Alfie Lewis

Alfie Lewis

Bei den fünften Weltmeisterschafte n der WAKO in der Münchener Olympiahalle nannte Veranstalter Georg F. Brückner den Britischen Semikontakt-Kämpfer Alfie Lewis „den besten Semikontakt-Kämpfer aller Zeiten“. Nur wenige Stunden nach diesem Statement, das Brückner in der Eröffnungsrede gegeben hatte, gewann Alfie seinen zweiten WM-Titel. Kaum jemand ahnte, daß der Brite diesen Titel noch drei weitere Male gewinnen würde. Mit fünf WM-Titeln in ein und derselben Gewichtsklasse steht Alfie nun definitiv als der beste Leicht-Schwergewichtskämpfer in den Rekordbüchern.

Alfie Lewis

Unter allen Namen, die hin und wieder in der Welt des Kampfsports an den Tag treten, ist Alfie einer der bekanntesten. Sein kometenhafter Aufstieg in den letzten zehn Jahren war dabei nicht verwunderlich. Sein dynamischer Kampfstil und seine eizigartige technische Finesse veranlaßte viele Fachleute dazu, ihn als eine Art Semikontakt-Genie darzu stellen. 500 Turniersiege In seiner langjährigen, einzigartigen Karriere hat er über 500 (!) Turniersiege errungen. Eine tolle Siegesserie, die ihm kaum jemand nachzuahmen in der Lage ist. Innerhalb der WAKO, wo er seine fünf Weltmeistertitel gewann, konnte er weitere acht Europameistertitel für sich und sein Heimatland England erringen. Innerhalb der FSK (Freestyle Sportkarate National League), einer der bedeutenden britischen Semikontakt-Verbände, errang Alfie seit deren Bestehen sämtliche Titel des Grand Champion. Er dominiert unangefochten die Schwergewichtsklasse.

Vielseitigkeit
Einer der wichtigsten Schlüssel zu seinem großartigen Erfolg ist seine technische Vielseitigkeit. Er vermag in Sekundenschnelle seinen Kampfstil völlig umzustellen. Ferner besitzt er die Fähigkeit, die Angriffe seiner Gegner vorherzusehen und deren Angriffe augenblicklich auszukontern.

Gastspiel im traditionellen Karate
Dabei spielt der Stil für Alfie keine Rolle, neben dem Semikontakt betreibt er erfolgreich das traditionelle Karate der WUKO. Vor einigen Jahren fragte der Nationaltrainer der traditionellen britischen WUKO Mannschaft, David „Ticky“ Donovan, Alfie, ob er nicht für England an den Start gehen wolle. Das war für einen Freestyle Experten wie Alfie eine neue Herausforderung, die er gerne annahm und erfolgreich zu Ende führte. Später sprach Ticky Donovan über ihn: „Ich glaube Alfie Lewis ist einer der talentiertesten Kämpfer, die ich je gesehen habe. Es ist schade, daß er nicht länger in den Kreisen des traditionallen Karates in der WUKO bleiben will.“

pointfighter Alfie Lewis
Europameisterschaft 1986 in Griechenland

Keep Winning
Viele Sportler fragen sich voller Bewunderung, was diesen Alfie Lewis über so lange Zeit so erfolgreich macht. Sein Gütezeichen ist zu gewinnen, und immer wieder zu gewinnen. Man schätzt, daß seine Lebensphilosophie (positives Denken) ihm immer wieder zu neuem Schwung verhilft. Seine Philosophie gilt dabei im Ring und außerhalb. Er hatte schon viele schwere private Probleme in seinem Leben zu bewältigen. Aber er blieb stets über den Dingen stehen und entwickelte sich so im Zusammenspiel mit seinem Kampfsporttraining zu einem wahren Meister.

„Meister werden gemacht, nicht geboren“
Alfie war immer der Meinung, daß man alles erreichen kann, wenn man nur will und bereit ist hart dafür zu arbeiten Mit dem nötigen Training und dem Glauben an sich selbst und in Talent kann man alles erreichen, bis hin zur Weltmeisterschaft. Deshalb stellt der britische Ausnahmekämpfer zu recht fest: „Meister werden gemacht und nicht geboren.“ Und weiter: „Nur wer beständig trainiert, seine Fehler analysiert und die Technik verbessert, kommt weiter.“ Wie alle anderen Champions trainiert er noch, wenn alle anderen das Dojo verlassen haben.

