„Mission Possible“
Der Herbst zog ins Land, die Blätter fielen von den Bäumen und so wurde es wieder einmal Zeit, eine größere Gala in der österreichischen Bundeshauptstadt Wien zu veranstalten. Diesmal hatten Veranstalterduo Manfred Exenberger und Horst Kalcher keine Kosten und Mühen gescheut, um dem Publikum das Beste zu bieten, was derzeit in Österreich aufrecht in den Ring steigt. Als Hauptkampf kämpfte Thomas „Tattoo“ Hengstberger gegen den Kroaten Marko Zaja um den WKA Intercontinental Titel im Kickboxen. Als weitere Attraktion wurde das erste Mal in Österreich Vollkontakt Karate im Ring präsentiert. Dabei standen sich acht Kämpfer aus Holland, Polen, Ungarn und Österreich gegenüber – 10.000 Schilling (750 Euro) und eine 2 Meter hohe Trophäezu gab es zu gewinnen.
Harte Kämpfe in den Vorrunden
Gleich zu Beginn bewiesen die Karatekas, daß es kein Fehler war, eine „gemischte“ Gala zu organisieren. Nach anfänglicher Zurückhaltung konnte der Holländer Richard von Mansfeld gegen den Polen Radoslav Naumovicz das Publikum zu Begeisterungsstürmen hinreissen. Dies tat ihm sichtlich gut und so konnte er die Begegnung gewinnen. Österreichst derzeitig heißestes Eisen im Vollkontaktkarate, Marek Kubek, konnte sich klar gegen den Ungarn Ferenc Bodi durchsetzten. Dem nächsten Österreicher ging es weniger gut. Obwohl sich Gerald Eder tapfer wehrte, mußte er sich nach zwei Leberschlägen dem jungen Holländer Andre van Wenzel geschlagen geben. Der Pole Bogdan Sawa bewies erneut, daß die Polen die führende Vollkontaktnation in Europa sind, und konnte den Ungarn Kalman Kozma klar in die Schranken weisen.
Klassisches Lowkick K.O.
Daß im Kickboxen die Holländer noch immer an der Spitze rangieren, bewies Abdel Louazna. Er stand der Nummer eins der WKA Österreich Fatih Dikici gegenüber. Nachdem der Holländer in der ersten Runde einige Kontertreffer hinnehmen mußte, hatte er sein Rezept gegen Dikici gefunden. Mit knüppelharten Lowkicks bearbeitete er das linke Bein des Österreichers, dessen Ecke in der zweiten Runde das Handtuch warf. Beim anschließenden Kampf machte Zejlko Gaijic klar, daß Österreicher nicht nur als Schlachtopfer in den Ring steigen. Gegen den international versierten Tschechen Jiri Versecky zeigte Gaijic, daß er schon einmal ganz oben war, und sich nun wieder auf dem richtigen Weg befindet, an seine Leistungen anzuknüpfen. In dem auf fünf Runden angesetzten Kampf setzte Gaijic den Tschechen von Anfang an mit Lowkicks und seinen harten Fäusten zu. Versecky versuchte einige Male den Kampf herumzureißen, doch war es für die Schiedsrichter zu wenig, so daß Gaijic den Punktsieg errang. Bei den Damen standen sich Alexandra Kriegl und die Tschechin Renata Fuskova gegnüber. Fuskova dominierte mit ihren Beintechniken und lies Kriegl keine Chance, ihren aggressiven Kampfstil zu entwickeln. Wie sehr sie es auch versuchte, immer wieder wußte Fuskova einen Treffer mehr zu landen, was ihr den Sieg zukommen lies.
Überraschung bei Karatekas
Während sich Richard von Mansfeld auf Grund seiner Erfahrung erwartungsgemäß gegen Marek Kubek durchsetzen konnte und so als erster Finalist feststand, kam es im anderen Semifinalkampf zur großen Überraschung. Der junge Andre van Wenzel kämpfte wie ein Besessener gegen den Routinier Bogdan Sawa, der darüberhinaus um zwanzig Kilo schwerer war. Ein Lowkick an die Innenseite von Sawas Bein brachte die Entscheidung. Der Pole mußte nach diesem Treffer den Kampf aufgeben. Auch im folgenden Kickboxkampf war es Zeit für eine kleine Überraschung. Zwei Runden lang konnte der Österreicher Martin Schmidhofer über den Holländer Harris Tigele dominieren bis er ihn niederschlug, was für den Holländer das vorzeitige Aus bedeutete.
