In den letzten Jahren hat sich die Kickboxszene immer weiter nach Osten verlagert. Waren früher Amsterdam und Paris die europäischen Hochstädte harter Fäuste und schneller Kicks hört man heute von dort fast nichts mehr. Dafür steht Prag immer mehr im internationalen Rampenlicht. Dies ist hauptsächlich Igor Jushko und seiner OKKO Promotion zu verdanken, die es in den letzten Jahren verstanden haben, große Produktionen mit ebenso großen Namen in die tschechische Hauptstadt zu holen. Diesmal war es eine mittelgroße Veranstaltung, die im Prager Hilton Atrium abgehalten wurde. Nichtsdestotrotz war sie ausverkauft, das Publikum bekam gute Kämpfe zu sehen.
Österreicher vorne dabei: Diesmal waren auch Kämpfer aus dem benachbarten Ausland Österreich, dabei. Der junge Altay Mevlüt feierte seinen Einstand im internationalen Ring. Im stand der Tscheche Martin Mica, seines Zeichens Fünfter bei den Amateur Muay Thai Weltmeisterschaften und Dritter bei der Amateur EM, gegenüber. Entweder hatte man auf der tschechischen Seite den Gegner unterschätzt oder keine Zeit zum Vorbereiten gehabt, den Mirca konnte über die Distanz den Erwartungen nicht gerecht werden. Gleich von Anfang an legte Altay mit harten Lowkicks los und wußte auch im Clinch zu überzeugen. Der Tscheche hingegen zeigte wenig bis gar nichts, vor allem keine Kondition. Spätestens ab Runde drei war bei ihm die Luft draussen, sodaß Altay mit seinen Lowkicks und Knien den Kampf vollends bestimmte. Klarer Punktesieg also in die rote Ecke, in der sich neben „Mr. Octagon“ Fritz Exenberger auch Igor Smilevic befand.
Haue für England: England war im Thaiboxen immer eine der führenden europäischen Nationen gewesen. Umsomehr war man gespannt, was die Begegnung Richard Smith gegen den Holländer Wahid Wennekes zu bieten hatte. Wennekes trainiert beim Shima Gym von Lex Kristel und im Mejiro Gym von Andre Mannaart. Und ganz „Mejiromäßig“ waren seine Kombinationen. Linke Rechte, linker Haken-Lowkick-Kombinationen bestimmten den Kampfverlauf. Das holländische Kraftpaket lies Smith nur wenig Möglichkeit zur Gegenwehr. Außer einem kurzem Aufflackern in Runde zwei war von dem Engländer nicht viel zu sehen. Im Verlauf der Kampfzeit setzten ihm Wennekes Kombinationen und harte Fäuste immer mehr zu, sodaß er immer mehr zu einem lebendigen Sandsack degradiert wurde. Das Ende kam in Runde fünf. Nach einer weiteren harten Attacke des Holländers wurde Smith angezählt, und lies es gut sein. Sein Kampfwille war gebrochen, und fünf Runden Prügel waren schließlich genug. Der Sieg ging somit nach Holland an Wahid Wennekes.
Hengstberger vernichtet: Österreichs Thommy „Tattoo“ Hengstberger war als nächster an der Reihe. Ihm stand der junge Bylare Sergej Karpin gegenüber, der gleich von Anfang an Lowkicks aus allen Rohren schoß. Während der ersten Runden wurden diese auch noch von Hengstberger geblockt, was er aber in weiterer Folge vernachlässigte. In letzter Zeit hatte Hengstberger sich mehr mit Boxkämpfen beschäftigt und auf sein Kickboxtraining verzichtet, was sich sträflich niederschlug, im wahrsten Sinne des Wortes. Immer wieder trafen die Lowkicks des Bylaren bei Hengstberger, der mit seinen Fäusten auch nicht den entscheidenden Treffer landen konnte. Schon in Runde vier waren die Beine des österreichers schwer bedient, so daß das Ende vorauszusehen war. Es kam in Runde fünf. Nach einem weiteren Lowkick Karpins ging Hengstberger zu Boden, und war nicht mehr in der Lage aufzustehen.
