bei der japanischen Thaiboxgala „K-1 Hercules“ liefen einige der besten Schwergewichts-Fighter auf. Erstmals mit dabei: Rob Kaman.
Horst Kalcher berichtet.

Das Jahr ging zu Ende und so war es in Japan an der Zeit die letzte Veranstaltung aus dem K-1 Zyklus für 1996 abzuhalten. So geschehen in Nagoya, wo sich 11.000 Zuschauer in der Rainbow Hall versammelten. Viele kamen um einen ganz bestimmten Kämpfer zu sehen: Den Mann, der Mitte der achtziger Jahre als erster ausländischer Kämpfer das Kunststück vollbrachte, die Hallen Nippons zu füllen und seine Gegner reihenweise zu Boden zu schicken, „The King of the Ring“ persönlich, Rob Kaman, kämpfte wieder! Man war sehr gespannt auf das Abschneiden von „Caesar,“ wie die Japaner den holländischen Spitzenkämpfer nennen. Doch diesmal sollte alles anders kommen wie Kaman es aus alter Zeit gewohnt war.

Jean Claude Levier
Der Amerikaner Jean Claude Levier gewann vorzeitig gegen die Legende Rob Kaman

Rematch Bernardo vs. Longinidis unentschieden
Der Südafrikaner Mike Bernardo und der Australier Stan „The Man“ Longinidis eröffneten die Veranstaltung. Beim letzten Aufeinandertreffen der beiden beim K-1 Grand Prix 1995 konnte Bernardo den „Man“ sensationell K.o. kicken, und war somit erst der Zweite, dem dies gelungen war. Mittlerweile folgten zwar noch andere, doch die Beliebtheit des Australiers blieb in Japan noch immer ungebrochen. Natürlich schrie diese Niederlage nach einer Revanche und die wurde ihm jetzt gewährt. Bernardo verkörpert die neue Generation des Kickboxens beim K-1 mit zwei K.o.-Siegen über Aerts, zwei K.o.‘s über Hug und dem vorzeitigen Triumph über Longinidis zeigte er allemal, daß er bereit ist, ganz vorne mitzuspielen. Das einzige Problem, das er noch mit sich herumträgt, sind seine empfindlichen Beine bzw. die Lowkicks des Gegners. Die Urformel gegen Bernardo, die allen bekannt ist, lautet: willst Du ihn umhauen, kick ihm auf die Beine. Dies hatte sich natürlich bis Australien herumgesprochen, und „The Man“ schien sich auch daran zu halten. Einen offenen Schlagabtausch mit dem rund zwanzig cm größeren Bernardo vermied Londinidis. Er entschied sich für die bewährte „hit and run“-Methode, rein, zwei, drei Schläge, Lowkick und wieder weg. Dies ging bis zur vierten Runde, während Bernardo nur darauf wartete, den entscheidenden Kontertreffer zu landen. In der letzten Runde sah der Südafrikaner ein, daß er damit nicht zum erhofften Ziel kam, und begann Longinidis mit allem zu bearbeiten, was er hatte. Der wurde dadurch in die Seile gedrängt und konnte sich nur durch Clinchen aus der verzwickten Lage retten. Der Schlußgong. Die Punktrichter konnten sich nicht entscheiden, wer wirklich der Bessere gewesen war. Sie gaben ein Unentschieden. Freude bei Longinidis, Enttäuschung bei Bernardo, der wieder einmal erkennen mußte, daß er noch mehr an seinen Lowkickblöcken arbeiten muß.

