IAKSA WM in Quebec 1995

Sidekick Dawn Roffey Die übermächtige Dawn Roffey trifft ihre amerikanische Finalkonkurrentin am Kopf.
Sidekick Dawn Roffey
Die übermächtige Dawn Roffey trifft ihre amerikanische Finalkonkurrentin am Kopf.

Es gibt Länder, in denen Kampfsport nur unter sehr strengen Auflagen betrieben und veranstaltet werden kann. Eines dieser Länder ist Kanada, Gastgeberland der vierten Weltmeisterschaft im Kickboxen nach der Version der IAKSA. Über 300 Sportler kamen aus 27 Nationen, um an den Wettkämpfen teilzunehmen, die von einem Delegierten des nationalen olympischen Komitees überwacht wurden. Er mußte sicherstellen, daß alles den Auflagen des Gesetzgebers gerecht wurde, ansonsten hatte er die Möglichkeit, das Turnier zu stoppen. Erwartungsgemäß kam er jedoch nicht zum Einsatz. Veranstalter John Douvries hatte für einen reibungslosen Anlauf in Hull, Quebec, gesorgt.

Semikontakt
Bei den Herren waren neben den Gastgebern die Amerikaner, Engländer und Österreicher in der Favoritenrolle. In der leichtesten Klasse der Herren bis 60 Kg rechnete alles mit einem Sieg des amtierenden Welt- und Europameisters Oliver Drexler, Deutschland. Nach klaren Siegen über den Russen Koulnar und den Österreicher Widauer verschlief er den Finalkampf gegen den Kanadier Aversa von Anfang an und unterlag deutlich mit 2 : 7 Punkten. Drexler, der deutlich unter Wert geschlagen wurde, nahm die Niederlage gelassen, und gratulierte seinem Nachfolger zum Sieg.
Der ältere Bruder Aversas siegte in der nächsten Division, bis 67 Kg, wobei er u.a. den Deutschen Wrobel und den Engländer Nelson besiegte. Bis 71 Kg gewann erneut der Irländer Baker den begehrten Titel. Nach einem Sieg über den Deutschen und späteren WAKO-Weltmeister Thomas Pfaffl erreichte der Engländer Veira zum vierten Mal in der Gewichtsklasse bis 75 Kg das Finale. Erneut stand ihm der Österreicher Manfred Weingerl gegenüber, der im Halbfinale den tschechischen Meister Miroslav Sobotka ausgeschaltet hatte. Sieger des weniger attraktiven Kampfes wurde schließlich der Österreicher, der denkbar knapp mit 8 : 7 Punkten die Nase vorne hatte, als der Schlußgong ertönte.
Eine riesige Aufholjagd mußte der Kanadier Greco veranstalten, um am Ende des Finales(-81 Kg) mit 16 : 15 Punkten gegen den Österreicher Schmidt, der im Halbfinale seinen deutschen Namensvetter aus dem Wettkampf gestoßen hatte, in Führung zu liegen.
Eine große Überraschung ereignete sich in den zweitschwerster Division, – 91 Kg. Der amtierende Weltmeister Calvin Thomas aus den USA unterlag dem Kanadier Brent Beatty völlig deklassiert mit satten zehn Punkten Unterschied. Beinahe hätte der Deutsche Feuer im Halbfinale von der schlechten Verfassung des Amis profitieren können, doch er verlor nachdem er bis kurz vor Schluß mit einem Punkt in Führung war, die Nerven. Er kassierte einen Minuspunkt und wurde beim letzten Angriff vor dem Schlußgong ausgekontert, unterlag mit 8 : 9 Punkten.
Der Österreicher Günther Wenninger stieß im Finale der schweren Klasse auf seinen Angstgegner Nathan Lewis aus England – und das bereits zum fünften Mal. Bei den Europameisterschaften 1992 und 1994 konnte der Österreicher gewinnen, bei der letzten WM in Odense 1993 unterlag der Kämpfer aus der Alpenrepublik jedoch beim Kampf um den höchsten Titel. Aus den alten Fehlern hatte Wenninger offensichtlich mehr gelernt als sein Kontrahent. Er siegte mit 18 : 14 Punkten verdient.

IAKSA
Der Österreicher Günther Wenninger wird Weltmeister der IAKSA im Semikontakt.

Damen Semikontakt
Mit insgesamt 40 Teilnehmerinnen waren die Semikontaktklassen der Frauen gut besetzt. Bis 55 Kg kämpfte sich die Tschechin Jana Moravcova überraschend bis ins Finale, wo sie der Engländerin Sharon Gill nur knapp mit 14 : 12 Punkten unterlag. Von der Tschechin, die von Miroslav Sobotka trainiert wird, wird man in Zukunft sicher noch einiges hören. Im Mittelgewicht, bis 65 Kg, verteidigte die US-Amerikanerin Dawn Roffey ihren Titel erfolgreich gegen die Kanadierin Ambrosia. Roffeys eins übermächtiger technischer Vorsprung über die Konkurrenz ist kleiner geworden, so vielen ihre Siege dieses Jahr nicht ganz so deutlich aus wie gewohnt. Schließlich hat die Amerikanerin eine gehörige Portion an Erfahrung, mit der sie den Nachwuchs kontrollieren kann.

