Interview mit Peter Cunningham

Peter Cunningham Peter Cunningham bereitet seine Kämpfer in allen Belangen auf Wettkämpfe in der ganzen Welt vor. Er selbst will kein Comeback starten und sich allein auf seine Leinwandkarriere vorbereiten.

„Keine Angst“

Im Kampfsport spielt Angst eine wichtige Rolle beim Ausgang einer Auseinandersetzung. Während viele Sportler, die nur für Zwecke der Selbstverteidigung trainieren, oftmals erst in einem Ernstfall mit dem m?glicherweise lähmenden Schock in Verbindung kommen, trainieren die wettkampforientierten Athleten daran, die Angst zu besiegen. Wir haben uns mit Peter Cunningham, einem der bekanntesten Profi-Thai- und Kickboxchampions in Los Angeles getroffen, um mit ihm über den Faktor Angst zu sprechen.

Welche Rolle spielte Angst in ihrer Karriere als Weltklasse Kickboxer?

Keine. Aber natürlich, Angst ist ein Faktor. Je schlechter man in Form ist umso wichtiger wird er. Ich denke, eine gewisse Nervosität legt jeder Kämpfer an den Tag. Es liegt an unserer Motivation dies zu erkennen und auszunutzen. Es ist ein Faktor, den wir überwinden müssen und selbst nutzen können.

Haben sie jemals gegen ein Fighter gekämpft, vor dem sie Angst hatten?

Angst ist in diesem Zusammenhang ein falscher Begriff. Man kann aber sagen, ich hatte großen Respekt vor einigen Gegnern. Als ich gegen den Thai Sakat kämpfte haben mir alle erzählt wie gut der Junge ist. Selbst am Tag der Veranstaltung kam Rob Kaman auf mich zu und warnte mich vor der Gefahr, die von ihm ausging, er solle so unglaublich hart zuschlagen können. Es hieß, meine einzige Chance würde sein, sich über die Distanz zu retten und die ganze Welt würde mich dafür respektieren. Ich ging in den Kampf und stellte fest, daß ich ihn zu stark respektierte. Ich kämpfte gegen ihn zweimal. Im ersten Kampf bewegte ich mich viel und konterte oft um ihn auf Distanz zu halten. Aber dann merkte ich, daß ich viel zu viel Respekt vor seinen harten Schlägen und Lowkicks hatte. Es war ständig in meinem Kopf. Ich sagte zu mir: „vergiss es!“ Ich wollte nicht vor ihm stehen und mich treffen lassen, also benutzte ich dies als Motivation um mich gut zu bewegen und effektiv zu kontern. Wenn ich die ganze Zeit daran gedacht hätte wie hart und fest er treffen kann, wäre ich als Leiche aus dem Ring getragen worden. Stattdessen habe ich daran gedacht, wie ich ihn schlagen kann.
Es ist nicht die Technik eines Gegners, die mich beeindruckt. Als Spitzenkämpfer war ich immer auf einem hohen Stand, hatte eine gute Kondition und war durch Sparring allen Situationen gewachsen. Gefährlich fand ich immer die Kämpfer, die einen speziellen K.o.-Schlag drauf hatten. Davor hatte ich Respekt und arbeitete daran, gerade damit nicht getroffen zu werden.

Kickboxen in Los Angeles
Peter (2. v.r.) mit Javier Diaz (1. v. li.) und zwei weiteren Kämpfern aus seinem Team.

Sie sind auch als Trainer aktiv. Wenn einer ihrer Schüler zum ersten Mal in den Ring steigt, was für Ratschläge geben sie ihm? Wie stellen sie ihn auf den Umgang mit Angst ein? Sprechen sie mit ihm darüber?

Ja, ich spreche mit ihm vorher darüber. Ich sage meinen Jungs und Mädels, sie müssen trotz aller Nervosität die Angst als Motivation für sich benutzen. Sie können kicken und schlagen und sind in einer guten Verfassung, wenn sie in den Ring steigen, ansonsten lasse ich sie nicht kämpfen. Sie müssen ein gutes Selbstvertrauen aufbauen. Ich sage ihnen, daß die Nervosität nichts besonderes beim ersten Kampf ist, auch nicht beim zweiten, dritten oder vierten Kampf. Es wird immer ein gewisser Grad an Nervosität bleiben egal wie gut man ist. Sobald sie jedoch in den Ring gehen, ist keine Angst mehr da.

In einem Kampf kann viel passieren. Z.B. kann ein Kämpfer hart getroffen werden, wodurch sich seine Einstellung ändert und Angst vor Verletzungen entsteht. Was kann ein Coach aus der Ringecke in so einer Situation unternehmen?

