Super Kicks für Hong Kong
Es ist schon über 15 Jahre her, als auf deutschen Semikontaktturnieren vor allem ein Mann großes Aufsehen erregte: Hans-Gerd Hinz. Der hessische Wunder-Fußtechniker kickte sich mit schnellen und präzisen Doppel-, Dreifach- und Sprungtritten ausnahmslos bis auf die höchste Stufe des Siegerpodestes. Drei Weltmeistertitel und zahllose internationale und nationale Meisterschaften konnte er bis heute für sich entscheiden. Im August dieses Jahres reiste er nach Hong Kong, um sich seinen großen Traum zu erfülle. Hansi will ins Filmgeschäft einsteigen.
Auf den Pfaden von Bruce Lee
„Ich bin auf den Pfaden Bruce Lees gewandelt,“ erzählt Hansi begeistert von seinen Vorstellungsgesprächen in der britischen Kronkolonie, die im kommenden Jahr wieder an China zurückgegeben wird. „Die stellvertretende Produktionsleiterin Anna Jim von Golden Harvest hat mir die Hallen gezeigt, in denen der legendäre Lee filmte,“ steigert sich der heute 39-jährige Sunny Boy aus Usingen in eine unbeschreibliche Euphorie. Natürlich träumen viele von einer großen Leinwandkarriere als Schauspieler, Kampfsportler ganz besonders. Im Fall von Hansi muß man jedoch eingestehen, daß er einer der ganz wenigen ist, die Aussicht auf Erfolg haben. Diese Perspektive eröffnet sich für ihn nicht nur, weil er gut aussieht, phänomenale Techniken ausführt und sich leicht verständigen kann, sondern weil er realisiert hat, daß er für die Erfüllung seines Traums einiges tun muß.
Alles muß stimmen
Das Verlangen, sich selbst auf der Leinwand zu bewundern, so wie man es jeden Tag im Spiegel tun kann, reicht ebenso wenig wie gute Techniken oder passables Aussehen. Das ist allemal gut für Neben- oder Stuntrollen. Heute sind nicht mehr Schauspieler gefragt, die auf Kommando ein paar Kicks ausführen. Die Produzenten wollen kreative Akteure sehen, die vom Publikum mit der Rolle, die sie spielen, assoziiert werden können. Begnadete Schau-spieltalente wie Marlon Brando oder Robert de Niro fallen ohnehin nicht vom Himmel. Hansi hat das begriffen und in seine angestrebte neue Karriere investiert. Zusammen mit der bekannten TV-Produktionsfirma RTV hat er ein Demoband zusammengestellt, daß über die Leinwandqualitäten seiner technischen und kämpferischen Finessen keine Zweifel offen läßt. Darüber hinaus hat er eine phantastische Drehbuchidee zu einem dreiseitigen Treatment zusammengefaßt und sich damit bei den drei großen Produzenten in Hong Kong vorgestellt. Zu seiner Überraschung haben ihn alle drei Firmen zu Vorstellungsgesprächen eingeladen. Im August war es für den symphatischen Kickboxweltmeister soweit, er reiste nach Hong Kong um die Verwirklichung seines großen Traums in Angriff zu nehmen.
Lange Besprechungen bei Produzenten
Obwohl er bislang keine festen Engagements erreichen konnte, lassen sich die Resultate sehen. Wer bei solchen Vorstellungen durchfällt, steht nach wenigen Minuten wieder vor der Tür der Besprechungszimmer, eine Besichtigung der Studios ist dann nur noch als normaler Tourist möglich. Allein Titus Ho, der Produktionsleiter von den Shaw Brothers, hat sich für Hansi über zweieinhalb Stunden Zeit genommen. „Eine Rolle wäre kein Problem gewesen, sagte mir Titus, doch ich hätte perfekt chinesisch sprechen müssen,“ bedauert der Schauspieler in spe die freundliche Offerte des Produzenten. Bei Anna Jim von Golden Harvest stieß vor allem Hansis Drehbuchidee auf großes Interesse, die sie kurze Zeit später mit dem Autor Edward Tang, der schon für Jackie Chan geschrieben hat, durchging.