Semicontact Backfist
Schlagabtausch mit Leichtcontact zeigt Backfist gegen Roffey

Im Leichtkontakt (Durchkämpfen) der Damen dominierten vor allem die Europäerinnen. Bis 55 Kg konnte die Österreicherin Hütter ihren WM-Titel aus Odense verteidigen. Im Finale besiegte sie die Russin Solovieva klar mit 3 : 0 Richterstimmen. Das Mittelgewicht bestimmte einmal mehr die Engländerin Dawson. Im Halbfinale schlug sie die Amerikanerin Dawn Roffey, die außerhalb ihrer Semikontakt-Domäne, einmal ins Leichtkontakt schnuppern wollte, im Finale die Russin Baranova. Die Deutsche Zöllner schied bereits in der Vorrunde aus. Ein unerwartetes Finale gab es im Schwergewicht, + 65 Kg, zu sehen. Die Amerikanerin Mitzi Jeter räumte die favorisierten Vincenci, Italien, und Megyesi, England, auf dem Weg ins Finale zur Seite. Im anderen Pool setzte sich die bärenstarke Tschechin Sykorowa gegen die Österreicherin Kwasnitzka und die Waliserin Ogole durch. Beim Finale hätten sich so manche Herren etwas abschauen können, ein starkes Gefecht, aus dem schließlich die Tschechin als Siegerin und neue Weltmeisterin hervorging. Die Deutsche Flögel schied bereits in ihrem ersten Kampf gegen die Engländerin Magyesi aus.

Herren Leichtkontakt
Das Leichtkontakt ist eine Domäne der Europäer, ist es doch auf dem amerikanischen Kontinent nur wenig verbreitet, so setzten sich hier erwartungsgemäß viele Österreicher und Engländer an die Spitze.
Bis 60 Kg setzte sich der Engländer Brockmann im Finale über den Polen Guzowski, an dem bereits der Deutsche Kämpfer Wasner gescheitert war, durch. Im Weltergewicht, -67 Kg, gewann der Spanier Cvenca über den Weißrussen Doubrowski. Dritter wurde der Österreicher Günther Plank, der nur vom späteren Weltmeister besiegt werden konnte. Deutschlands Hoffnung Aghvinian schied in der Vorrunde aus.
Bis 71 Kg war der Österreicher Richard Klima einmal mehr nicht zu überbieten. Der Welt- und Europameister verteidigte seinen Titel im Finale gegen den Russen Ivanov erfolgreich, obwohl es diesmal denkbar knapper ausviel als in vorangegangenen Auseinandersetzungen. Der Kanadier Savuidis und der Palästinenser Mohammed teilten sich den dritten Rang.
Die positive Überraschung aus deutscher Sicht ereignete sich im Mittelgewicht, wo sich Päschel durch Siege über Salmon, Wales, Nawal, Pakistan, und den stark boxenden Ukrainer Makarenko bis ins Finale vorkämpfte. Im Finale unterlag der Senkrechtstarter nur denkbar knapp gegen den Russen Maximov. Für die nächste Europameisterschaft, die 1996 in Graz stattfindet, dürfte Päschel eine Favoritenrolle bekleiden.
Der Österreicher Tuma hatte im Finalkampf gegen den Brite Baptist Pech. Er verletzte sich bereits kurz nach Beginn so stark am Bein, daß er den Kampf nicht fortsetzen konnte. Im Schwergewicht, – 91 Kg, holte dann doch noch ein weiterer Österreicher einen Titel. Poll setzte sich im Finale gegen den unerwartet starken Kanadier Turner, der von seinen Landsleuten frenetisch gefeiert wurde, durch. Der deutsche Kämpfer Wendt schied im Viertelfinale nach einem Freilos gegen den Ungarn Takacs aus.
Im Super-Schwergewicht, + 91 Kg, kämpfte sich der Afrikaner Mutanda von der Elfenbeinküste in die Herzen der Zuschauer. In einem Vorrundenkampf besiegte er den Österreicher Kruckenhauser (nicht zu verwechseln mit dem WAKO-Fighter Michael Kruckenhauser aus Wörgl). Im Finale unterlag der Fighter dem Schotten Mohammed denkbar knapp mit 2:1 Punktrichterstimmen.

Vollkontakt
In der Königsdisziplin Vollkontakt bestimmten erwartungsgemäß die Osteuropäer die Szene. Nur drei der insgesamt zehn Titel in dieser Disziplin gingen in den Westen. Die beste Plazierung für das Gastgeberland Kanada erzielte in Leicht-Mittelgewicht (-71 Kg) Aubin mit der Bronzemedaille. US-Amerikaner waren enttäuschenderweise keine gemeldet. Für Deutschland erkämpfte sich lediglich der Hamburger Uwe Blohm eine Finalteilnahme, alle anderen Deutschen schieden in den Vorkämpfen aus. Im Endkampf war dem Deutschen nach ausgeglichenem Verlauf dann das Glück nicht hold. Er verlor knapp gegen den Österreicher und amtierenden Europameister Ulz.

Kick Cover Joe Lewis
KICK 12/95 mit Joe Lewis

Dieser Turnierbericht erschien in der Ausgabe 95/12, der ersten KICK Ausgabe voll in Frabe.
Fotos & Info: Fritz Exenberger, der heute die Internet Seite von Shogun.at betreibt. Die vollständigen WM Resultate aus Kanada.