Mike Bernardo vs. Stan Longinidis

Hoost triumphiert
Eine der großen Überraschungen beim letzten K-1 Event (Star Wars) war die K.o.-Niederlage von Ernesto Hoost gegen Jerome Le Banner. Schuld daran, so Hoost, war die kurz zuvor stattgefundene Geburt seines Sohnes, der das tat, was alle Babys tun, nämlich schreien in der Nacht. Somit konnte sich Papi Hoost nicht richtig auf den Kampf konzentrieren und verlor. Doch diesmal schien Hoost Junior auf seinen Zeuger Rücksicht genommen zu haben. Man den herausragenden Fighter Hoost sehen wie man ihseit vielen Jahren kennt. Sein bedauernswerter Gegner war Ray Sefo aus Neuseeland. Hoosts Kombinationen und Lowkicks trafen ständig. Der Neuseeländer zeigte beträchtliche Wirkung. In der dritten Runde deutete sich das Ende an. Nachdem die Lowkicks gnadenlos in die Beine Sefos einschlugen, mußte dieser zweimal zu Boden. Das endgültige Aus kam in Runde vier. Wieder lies ein Lowkick den Neuseeländer zu Boden gehen, als aus dessen Ecke das Handtuch geworfen kam. Somit war der Sieger Ernesto Hoost und es war wieder bewiesen, daß er noch on the top ist.

Ernesto Hoost

Der neue Kaman
Dann war es soweit: Rob Kaman nach langer Zeit wieder in Japan im Ring. Das letzte Mal war er beim K-2 Grand Prix 1993 zu sehen, wo er sich dem Thai Chanpuek Kiatsongrit geschlagen geben mußte. Danach hatte er in Paris bewiesen, daß seine Zeit aber doch noch nicht vorbei ist, und dort etliche Kämpfer in den Ringstaub geschickt. Jean Claude van Damme und Hollywood riefen, was mitunter ein Grund war, warum er nicht schon im Oktober zum Comeback antrat. Veranstalter Ishii konnte den Holländer schließlich überzeugen, es einmal im K-1 Zirkus zu versuchen. So sah man in Nagoya einen neuen Kaman. Statt der üblichen 86 Kg präsentierte sich der „Mann mit dem Lowkick wie ein Fallbeil“ mit satten 91 Kilo Körpergewicht. Er hatte flux an Masse zugelegt, um mit den schweren Brummis wirklich mithalten zu können. Sein Gegenüber war der Amerikaner Jean Claude Levier, der sich beim letzten K-1 Peter Peter Aerts geschlagen geben mußte, und der genau das hatte, was den Ausschlag geben sollte: sechs Kilo mehr Substanz. Zu Beginn des Kampfes sah man einen Kaman wie man ihn aus alten Zeiten kannte. Präzise Kombinationen und sein Markenzeichen, der zerstörerische Lowkick. Levier fing sich Konterschläge ein, die einen Kämpfer mit dem gleichen Gewicht wie Kaman sicher zu Boden geschickt hätten. Doch bei diesem Gewichtsunterschied war es anders.

Jean Claude Levier vs. Kaman

Der Absturz beginnt: In Runde zwei blockte Levier einen rechten Lowkick Kamans mit dem Knie was diesem sichtlich Schmerzen bereitete, und ihn veranlaßte, die Auslage zu wechseln. Daß der Holländer auch mit links Lowkicks treten kann, bewies er in der Vergangenheit oft. Zunächst schien er damit keine Probleme zu haben – aber nicht lange. Ab der dritten Runde hatte sich der Amerikaner auf die Lowkicks eingestellt und traf mit guten Kontergeraden. Ab Runde vier war das linke Bein des Holländers nicht mehr zu gebrauchen. Eine tiefe Wunde klaffte am Schienbein. Sie konnte von den Betreuern nicht geschloßen werden. Levier schien immer mehr zu seiner Linie zu finden und landete gute Treffer.