Tschechischer Sieg: Der tschechische Fullcontact Superstar Lubos Suda sollte den vorletzten Kampf dieser Veranstaltung liefern. Diesmal war sein Gegner Zbigniew Firek aus Polen, und es kann ohne Übertreibung gesagt werden, daß der Pole der härteste Gegner war, der Suda seit langem im Seilgeviert gegenübergestanden ist. Schon zu Anfang zeigte Firek mit harten Kicks zum Körper, daß er nicht zu unterschätzen ist. Auch mit den Händen war er brandgefährlich, was Suda in der Anfangsphase mehr als einmal zu spüren bekam. Suda hingegen lies es eher gemächlich angehen. Außer ein paar Kontergeraden war bei ihm in den ersten Runden nicht viel zu sehen. Besonders seine Kicks, für die er so bekannt ist, ließen lange auf sich warten. Sie kamen erst ab Runde fünf. Suda hatte nun sein Mittel gegen den Polen gefunden, und bearbeitete ihn mit harten Fäusten. In Runde sechs brachte er einen gesprungenen Drehkick, der Firek im Gesicht traf, durch. Danach lies der Tscheche nichts mehr anbrennen und setzte mit harten Kombinationen nach. Die letzten beiden Runden zeigten Suda, wie man ihn kennt: harte Fäuste und schnelle hohe Kicks, die vor allem das Publikum zu Begeisterungsstürmen hinrissen. Doch Firek lies es nicht soweit kommen, daß das Ganze zu einer „One man show“ ausartetet. In der letzten Runde setzte er alles auf eine Karte. Doch es reichte nicht. Nach Ablauf der Kampfzeit war Suda auf den Punktzetteln der Ringrichter vorne, und konnte so einen weiteren Sieg, wenn auch einen hart verdienten, auf seine Liste schreiben.
Bille gewinnt überlegen: Zu einer „one-man-show“ wurde allerdings der Hauptkampf. Die Hauptrolle darin hatte der dunkle Franzose Danny Bille. Mit dem Holländer Peter Kley hatte er keinen ungefährlichen Gegner und einen dreifachen ISKA Weltmeister im Thaiboxen im Ring gegenüberstehen. Nichtsdestotrotz lies sich der Franzose dadurch nicht beeindrucken, und setzte seinen Kampfstil durch. Jedesmal wenn Kley einen Kick brachte, fing Bille diesen ab, und der Holländer landeten auf dem Rücken. Ähnliches widerfuhr ihm, als er sein Glück im Clinch versuchte. Geschickt konnte Bille den Holländer werfen, der ihn in keiner Phase des Kampfes gefährlich werden konnte. Nachdem der Holländer sich in den ersten drei Runden fast mehr liegend als stehend im Ring befand, war es bei ihm mit seiner Konzentration und Taktik vorbei. Nun begann Bille zu zeigen, daß er nicht nur werfen, sondern auch kicken konnte. Oft schlugen die Kicks des Franzosen bei Kley ein, und auch ein wunderschöner Frontkick zum Gesicht des Holländers fand sein Ziel. Bei Kley hatte man mittlerweile das Gefühl, daß er überhaupt nicht mehr wußte wie ihm geschah. Wenn er versuchte mit seinen Fäusten zu kontern, zwang Bille ihm den Clinch auf und der Holländer fand sich erneut auf dem Ringboden wieder. Bei Kickattacken des Holländers widerfuhr ihm selbes. So irritiert konnte Kley seine Linie nicht mehr finden, und Bille immer mehr dominieren. So blieb es über den Verlauf der gesamten Kampfzeit, so daß nach den fünf Runden der dunkle Franzose eindeutig zum Punktesieger erklärt wurde. Eine gelungene Feuerprobe für seinen anstehenden Kampf gegen den Holländer Ramon Dekker.
Text und Fotos: Horst Kalcher.
Dieser Bericht erschien in der KICK Ausgabe 98/01, welche ab Ende Dezember 1997 im Zeitschriftenhandel verkauft wurde. Diese Seite dient als Archiv.