Drehbuch mit Jackie Chan
Das Skript, das Hansi entwickelt hat sieht ihn an der Seite von Jackie Chan in den Hauptrollen. Sie spielen Brüder, die von ihrer Existenz nichts wissen, bis sie über eine Erbschaft und den Mordversuchen eines gierigen Onkel nach vielen schlagstarken Auseinandersetzungen zufällig zusammenkommen. Bis zu ihrem Treffen leben sie an unterschiedlichen Orten, Jackie in Hong Kong und Hansi in Europa. Durch ihre Verwandtschaft zeigen sich erstaunliche Ähnlichkeiten in ihren Kampftechniken, die durch eine geschickte Inszenierung in geballte Action und der nötigen Chan-üblichen Komik eskaliert, bis es zum dramaturgisch zwingenden Happy End übergeht.
Ab nach Hollywood
Im Januar will Hansi auch in Amerikas Filmhauptstadt Holly-wood seine Möglichkeiten ausloten. Er hat bereits Skripts mit Rollen an der Seite von Chuck Norris und Michael Douglas im Kopf. Warum er zuerst nach Hong Kong und nicht nach Hollywood ging, um seine Karriere anzukurbel, kann er leicht erklären: „In Los Angeles muß man zuvielen Leuten den Hintern küssen.“ Daran ist was Wahres, denn nirgendwo anders auf dieser Welt ist das Angebot an Schauspielern – insbesondere für Karatefilme – so groß, wie in der sonnigen kalifornischen Metropole. Hier kommt man nur mit Beziehungen, guten Agenten und Rechtsanwälten an interessante Rollen, Talent und Aussehen sind eher zweitrangig. Dennoch will er es im Januar wagen, in den Studios der großen Traumfabriken vorzusprechen. Seine Bereitschaft für das „Ass-Kissing“ hat er seit seinem Stop in Fernost überdacht, schließlich hat ihm Titus Ho dazu geraten, Verbindungen, die man ohnehin hat, für sich zu nutzen.
Alles nur ein Traum?
Ob alles nur ein Traum bleibt oder ihm der große Durchbruch beschert wird, werden wir schon bald sehen. Bis dahin bleibt Hansi, der 1974 durch Zufall zum Taekwondo und später zum Kickboxen kam, seinem Sport treu. Seit langer Zeit führt der frühere Kunst- und Turmspringer mit dem Fitness Park ein Sportstudio in seiner Heimatstadt Usingen, in dem sich sein erfolgreiches German Power Team auf anstehende Semikontakt Turniere vorbereitet. Seinen sportlichen Erfolg, der sicher größer ausgefallen wäre, hätte er sich nicht 1983 auf dem Höhepunkt seiner Karriere zweimal das Bein gebrochen, führt er auf die Freundschaft mit seinen beiden Trainern Alfred Schniering und Peter Zemella zurück. Sie und sein Trainingskamerad Mike Schiller haben in den ersten Jahren seiner Kampfsportlaufbahn seine Talente entdeckt und optimal gefördert.
Will weiterkämpfen
Seine aktive Laufbahn will Hansi erst in zwei Jahren beenden. Dann findet in Disney World in Orlando, USA, die Weltmeisterschaft der Karate- und Point-Fighting Organisation, WKO, statt, bei der er es mit 41 durchtrainierten Jahren im Leib noch einmal wissen will. Sein sportpolitisches Engagement hat der Vorzeigesportler indessen aufgegen. „Zuviel Verbandsquerelen machen diese Arbeit zur Zeitverschwendung,“ kommentiert er den Undank der willkürlichen handelnden Verbandsfunktionäre und die Tatsache, daß es zuviele Häuptlinge aber nicht genügend Arbeiter in der Szene gibt.
Wenn einer der deutschen Stars der Kickboxszene eine Chance hat, zum Film zu kommen, dann ist es mit Sicherheit Hansi Hinz. Bleibt ihm nur zu wünschen, daß der Satz, „demnächst mehr auf dieser Mattscheibe,“ so oft es geht am Ende seiner Filme zu sehen sein wird. KICK hält sie selbstverständlich auf dem laufenden.
Hans-Gerd Hinz betreibt seit 2017 eine neue Sportschule in Frankfurt:
https://www.karatefrankfurt.de/
Hinz ist der erste Deutsche Sportler, dem 2019 der 10. Dan der AKBBA (Amerikanisches Sportkarate) in Texas verliehen wurde. Hansi Hinz ist weiterhin ein Mitglied der Taekwondo Hall of Fame (Bangkok, Thailand) und traegt den 7. Dan im ITF Taekwondo.