Bei Kaman schien der Dampf und vor allem die Lust nachzulassen. Seine Attacken wurden schwerfällig und seine Bewegungen langsamer. In Runde fünf geschah es dann. Kaman brachte einen Lowkick, sackte danach zusammen und blieb am Ringboden liegen. Kein Kontertreffer, kein gar nichts, der hochgepriesene Holländer lag ausgebrannt auf dem Rücken. Der Ringrichter began zu zählen, doch der Holländer machte keine Anstalten aufzustehen, so daß dem Unparteiischen keine andere Wahl blieb als ihn auszuzählen. Resigniert schleppte sich Kaman schwerfällig in die Ecke zu seinen Betreuern. So rechte Freude mochte in der amerikanischen Ecke nicht aufkommen. Ein eindeutiger Sieg wäre Levier lieber gewesen. Nach dem Kampf meinte Kaman: „Seit dem Juni letzten Jahres hatte ich keinen Kampf mehr bestritten. Daneben war ich in letzter Zeit mit Filmen beschäftigt und konnte mich nicht richtig vorbereiten. Für diesen Kampf habe ich nur vier Wochen trainiert und mußte außerdem noch Gewicht zulegen. Normalerweise kämpfe ich im Cruiser- oder im Leicht-Schwergewicht. Diesmal mußte ich aber im Schwergewicht starten. Der Gewichtsunterschied hat eine große Rolle gespielt. Während des Kampfes ist eine alte Verletzung aufgebrochen. Ob ich in Zukunft wieder am K-1 versuche teilzunehmen, muß ich mir noch einmal überlegen. Der Gewichtsunterschied ist doch ziemlich groß.“ Mal sehen was kommt. Meist spielt ja auch die Kampfgage bei solchen Entscheidungen eine beträchtliche Rolle, und im Kickboxen werden in Japan hohe Gagen bezahlt.

Lebanner gegen Greco: Unentschieden
Durch seinen K.o.-Sieg über Hoost in ungeahnte Höhen aufgestiegen, stand der Franzose Jerome Lebanner diesmal dem Australier Sam Greco gegenüber. Greco, bekannt für rasantes Fighten vom ersten Gong an, verhielt sich ungewohnt ruhig und abwartend. So auch der Franzose. Während der gesamten fünf Runden kam es zu keinem richtigen Schlagabtausch. Während Greco sich mehr auf seine Lowkicks besann, konnte Lebanner mit guten Roundkicks zum Körper treffen. Dieser Begegnung fehlte der erhoffte Elan, den man von beiden Kämpfern gewohnt ist. Die Punktrichter gaben ein Unentschieden. Nach dem Kampf zeigten sich beide Kämpfer mit langen Gesichtern. Beide waren mit ihrer Leistung unzufrieden, was man ihnen nicht verdenken konnte.

Weihnachtsgeschenk für Hug
Der Renner diese Jahres hätte die Begegnung Aerts gegen Hug werden sollen. Doch aus Krankheitsgründen, die ihn schon mehrere Kilo Substanz gekostet hatten, war der Holländer nicht fähig anzutreten. So wurde ein Ersatz gesucht und mit Japans neuem Shootingstar Musashi auch gefunden. Dieser mußte sich für fünf Runden mit Hug in den Ring begeben. Tapfer mag man sich denken, doch wenn man bedenkt, daß die beiden Trainingspartner sind und oft zusammen sparren, wird der ganzen Geschichte viel von ihrem Reiz genommen. So kam es, wie es kommen mußte. Beide Kämpfer kannten einander gut, und nachdem die Erfahrung, Technik und das Gewicht auf der Seite des Schweizers lag, konnte er nach fünf Runden den Ring als Sieger verlassen. Während der ersten drei Runden hatte der Japaner tapfer mitgehalten, doch dann war die Luft raus, und das Ergebnis eindeutig.

Andy Hug
Andy Hug beim K-1 Hercules

Fazit
Obwohl aufgrund der Kampfpaarungen absolute Superkämpfe zu erwarten gewesen wären, schien es diesmal nicht so recht zu klappen. Diesmal wurde viel gestanden und geschaut anstatt gehaut. Die letzte Veranstaltung von 1996 war somit sicherlich nicht die Beste. Dennoch wird Veranstalter Ischii seinen Zirkus weiter vorantreiben und 1997 von risigen Hallen in Große Stadien wechseln. Der kommende Zyklus soll im November im 65.000 Zuschauer fassenden Tokio Dome seinen Höhepunkt finden.


Samurai Magazin mit Don Wilson
Diese Japan Reportage erschine im Samurai Magazin 01/1997

Text und Fotos: Horst Kalcher