WAKO Alfie Lewis
WAKO WM 1987 in Muenchen: Alfie Lewis wird Weltmeister vor dem Deutschen Peter Bernd

Angeklagt
Das Jahr 1993 wurde für ihn zu einem Schicksalsjahr. Im Januar stand er in England vor Gericht. Ihm wurde zunächst Mord zur Last gelegt, später wurde die Anklage auf Totschlag herabgesetzt. Vier Männer hatten ihn in seiner Heimatstadt Liverpool auf offener Straße angegriffen. Als er einen der Angreifer zurückschlug, prallte dieser mit dem Hinterkopf auf das Straßenpflaster. Er starb kurze Zeit später an den Folgen einer Gehirnblutung. Gottlob fanden sich noch neutrale Zeugen, die den Vorgang beobachtet hatten, und somit für einen Freispruch des angeklagten Alfie Lewis, der in reiner Notwehr gehandelt hatte, sorgten.

Sieg über „Nasty“
Wenige Monate später kämpfte er in der Nähe von Londen beim Prestige-Turnier „Clash of the Titans“ gegen den erfolgreichsten amerikanischen Semikontakt-Sportler und vierfachen WAKO-Weltmeister im Schwergewicht Steve „Nasty“ Anderson (siehe KICKsider 4/93). Dieses Turnier war mit einem hohen Preisgeld ausgeschrieben, entsprechend gut war die Motiovation auf beiden Seiten. Nasty dominierte über ein gutes Jahrzehnt die amerikanische Turnierszene nahezu unangefochten. Dennoch besiegte Alfie den farbigen Kontrahenten mit seinen spritzigen Fußtechniken und frechen Kontern. Übrigens hatte Alfie schon zwei Jahre zuvor bei einer ähnlichen Veranstaltung triumphiert. Damals verwieß er den schnellen Kevin „The Blitz“ Brewerton auf den zweiten Rang in der Hackordnung der britischen Semi-Größen. Laut Insidern soll Alfie für diesen Sieg ein Börse von umgerechnet 10.000 DM erhalten haben, das höchste Preisgeld im Punktkämpfen überhaupt.

Neue Erfolge in England
Später nahm Alfie wieder an Turnieren der FSK National League teil, insgesamt vier Turnier über das Jahr verteilt. Am Ende der Turnierserie kämpfen die besten britischen und irischen Sportler um die Ehre des Grandchampion. Wieder war es Alfie Lewis der die begehrte Trophäe zum fünften Mal mit nach Hause nahm. Ebenfalls zum fünften Mal siegte er im November im amerikanischen Atlantik City bei den Weltmeisterschaften der WAKO. Auch wenn sein Finalsieg über den Ungarn Scucs knapp ausfiel, erklamm er das Siegerpodest wie im Sturm, ohne wirkliche Konkurrenz.

Alfie Lewis
Gewohnte Pose: Viele seiner Kämpfe gewinnt Alfie mit großem Punktvorsprung oder durch Abbruch wegen technischer Überlegenheit wie hier über einen Italiener.

Neue Ziele
Mit dem Jahreswechsel hat Alfie seine Safeties an den Nagel gehängt und sich erst einmal mit einem dreiwöchigen Floridaurlaub von der strapaziösen Turniersaison erholt Einzig Preisgeldturniere sollen bei seinem Entschluß, nicht mehr zu kämpfen, eine Ausnahme bilden. In Zukunft plant er, weltweit Seminare zu geben und seine Liverpooler Sportschule, die den Namen „Center of Excellence“ trägt, (was soviel bedeuted wie: Center der Besten) zu einem Leistungszentrum auszubauen, in das Sportler aus aller Welt zum Training kommen, wie dies z.B. im „Jetcenter“ von Benny Urquidez der Fall ist.

Einstieg beim Film
Natürlich ist Alfies Talent auch von den Medien nicht unerkannt geblieben. Seit einiger Zeit ist er bei der Choreografie von Kampfszenen zu Gange. Demnächst soll er bei Fernseh- und Werbeaufnahmen auch vor der Kamera mit seinem Können auftreten dürfen.

Bald wieder in Deutschland
In Sachen Seminaren wird Alfie Lewis in den kommenden Monaten nach Deutschland, Österreich und in die Schweiz kommen (wir werden berichten). Dann wird er erstmals sein Buch „The Winning Edge“ und sein Video „The Arts of Freestyle Karate“ den interessierten deutschen Sportlern vorstellen. Bislang sind seine Werke nur über den englischen Fachhandel zu beziehen. Hier werden sich seine Fans ihr eigenes, persönliches Bild von dem Mann bilden können, der sich mit seinem „tierischen“ Humor den Spitznamen „The Animal“ (Das Tier) verdient hat

Alfie ist ein ausgeschlafener Konterkämpfer, der seine Gegner am liebsten auf dem falschen Fuß erwischt. Wie auf dem Foto zu sehen mogelt er sich in seinen Kombinationen in einen Angriffswinkel, aus dem seine Gegner ihn nicht mehr berechnen können.


Alfie Lewis
Diese Reportage erschien in Kick Ausgabe Februar 1994.