Ich denke, ein Coach muß vor dieser Situation, bzw. bevor er einen Jungen in den Ring schickt, die richtigen Weichen stellen. Man muß schon im Training lernen, Schläge einzustecken und schwierige Situationen zu überwinden. Wenn man merkt, daß man hart getroffen ist, muß man geeignete Maßnahmen treffen, z.B. klammern bis der Schiedsrichter die Kämpfer trennt. Man muß sich darauf konzentrieren, die Deckung oben zu halten und seinen Gegner zu fixieren, so daß man jede Bewegung sieht und Angriffe erkennt. Wenn das klappt, hat man gute Chancen schnell wieder in den Kampf zu finden. Die nächste Ringpause muß man dann voll nutzen um wieder Kräfte zu sammeln. Es ist eine Sache der Grundeinstellung, die Angst vor einem schweren Treffer ist nicht die große mentale Belastung, wie man das vielleicht denken mag.

Die mentalen Erfahrungen aus dem Training sind der Schlüssel für schwierige Situationen im Kampf?

Genau. Es ist wichtig die Konzentration aufrecht zu halten.

Peter Cunningham
Peter Cunningham bereitet seine Kämpfer in allen Belangen auf Wettkämpfe in der ganzen Welt vor. Er selbst will kein Comeback starten und sich allein auf seine Leinwandkarriere vorbereiten.

Können Übungen aus anderen Budosportarten helfen, die Konzentration zu verbessern?

Viele Kickboxer haben einen Background in den traditionellen Systemen wie Karate und Taekwon-do. Sie haben von Haus aus die Konzentration und das Selbstvertrauen, die man in diesen Disziplinen voraussetzt. Die Kinder haben diese Vorteile meist nicht. Hier kommt es auf die Trainer an, ihnen in Situationen zu helfen, in denen sie nicht so gut aussehen. Ein Sportler, der diese Disziplin nicht hat, ist vergleichbar mit einem lahmen Rennpferd. Es kommt nun auf den Jockey an, das Pferd zu führen. Im Kampfsport erfüllt der Coach die Funktion des Jockeys. Es ist seine Aufgabe die physischen und mentalen Voraussetzungen für den Sportler vor einem Kampf festzustellen.

Einige Fighter haben schon einmal die Angst geäußert, ihren Gegner zu verletzten. Welchen Rat haben sie für diese Leute?

Wenn du Angst hast deinem Gegner weh zu tun, dann bist du im falschen Sport. Ich verstehe die Angst, selbst verletzt zu werden. Dagegen kann man etwas tun.
Lassen sie uns etwas über ihre neue Karriere als Schauspieler reden. Sie sollen einen Vertrag für zwei Hauptrollen abgeschlossen haben. Ist das richtig?
Ja, für zwei Filme. Regie führt Toni Scott, ein weltbekannter Mann. Es werden Produktionen in der B-Kategorie, dafür sind sie aber sehr teuer. Es wird meine erste richtig große Rolle. Der Grundstein für meine Karriere liegt zurück bei Auftritten in der TV-Serie Kung Fu, die schließlich auch zu dieser Rolle geführt haben. Das ist richtig gut gelaufen für mich. Ich freue mich sehr auf die Arbeit.

Peter „Sugarfoot“ Cunningham gewann viele WM-Titel im Kickboxen mit Lowkicks(WKA, ISKA, KICK). Neben seiner Karriere als Schauspieler betreut er in Burbank eine Staffel professioneller Fighter.

Wird es ein Kampfsportfilm sein?

Ich werde eine Rolle spielen, in der Kampfsport sehr wichtig sein wird, definitiv. Aber es wird kein reiner Budofilm.

Wie sehen ihre Pläne nach den Dreharbeiten aus?

Ich werde 300 weitere Filme drehen (lacht).

Wollen sie noch einmal in den Ring zurückkehren?

Nein. Die Veranstalter der DRAKA-Kämpfe in Los Angeles haben mich angesprochen, um bei der letzten Gala (im Mai) aufzutreten, aber ich habe abgelehnt. Ich sehe noch ganz gut aus und ich habe eine großartige Karriere im Film vor mir, so daß ich diese im Moment nicht gefährden will. Ich muß das sehr ernst nehmen. Die Schauspielerei ist meine neue Karriere, es ist ein neuer Lebensabschnitt. Ich konzentriere mich auf meine Leinwandkarriere genauso intensiv wie ich mich früher auf meine Titelkämpfe vorbereitet habe.

Lesetip: Peter Cunningham und sein Buch Civilized Warrings


 

Dan Inosanto Kung Fu
Kung Fu 12/98

Das Interview mit Peter Cunningham wurde im Sommer 1998 in Los Angeles geführt und erschien in der letzten Ausgabe der Kung Fu Revue im Dezember 1998.