Routiniers setzten sich durch
Österreichs Weltmeister im Vollkontakt Josef Brayer zeigte einmal mehr seine Klasse gegen den Tschechen Jaroslav Gryc. Über fünf Runden traf Brayer den Tschechen wie, wo und womit er wollte. Die einzige „Farbe“ die Gryc mit ins Spiel brachte war in Form seiner blutigen Nase. Auch sein linkes Auge schwoll immer mehr an, was sich nach dem Kampf als Jochbeinbruch erwies. Nichtsdestotrotz fightete der tapfere Tscheche über die volle Distanz, wenngleich zeitweise zum Sandsack degradiert, ohne am Sieg Brayers rütteln zu können. Im Karate waren es der Routinier, der den Sieg davontragen konnte. In dem auf drei Runden angesetzten Finalkampf gewann die holländische Nummer eins, Richard von Mansfeld, die 10.000 Schilling und die riesige Trophäe. Obwohl sich Überraschungsfinalist van Wezel tapfer wehrte und auch den einen oder anderen guten Treffer landen konnte, war letztlich der Druck von Mansfeld zu groß. Wieder brachte ein Lowkick an die Innenseite die Entscheidung und von Mansfeld die begehrte Trophäe. Auf holländischer Seite zeigte man sich zufrieden. Immerhin war das Finale eine rein holländische Angelegenheit, womit die Holländer und besonders Coach Jan Vleesenbeek am wenigsten gerechnet hatten.
Beinahe-Eklat bei Titelentscheidung
Dann war es endlich soweit: Wieder einmal ein Versuch eines österreichischen Kämpfers, einen Titel zu erringen der international anerkannter ist als Bezirksmeister von Kukurutzpatschn-Ost. Diesmal versuchte sich Thomas „Tattoo“ Hengstberger, seines Zeichens schon IAKSA Weltmeister im Voll- und Leichtkontakt, am WKA Intercontinental Titel im Kickboxen. Sein Gegenüber war der Kroate Marko Zaja aus Split, seinerseits Europameister der WAKO Pro. In den ersten Runden zeigte der Kroate, daß er nach Wien gekommen war, um den Titel zu holen. Seine Lowkicks und Fäuste kamen oft durch die Deckung des Österreichers, der es gemächlich angehen lies. Die Rechnung der österreichischen Seite schien auch aufzugehen. Ab Runde fünf war bei Zaja die Luft draussen, und seine Angriffe wurden deutlich schwächer. Nicht aber bei „Tattoo“ Hengstberger, der sich auf die harten Lokkicks des Kroaten eingestellt hatte, und diese mit präzisen Rechten konterte. Immer mehr kam in den späteren Runden der Österreicher auf und konnte Zaja mehr als nur einmal in Bedrängnis bringen. Nun war es der Kroate, der Einiges einstecken mußte, während Hengstberger immer mehr seine Linie fand. Nach zehn Runden war der letzte Gong da, die Entscheidung lag bei den Punktrichtern. Nach dem ersten Auszählen lagen beide gleich, sodaß Hauptkampfrichter Hans-Peter Flois die entgültige Entscheidung fällen mußte. Dieser tat, was er als heimatverbundener Steirer tun mußte, und hob den Arm Hengstbergers. Natürlich war sofort der Protest der Kroaten da. Klar, ein österreichischer Schiedsrichter würde den österreichischen Kämpfer zum Sieger erklären, der Titel wäre nicht rechtmässig, Lug und Betrug auf der ganzen Linie. Also wurden die Punkteergebnisse noch einmal addiert, und siehe da, es war tatsächlich ein Fehler unterlaufen (wer hat den Österreicher rechnen lassen?). Der Punktsieg war doch eindeutig, und zwar für Thomas „Tattoo“ Hengstberger. Nach dreifachem Nachrechnen mußten sich die Kroaten mit dem Ergebnis begnügen. Somit der derzeit international erfolgreichste Österreicher und der neue King im Ring: Thomas „Tattoo“ Hengstberger, der versprach von der Kampfgage seinen Tattoos weitere hinzuzufügen.
Fazit: Die besten Kämpfe auf der besten Veranstaltung, die Österreich seit Jahren gesehen hat. Internationale Gegner boten gegen die österreichischen Topstars spannende Kämpfe sowohl im Kickboxen als auch im Karate die vom Publikum frenetisch angefeuert wurden. Dazu noch ein WKA Intercontinental Titel für Österreich. Was will man mehr, ausser vielleicht Zuschauer. Die waren diesmal nicht so zahlreich erscheinen, wie es sich die Veranstalter gewünscht hatten.
Dieses Feature erschien in der Ausgabe 01-02 1997. Es war die meistverkaufte KICK Ausgabe mit einem deutschen Sportler auf dem Titelbild.
Text & Fotos: Horst Kalcher.